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„Així era El Terreno” (auf Deutsch: "So war El Terreno"), lautet der Titel des Bildbandes, den der Historiker Xavier Terrasa aus Palma Ende 2017 veröffentlicht hat. Das 320 Seiten umfassende Werk in katalanischer Sprache schildert die Geschichte des Stadtviertels von den Anfängen bis in die 1960er Jahre, als der Niedergang einsetzte.

Anders als die Stadt Palma, die auf mehr als 2000 Jahre Geschichte zurückblicken kann, ist das Stadtviertel El Terreno westlich des Zentrums keine 200 Jahre alt. Somit war auf dem Landstreifen zwischen der karstigen Fels- und Steilküste und den bewaldeten Höhenzügen über viele Jahrhunderte kein Haus, nicht einmal eine Fischerhütte zu finden. Mit einer Ausnahme: Seit dem Jahre 1311 überragt das Schloss von Bellver, das mitten im Wald die Anhöhe krönt, die Stadt und die Bucht von Palma mitsamt dem vorgelagerten Gelände am Fuße des Burgberges. Es handelt sich um eine Gegend, die damals offenbar noch nicht einmal einen Namen besaß, zumindest ist keiner in Erinnerung geblieben.

Die zweite bauliche Ausnahme in der Gegend war das Quarantäne-Lager, in das Seeleute mit ansteckenden Krankheiten abgeschoben wurden, bis sie in den folgenden 40 Tagen gesundeten oder starben. Unter der Bezeichnung "Llatzeret" wurde der Bau der Anlage im Jahre 1656 begonnen und - nach langen Unterbrechungen - 1698 mit einem stattlichem Eingangstor vollendet. Heute gibt das Tor den Weg frei in den Park Sa Quarentena, einer der wenigen Grünzonen im El-Terreno-Viertel und ein verbindendes Element zwischen der Hafenpromenade Paseo Marítimo und der Plaça Mediterráneo.

Letztere ist nur wenige Schritte entfernt von der Plaça Gomila. Diese war einst das neuralgische Zentrum im palmesanischen Nachtleben, insbesondere in den glamourösen 1930er Jahren, dann wieder in den 1950er und 1960er Jahren. Ungeachtet des Niedergangs des Viertels gibt es dort noch immer eine Anzahl von Nachtclubs, die separate Nischenprofile bedienen. So treffen sich dort in den einen Bars Teenager, in den anderen Metal-Fans oder Homosexuelle, in den weiteren Kolumbianer, Ecuadorianer und andere lateinamerikanische Immigranten.

Just an der Stelle, wo sich die Tanz-, Trink- und Vergnügungswütigen um die Plaça Gomila nächtens versammeln, fand im Jahre 1691 ein Autodafé statt, damals noch weit vor den Toren der Stadt, mitten auf einer Lichtung im Kiefernwald am Eselskarrenpfad nach Andratx, also der heutigen Avinguda Joan Miró. Auf das Urteil des Inquisitionsgerichts von Palma hin wurden dort drei Menschen bei lebendigem Leib auf Scheiterhaufen verbrannt. Der Vorwurf gegen sie lautete, sie würden insgeheim ihrem jüdischen Glauben anhängen. Angeblich sollen sich dort bis zu 30.000 Einwohner aus Palma und den Inselgemeinden versammelt haben, um bei der Hinrichtung zuzusehen.

Der Name El Terreno für das künftige Viertel kam erst im 19. Jahrhundert auf. Die Herkunft ist ungeklärt, zumal der Begriff Spanisch ist und "das Gebiet" oder "das Gelände bedeutet. Eine mallorquinische Ortsbezeichnung, wie sie etwa als "Es Terreny" naheliegend gewesen wäre, ist nicht bekannt. Der Lokalhistoriker Xavier Terrasa, der jüngst einen Bildband über die Vergangenheit El Terrenos veröffentlichte, macht sich stark für eine eigentümliche These: So gehe der Name auf "Mar Tirrena", also "Tyrrhenisches Meer" zurück, mit dem das Seegebiet vor der italienischen Westküste bezeichnet wird.

Als Urheber von El Terreno gilt der mallorquinische Kardinal Antoni Despuig, der sich lange in Rom aufhielt und später den dortigen Lebensstil auf seine Heimatinsel verpflanzen wollte. Er war nicht nur Besitzer des wegen seiner Gärten berühmten Landsitzes Raixa bei Bunyola; in Palma erwarb Despuig auch den Küstenstreifen unterhalb der Burg von Bellver und ließ dort eine Finca errichten. Hinzu kommt: Auf einer 1784 von ihm in Auftrag gegebenen Insellandkarte tauchte genau an der Stelle, wo die Finca liegt, der Hinweis "Terreno" auf. Das Anwesen gilt als die Keimzelle des späteren Stadtviertels. Es ist noch heute oberhalb der Felsen der einstigen Bade- und heutigen Hafenbucht von Can Barbarà zu sehen und beheimatet die Stiftung Nazaret, die sich um benachteiligte Kinder kümmert. Die Gärten von Nazareth an Paseo Marítimo und der tyrrhenische Namensbezug legen bis heute Zeugnis ab von der Vorliebe des Kardinals für antike, italische und biblische Stoffe.

