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Wäre Palmas östliche, am Meer gelegene Stadtmauer eine militärische Schulterklappe, dann würden gleich drei ornamentvolle Rangabzeichen auf ihr angebracht sein. Denn es sind die drei Altstadtviertel La Seu, Monti-Sion und Calatrava, die von den Höhen des historischen Bollwerks den Blick gen Süden auf das Mittelmeer richten.

Das Viertel La Seu befindet sich im Umfeld der weithin sichtbaren Kathedrale, Palmas bedeutendstem Wahrzeichen. La Seu bedeutet auf Katalanisch „der Sitz”, gemeint ist der Amtssitz des Bischofs von Mallorca, und somit hat sich schon früh diese Bezeichnung für das Gotteshaus etabliert, das wiederum als Ortsbezeichnung für das „Barrio” dient.

Dieses Viertel ist das am meisten von Touristen frequentierte Quartier. Jeder Urlauber, der Palma einen Besuch abstattet, erklimmt zumeist die Treppenstufen im Bereich des Almudaina-Palastes, um zur Kathedrale zu gelangen. Je höher er steigt, desto mehr öffnet sich ihm die Sicht über den Hafen und das Meer. Es ist, man muss es freimütig einräumen, selbst für Alteingesessene immer wieder ein Erlebnis, über die Stadtmauer oder den noch höher gelegenen Stadtbalkon zu flanieren.

Wer dem Verlauf der Stadtmauer aus dem 17. Jahrhundert in Richtung Sonnenaufgang folgt, wandelt wie auf einem Laufsteg in Halbhöhenlage zwischen der Kulisse der Altstadt und dem tiefergelegenen Stadtgarten Parc de la Mar dahin. Apropos Sonnenaufgang: Wer in den frühen Abendstunden vorbeikommt und den Blick nach Westen wendet, wird Zeuge perfekter Sonnenuntergänge vor geradezu theatralischer Szenerie, zwischen Meer, Stadt und Bergen. Ein amerikanisches Magazin hat Palma einmal als die lebenswerteste Stadt der Welt bezeichnet, und in jenen Momenten, wenn die Stunde blaut und die Außenbeleuchtung der Kathedrale aufleuchtet, kann man diese Behauptung gut nachempfinden.

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Einen Kontrast zu La Seu stellt das Calatrava-Viertel dar. Es bildet den südöstlichsten Winkel der Altstadt und ist am wenigsten touristisch erschlossen. Zwar reihen sich auch hier – wie in allen drei Vierteln – ehrwürdige Altstadtpaläste und Klöster aneinander, doch die Zahl der Lokale und Läden hält sich stark in Grenzen. Hier sind die Gassen nicht nur eng und düster, sondern mitunter so still, dass man einzig vom Geräusch der eigenen Schritte auf dem Steinpflaster begleitet wird.

Noch vor 20 Jahren galt das Viertel als verfallen und verkommen. Der lokale Drogenhandel und die dazugehörige Beschaffungskriminalität hielten selbst gestandene Mallorquiner davon ab, dort durchzulaufen. Dann setzte der Immobilienboom ein. Zwei übel beleumundete Gassengevierte wurden abgerissen, es entstanden an ihrer Stelle ein Theater und ein Justizgebäude. Zudem wurden Paläste renoviert, teilweise in mehrere Wohnungen aufgeteilt, für betuchte Altstadtfans. Oder Hotels eröffneten in seit Jahren unbewohnten Patrizierhäusern, wie etwa das Santa Clara, das Calatrava, das Can Cera oder, seit diesem Jahr, das Es Princep.

Wer durch die Gassen wieder zurück zur Kathedrale schlendert, durchquert das Monti-Sion-Viertel. Das ehemalige Judenviertel wird jeden Morgen belebt von Schulkindern auf dem Weg in die renommierten Privatschulen wie Monti-Sion und Sant Francesc weiter nördlich.

Während im Mittelalter Palmas Juden abgesondert von den Christen lebten und in der heutigen Monti-Sion-Kirche ihre Synagoge besaßen, war Calatrava das älteste Gewerbegebiet der Stadt. Dort waren die Gerber zu Hause. Das Gebiet war im Vergleich zum La-Seu-Viertel Stadtrandzone, bei lockerer Bebauung samt großen Gärten. La Seu hingegen ruht auf den historischen Fundamenten der Araber und Römer. So bilden die drei Stadtviertel heute zwar eine optische Einheit, besitzen aber zum Teil unterschiedliche Wurzeln. Das macht Palma zu einem einzigartigen Faszinosum.

(aus MM 8/2018)