Auf dem Weg nach Sant Elm bieten sich der Wandergruppe herrliche Ausblicke auf die „Dracheninsel” Sa Dragonera. | Foto: Eva Ulmer

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"So Leute, los geht's", ruft der Wanderführer, nachdem er seine Truppe durchgezählt hat. 20 Frauen und Männer führt Gonzalo Martínez heute durch die westliche Tramuntana vom Coll de Sa Gramola auf der Straße von Andratx nach Estellenç über die Klosterruine La Trapa nach Sant Elm. Vier bis fünf Stunden werde die Tour dauern, sagt der Wanderführer. Eigentlich ist er Anwalt und engagiert sich in seiner Freizeit im Wanderclub "Els Xots". Auf Deutsch bedeutet das "Bergziegen" und das hat einen Sinn, denn die Wanderungen des Clubs führen oft nicht auf ausgewiesenen Wegen, sondern auf den Pfaden von Bergziegen entlang.

Wandern als organisierter Freizeitsport wird auf Mallorca immer beliebter. Beim Balearischen Wander- und Kletterverband sind aktuell 84 Wanderclubs registriert. Wie "Els Xots" bieten sie in der Regel jedes Wochenende in der Wandersaison Touren an. Die Schwierigkeitsstufen variieren. Die heutige Tour gilt als leicht. Unter den Teilnehmern sind neben Mallorquinern und Festlandspaniern auch zwei Mexikanerinnen, eine Neuseeländerin und zwei Deutsche.

Die Schwäbin Verena F. lebt seit 20 Jahren auf der Insel und arbeitet in Palma in der öffentlichen Verwaltung. Dem Club sei sie vor zwei Jahren beigetreten: "Ich wollte mal einen neuen Sport ausprobieren und in der Natur sein", sagt sie. Renate S. kommt aus Hamburg. Bei Els Xots mache sie mit, um Wege kennenzulernen, die sie alleine nicht laufen würde, und um die Insel aus neuen Blickwinkeln zu sehen.

Der allmählich ansteigende Weg führt durch eine karge Gebirgslandschaft. Hier und da stehen noch verkohlte Bäume vom verheerenden Waldbrand 2013, doch die Natur erobert sich das Terrain zurück. Dissgräser und Sträucher sprießen wie die endemische Estepa Blanera, ein Lippblütler mit samtigen Blättern. Das Balearen-Johanniskraut versprüht ein angenehmes Zitrusaroma. Bald öffnet sich der Blick auf die steile Nordwestküste. Hoch schäumt die Brandung auf die Felsen. Zwergadler kreisen in der Höhe. Nach gut zwei Stunden Laufen entlang der Küste ist in einem Hochtal die Ruine des Trappistenklosters erreicht. Die Insel Dragonera liegt jetzt zu Füßen.

"Vesperpause", ruft Gonzalo. Die Wanderer packen ihren Proviant aus. Nun kommt die Espressokanne zum Einsatz, die an Gonzalos Rucksack gebaumelt hat. "Wer mag einen Kaffee?", fragt er in die Runde und holt einen Gaskocher aus dem Rucksack.

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Zeit zum Plaudern. Nicht alle kennen sich, denn in dem 150 Mitglieder starken Verein ist jede Tour anders zusammengesetzt. Manche sind nur für einen Tag Mitglied geworden, um in den Club hineinzuschnuppern. Die verschiedensten Berufe versammeln sich, von einer Briefträgerin über einen Maurer bis zum Architekten, Lehrer und Arzt.

Interessante Menschen sind dabei. Renate aus Hamburg erzählt, dass sie lange auf Teneriffa und in Madrid gelebt hat. Dort arbeitete sie im ZDF-Studio als Redaktions- und Produktionsassistentin sowie in der Auslandsvertretung der Messe Frankfurt, bis sie sich entschloss, nach Mallorca zu ziehen, um im Tourismus im Marketing zu arbeiten. Sie sei hier rundum glücklich, meint die 61-Jährige. Nach Deutschland zurückzukehren sei keine Option. "Zum Besuchen auf jeden Fall, aber seit 40 Jahren lebe ich in Spanien. Ich bin ein fröhlicher, lebensfroher Mensch. Ich denke positiv. In Hamburg wäre ich das, glaube ich, nicht geworden."

Nach einer halben Stunde mahnt Gonzalo zum Aufbruch. Der Abstieg nach Sant Elm steht an mit einem kleinen Umweg über die Torre de Cala en Basset, einen alten Verteidigungsturm, von dem man einen herrlichen Blick auf die Insel Dragonera hat.

Dann weicht Gonzalo vom offiziellen Weg ab und geht ganz nah am Meer entlang nach Sant Elm. "Sehen Sie, diesen Weg mit dieser Sicht auf Dragonera hätte ich alleine nie gefunden", betont Renate.

Wunderschön sei die Tour gewesen, finden die Wanderer am Ende. Einige hatten ihre Autos am Morgen in Sant Elm abgestellt. Mit diesen werden nun die Wagen, die am Ausgangspunkt stehen, geholt. "Und mit einem fröhlich-entspannten Gesicht fährt man nach so einem Tag nach Hause", meint Renate.