1856 erwarb wiederum Josep Villalonga Jordi eine weite Fläche oberhalb der alten Straße nach Andratx samt der Erlaubnis zum Parzellieren des Geländes. So entstand das Rechteck der vier Parallelstraßen, die das heutige El-Terreno-Viertel längs durchziehen und von denen eine den Namen des "Impulsgebers" trägt.

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Ende des 19. Jahrhunderts begannen vermögende Palmesaner, sich auf dem Höhenzug Sommerresidenzen zu errichten. Auf Stiegen und Pfaden ging es hinab ans Wasser, Fotos aus den 1930er Jahren belegen, wie die wildromantische Küste an geeigneten Stellen als Zugang zu einem Bad im Meer genutzt wurde. Mit der Zeit wurden die Sommervillen El Terrenos ganzjährig bewohnt oder an die ersten ausländischen Urlauber vermietet. Es handelte sich um Überwinterer, die dort in der Regel bis zu fünf Monate zubrachten, meist wohlhabende Menschen aus dem europäischen Adel und Bürgertum, oder spleenige Künstler, Maler und Schriftsteller, die Inspiration auf der für sie noch weitgehend exotischen Sonneninsel suchten. Die Namen, die in keiner Beschreibung über El Terreno fehlen, sind etwa der katalanische Autor Santiago Rusiñol ("Die Insel der Stille"), der nicaraguanische Poet Rubén Darío, die US-Autorin Gertrude Stein ("Wenn du das Paradies ertragen kannst, dann komm nach Mallorca"). Von 1933 bis 1943 fand sich dort sogar eine deutsche Schule.

Findige Unternehmer waren schnell zur Stelle, um die Familienvillen in Hotels umzuwidmen. Den Auftakt bildete 1910 das Hotel Villa Victoria mit acht Zimmern. Es präsentiert sich heute nach unzähligen Um- und Neubauten als das Gran Meliá Victoria an der Hafenpromenade, die in den 1950er Jahren entstand. 1923 nahm das Hotel Mediterráneo mit 23 Zimmern den Betrieb auf. Das Art-déco-Gebäude verdrängte eine Villa im hellenischen Stil, die bereits Ende des 19. Jahrhundert dort errichtet worden war. Heute zählt das weiße Apartmentwohnhaus mit seinem Weitblick über den Hafen zu den hochpreisigsten Immobilien Palmas.

Ein Kuriosum: Die städtebaulichen Kontraste, die sich in El Terreno wahrnehmen lassen, sind keine Erscheinung aus der Zeit der Immobilienspekulation, der Bauwut und des Massentourismus. Schon in der Belle-Epoque des Viertels fanden sich nach Terrasas Worten ungeahnte Widersprüche: So befanden sich die ersten beiden Edelhotels in der Nachbarschaft eines Chemie-Betriebes und einer Ölraffinerie, die ebenfalls an der Küstenlinie ihre Standorte hatten. Der Chemiebetrieb wurde vor dem Ersten Weltkrieg in eine Schiffswerft umgewandelt, 1922 zog dort die Herstellung des Loryc ein, des einzigen Markenautos, das auf der Insel produziert wurde. Bis zu 60 Arbeiter zählte der Betrieb. 1944 wurde in dem Bereich wieder eine Schiffswerft samt Drehbrücke angesiedelt.

Hotellerie und Industrie agierten also auf engstem Raum. Und ungeachtet der Nähe zu Fabriken und Werkanlagen verstanden die Gründer der frühen Luxushotels ihr Handwerk. In Palma selbst waren sie schon lange jeweils als Eigentümer des Gran Hotels und des Hotels Alhambra am Borne aktiv gewesen. Aber auch deutsche Unternehmer riefen in jenen Jahren in El Terreno Hotels und Pensionen ins Leben.

Xavier Terrasa fasst die damalige Entwicklung eindrucksvoll in Zahlen: 1925 kamen rund 20.000 Langzeit-Urlauber nach Mallorca, 1930 verdoppelte sich die Zahl auf über 40.000. El Terreno stellte etwa ein Fünftel der Unterkünfte der Insel.

Die Zahl der Übernachtungsbetriebe explodierte förmlich: 1930 gab es lediglich drei Hotels, 1935 waren es 14. Dann brach 1936 der Spanische Bürgerkrieg und 1939 der Zweite Weltkrieg aus. Im Jahre 1950 zählte das Viertel wieder nur drei Hotels, dann setzte erneut der Tourismus ein, der zunächst vor allem Skandinavier nach Palma führte. Mit der Umwandlung der Meeresbucht in einen Hafen verloren viele der einstigen Badehotels ihre Attraktivität, die Besucherströme orientierten sich nun um in die neuen Badeorte, wie sie etwa in Cala Major, an der Playa de Palma, in Arenal, Santa Ponça und Peguera entstanden. El Terreno verlor seinen Nimbus als Tourismusdestination und wartet nun darauf, als einzigartiges Wohngebiet neu entdeckt zu werden.

INFO
Das Buch des Historikers Xavier Terrasa aus Palma, „Així era El Terreno" (auf Deutsch: "So war El Terreno") enthält 250 Illustrationen und Fotos in elf Kapiteln. Es kostet 19 Euro. ISBN: 978-84-947890-0-7. Die in diesem Bericht gezeigten historischen Fotos stammen ebenfalls aus Xavier Terrasas jüngstem Werk.

(aus MM 1/2018)