Die grüne Neonschrift über dem Eingang gehört zu den Markenzeichen des Spielwarenladens La Industrial. | jm

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Für Josep Massot steht eines fest: Die besten Ensaimadas macht der Bäcker gleich um die Ecke. Der, der das schon immer macht. „Ich bin also sehr daran interessiert, dass er weiterhin besteht“, sagt der Vizepräsident der Denkmalschutzvereinigung Arca. „Es geht bei dem Erhalt des traditionellen Einzelhandels auch um das Selbstwertgefühl der Bevölkerung.“ In Zeiten, in denen der Internethandel boomt und die Innenstädte zunehmend von Niederlassungen internationaler Konzerne dominiert werden, sei dies häufig der letzte Rest Authentizität, der noch übrig sei. „Vor nicht allzu langer Zeit war ich in Lissabon“, sagt Massot. „Ich wollte ein Spielzeug als Mitbringsel kaufen. Es war unmöglich. In der ganzen Innenstadt habe ich kein entsprechendes Geschäft gefunden. Am Ende musste ich ins Einkaufszentrum am Stadtrand fahren.“

Um das fortschreitende Sterben der typisch mallorquinischen Läden in Palma aufzuhalten, zeichnet die Stadtverwaltung seit 2018 diejenigen von ihnen aus, die aus dem Angebot des Einzelhandels herausstechen. Es gibt dabei dreierlei Kriterien: Zum einen das Alter. Als emblematisch gelten demnach Geschäfte, die seit mindestens 75 Jahren existieren. Das zweite Kriterium ist die Aktivität, um die es geht. Bei dieser muss es sich um Handwerke oder den Verkauf von Produkten handeln, die einen klaren Bezug zur balearischen Kultur haben. Drittens: Die Immobilie, in der sich das Geschäft befindet, muss zum Teil oder vollständig unter Denkmalschutz stehen.

Geschäfte, die eines dieser Kriterien erfüllen, fallen in die sogenannte Kategorie 3. Für Kategorie 2 sind zwei Kriterien zu erfüllen, für Kategorie 1A alle drei. Kategorie 1B bedeutet: Zwei Kriterien sind erfüllt, eines davon aber auf bedeutende Weise. In regelmäßigen Abständen wird die Liste der emblematischen Geschäfte überarbeitet. Das geschieht derzeit wieder. In der vergangenen Woche forderte die Stadtverwaltung Palmas Einzelhändler auf, sich zu bewerben, sollten sie der Meinung sein, ihr Geschäft habe es verdient, emblematisch genannt zu werden. Anschließend prüft eine Kommission bestehend aus Vertretern der Stadt, der Architekten- sowie der Ingenieurskammern, der Balearen-Universität und des Denkmalschutzverbandes Arca die Bewerbungen und trifft dann eine Entscheidung über die Aufnahme in die Liste.

Den Betreibern der emblematischen Geschäfte wird anschließend eine Urkunde überreicht, sie dürfen eine Plakette an ihrer Eingangstür befestigen und sie bekommen jährlich eine gewisse Geldsumme als Unterstützung ausgezahlt. Derzeit stehen 90 Geschäfte auf der Liste, in diesem Jahr schüttet die Stadt 50.000 Euro an sie aus. Doppelt so viel wie ursprünglich geplant, was der aktuellen Krisensituation geschuldet ist, in der sich der Einzelhandel befindet. Wie viel Geld jeder Einzelne bekommt, hängt von der Kategorie des jeweiligen Betriebes ab.

Viel bringe das allerdings angesichts der hohen Mieten in Palmas Innenstadt nicht, gibt man etwa beim Einzelhandelsverband Afedeco zu bedenken. „Die Hilfen sind wirklich minimal“, sagt Antoni Gayá, der Präsident des Verbandes – im Schnitt sind es einige Hundert Euro. Pro Jahr wohlgemerkt. „Sehen Sie sich nur mal die Plaça d’Espanya an“, sagt er. „Vor zehn Jahren konnte man dort noch einen typisch mallorquinischen Tapas-Teller, ein Variat, bekommen. Heute gibt es dort nur noch Fastfood.“ Die Mieten seien in vielen Gegenden der Stadt in den vergangenen Jahren geradezu explodiert. Gerade für die Betreiber von traditionellen, alteingesessenen Läden, die häufig die Nachfrage nach sehr speziellen Produkten bedienen, sei es unmöglich, dabei mit internationalen Konzernen zu konkurrieren. Es gibt Fälle in Palmas Altstadt, in denen sich die Ladenmiete nach dem Auslaufen alter, sehr günstiger Verträge auf einen Schlag von 500 Euro monatlich auf 15.000 Euro erhöhten.

