Sie kamen, wie Millionen andere Touristen vor
ihnen. Doch sie wollten weder urlauben noch suchten sie Entspannung
oder bierseligen Trubel am Ballermann. Vor genau 30 Jahren hielten
sich vier palästinensische Terroristen, zwei Männer, zwei Frauen,
in Palma auf, um die Entführung eines Passagierflugzeugs
vorzubereiten. Das Quartett wollte mit dieser Aktion
Gesinnungsgenossen aus dem Gefängnis freipressen: Elf Mitglieder
der in deutschen Gefängnissen inhaftierten Rote Armee Fraktion
(RAF) sowie zwei weitere Kampfgefährten in der Türkei. Für ihr
Vorhaben schreckten die selbst ernannten Revolutionäre auch vor
Mord nicht zurück.
Am 13. Oktober 1977 brachten die vier Entführer die
Lufthansa-Maschine „Landshut” auf dem Weg von Palma nach Frankfurt
in ihre Gewalt. Der Höllentrip endete erst fünf Tage später im
somalischen Mogadischu. Bei der Befreiungsaktion der 82
Passagiergeiseln und vier Besatzungsmitglieder wurden drei der vier
Terroristen getötet. An Bord der Maschine befanden sich neben
deutschen Urlaubern auch acht Mallorquiner und deutsche
Inselresidenten, wie der Box-Promoter Hans Hasse-Heyn und der
Geschäftsmann Gregorio Cañellas, einstmals Präsident der
Offenbacher Kickers, samt seiner 18-jährigen Tochter.
Der erste der vier palästinensischen Flugzeugentführer war
bereits am 6. Oktober in Palma eingetroffen. Der Mann nahm sich ein
Zimmer im Hotel Saratoga am Paseo Mallorca. Er legte einen falschen
iranischen Pass auf den Namen Ali Hyderi vor. Tatsächlich handelte
es sich um Zohair Youssif Akache, der später unter seinem
Kampfnamen „Captain Martyr Mahmud” die „Landshut” kapern und den
Flugkapitän Jürgen Schumann in Aden erschießen sollte.
Blut klebte damals schon an Akaches Händen, als er sich in Palma
als Tourist ausgab. Der 23-Jährige hatte im Jahr zuvor in London
drei Menschen erschossen, unter ihnen den Ex-Ministerpräsidenten
des Nordjemen.
Die drei übrigen Mitglieder des Terrorkommandos trafen in den
Folgetagen in Palma ein. Es handelte sich um Akaches Verlobte Nadia
Duaibes (22), den in Beirut geborenen Nabil Harb (23) und „Soraya
Ansari”, so der Name im gefälschten persischen Pass. Die 23-Jährige
sollte als Einzige von den Entführern die Erstürmung der „Landshut”
durch das GSG-9-Kommando überleben. Später, 1994, würde sie unter
ihrem wahren Namen Souhaila Andrawes in Norwegen enttarnt und
festgenommen werden. 1996 in Deutschland zu zwölf Jahren Haft
verurteilt, durfte sie die Strafe seit 1997 in Norwegen verbüßen.
Dort wurde sie 1999 von der norwegischen Regierung vorzeitig
entlassen. Seitdem lebt sie mit Mann und Kind in Oslo.
In Palma wohnte Andrawes zunächst eine Nacht im Hotel Saratoga,
dann zogen Akache und die Frau ein paar Meter weiter ins Hotel
Jaime III. Nabil und Duaibes stiegen am Paseo Marítimo im Hotel
Costa Azul ab, Andrawes wechselte später noch einmal ins unweit
gelegene Hotel Bellver. Nach ihren späteren Aussagen war es die
deutsche RAF-Terroristin Monika Haas, die den Palästinensern in
Palma Schusswaffen und Sprengstoff für die Flugzeugentführung
aushändigte. Schauplatz sei das Hotel Costa Azul gewesen. Die
Waffen wurden in Pralinenschachteln mit Schokolade überreicht.
Nabil Harb alias „Riza Abbasi” besucht nach Darstellung des
RAF-Experten Stefan Aust („Der Baader-Meinhof-Komplex”) jeden Tag
in Palma Reisebüros. Er will unbedingt mit Lufthansa nach Frankfurt
fliegen und bucht schließlich zwei First-Class-Tickets für den Flug
181 am Donnerstag, 13. Oktober. Gleichzeitig kaufte „Ali Hyderi
zwei Tickets, Economy, für den Flug nach Frankfurt.
In ihrer übrigen Zeit bewegten sich die vier Terroristen, wohl
auch, um keinen Argwohn zu wecken, wie gewöhnliche Touristen durch
Palma. Sie fotografierten sich gegenseitig am Yachthafen oder auf
der Stadtmauer unterhalb der Kathedrale. Gegenüber MM
erinnerte sich 1997 der Portier des Hotels Costa Azul, Francisco
Cantallops, wie er den beiden vermeintlich iranischen Paaren
Tickets für eine Flamenco-Show verkaufte. Sie fand im
Kunsthandwerker-Dorf Pueblo Español im nachgebauten Wahrzeichen
Sevillas, dem Torre de Oro, statt. Es ist nicht die einzige
Erinnerung, die die Entführer aus Palma mitnehmen. An einem Kiosk
in der Stadt kauften sie rote T-Shirts mit dem Konterfei des 1967
getöteten Revolutions-Heroen Che Guevara. Es sind die
Baumwollhemden, die die Terroristinnen später in der „Landshut”
tragen. Nadia Duaibes wird darin erschossen.
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