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„Wir müssen uns fragen, was für eine Stadt Palma sein soll“, sagt Gayá. „Ich finde, wir sollten uns auch weiterhin von anderen Städten unterscheiden. Und was uns unterscheidet, ist nun einmal der traditionelle Einzelhandel.“ Natürlich habe jeder Vermieter das gute Recht, bei einem besseren Angebot einen auslaufenden Vertrag nicht zu verlängern. Die Stadtverwaltung habe aber durchaus Möglichkeiten, hier korrigierend einzugreifen. Durch Sondertarife bei bestimmten Steuern und Abgaben etwa. Warum senke man nicht die vom Immobilienbesitzer zu zahlende Grundsteuer, wenn dieser an den Betreiber eines emblematischen Geschäftes vermiete, schlägt Gayá vor.

Eine Lösung, die Rodrigo Romero nicht überzeugt. Der Dezernent für Wirtschaftsförderung im Rathaus, in dessen Zuständigkeitsbereich der Einzelhandel fällt, hält solcherlei Steuervergünstigungen für nicht machbar. Zum einen könne es sich die Stadt nicht erlauben, auf die Einnahmen zu verzichten. Zum andere sei es den anderen Bürgern gegenüber ungerecht, wenn nicht sogar rechtlich fragwürdig, sollte es Sonderregelungen bei der Grundsteuerhöhe geben. Deshalb setzt man bei der Stadt auf eine andere Strategie. So unterstütze man die Betreiber emblematischer Geschäfte etwa bei Verhandlungen mit Vermietern oder bei der Suche nach einem Nachfolger. Außerdem gebe es Subventionslinien für Betriebe, die modernisiert werden, und demnächst soll eine Rabattaktion beginnen, in deren Rahmen Gutscheine im Wert von 30 Euro für 20 Euro verkauft werden. Diese können dann in bestimmten Einzelhandelsgeschäften eingelöst werden – die Differenz übernimmt die Stadt. 300.000 stehen dafür zur Verfügung. Die Liste der emblematischen Geschäfte derweil habe nicht nur symbolische Bedeutung, sagt Romero. Er ist überzeugt, dass es durchaus einen Werbeffekt gibt.

Auch Denkmalschützer Josep Massot hält es für sinnvoll, dass die Stadt diese Liste führt. „Zumindest hilft es dabei, die emblematischen Geschäfte zu lokalisieren“, sagt er. Dass das allein zu deren Schutz nicht ausreiche, sei aber auch völlig klar. In Ländern wie Frankreich greife man zu viel drastischeren Maßnahmen. Dort komme es bei besonders traditionsreichen und schützenswerten Geschäften, die in ihrem Bestand bedroht sind, sogar zu Enteignungen. Anschließend trete dann der Staat als Betreiber auf. „Das kann aber auch nur in Einzelfällen eine Lösung sein.“ Für entscheidend hält er etwa anderes. „Die beste Hilfe für den traditionellen Einzelhandel ist das Bewusstsein der Menschen: Sie müssen erkennen, dass es sinnvoll ist, dort einkaufen zu gehen.“

Die Liste der emblematischen Geschäfte in Palma umfasst derzeit 90 gastronomische Betriebe und Einzelhändler. Bars (wie zum Beispiel die Bar Bosch), Bodegas, Cafés (wie etwa Ca’n Joan de S’Aigo), Bäckereien und Restaurants (unter anderem der Celler Sa Premsa) machen davon einen Großteil aus. Man findet auf der Liste (hier klicken) aber auch Hutmacher, Kerzenzieher, Schlachter, einen Polsterbetrieb, Messerschleifer, Glaser, Rahmenmacher und einen Friseur. Um die Geschäfte bekannter zu machen, hat die Stadt vor einiger Zeit ein Faltblatt herausgegeben, das allerdings nicht ganz aktuell ist – es fehlen einige der Geschäfte (zu finden sind diese aber auf der Internetseite). Laut Dezernent Rodrigo Romero soll es künftig eine „Route der emblematischen Geschäfte“ geben, die es auch Urlaubern erleichtern soll, den Weg zu den Traditionsbetrieben zu finden.

(aus MM 25/2020)