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Lecker riecht es in der Küche von Francisca Oliver in Sineu. Aus dem Ofen duftet selbst gebackenes Brot. Am Herd köchelt ein Weißkohleintopf. Auf dem Tisch steht hausgemachte Leberpastete. Im Vorratsschrank stapeln sich eigene Konserven, allen voran Tomaten. Gut 40 Gläser hat sie dieses Jahr davon eingemacht, letztes Jahr waren es über 100. Wer von der Verwandtschaft Tomaten anbaue, bringe nach der Ernte etwas vorbei, erzählt die Mallorquinerin. Was nicht verspeist werde, verarbeite sie.

"Alte Schule", meint Sohn Tito. "Wegwerfen gibt es nicht." Zum einen stellt Francisca Oliver "Tomate frito" her, eine Sauce. "Zwiebeln glasig dünsten, geschälten Knoblauch hinzugeben, ein paar Minuten köcheln, gewürfelte Tomaten zufügen, vorsichtig vermischen und etwa eine halbe Stunde bei mittlerer Hitze kochen, dann salzen. Mit dem Kartoffelstampfer pürieren und in sterilisierte Gläser füllen. Deckel drauf, umdrehen und im Wasserbad eine halbe Stunde lang einkochen." Fertig sei die "Tomate frito" für den Winter, die viel besser als gekaufte Saucen schmecke, findet Tito. Die "Tomate frito" halte sich zwei bis drei Jahre und passe zu vielen Gerichten: zu Nudeln natürlich, Fleischbällchen, Kartoffelomelett, kubanischem Reis oder Kalbfleisch. "Wichtig ist nur, die Sauce bei schwacher Hitze aufzuwärmen und eventuell nachzuwürzen", sagt die Köchin. Einen Teil der Tomaten koche sie ohne Verarbeitung ein. "Einfach nur häuten, vierteln, in Gläser füllen und im Wasserbad haltbar machen." Die seien neutraler und sehr gut auch für "Sofrito". So heißt die Grundlage für Saucen oder Gemüsebeilagen basierend auf gedünsteten Zwiebeln.

Kaum jemand ist noch so fleißig wie Francisca Oliver, aber man kann im Winter auch leckere Tomaten aus Mallorca genießen, ohne sie vorher selber eingemacht zu haben. Zum einen gibt es ja noch Ramallet-Tomaten zu kaufen. Die mallorquinische Supersorte hält sich fast ein ganzes Jahr lang frisch. "Sie muss noch nicht einmal kühl lagern", sagt Biel Torrens von der Agrarvereinigung Uniò de Pageses. Wichtig sei nur, dass sie Luft bekomme und keine Feuchtigkeit. Deshalb werden die Ramallets traditionell an Schnüren aufgefädelt und an Hauswänden oder Dachböden aufgehängt. Je nach Unterart sind sie runder oder flacher, rotgelb, rotorange oder rötlich. Man muss aufpassen, dass man auch wirklich Ramallets kauft und keinen Hybriden. "Wenn sie zu sehr glänzt, zu groß ist oder zu prächtig, dann ist es ein Hybrid", meint Torrens.

Die Ramallet ist die Standardzutat für das mallorquinische Pa amb oli, Brot mit Olivenöl, auf dem halbierte Tomaten ausgedrückt werden. "Sie ist sehr fleischig. Bei ihr kommt wirklich das Fruchtmark heraus. Bei anderen Sorten würde man nur den Saft ins Brot quetschen", sagt Asier Salaberria, Chef vom Restaurant "Vi-és" in Sineu. Er benutzt die Ramallet auch gerne für Sofrito oder macht daraus Marmelade, die er dann mit Herzhaftem wie Serrano-Schinken oder Käse kombiniert. "Sie schmeckt sehr intensiv, so wie eine Tomate schmecken sollte", fügt der Chef vom Restaurant Schwaiger Xino's in Palma, Gerhard Schwaiger, hinzu. Trotzdem seien viele Deutsche enttäuscht, weil sie die Ramallet für eine "normale" Tomate hielten, und das sei sie nicht. "Sie eignet sich nicht für Salate, weil sie nicht sehr saftig ist und eine härtere Schale hat." Manch einer versuche sie zu enthäuten. Doch das sei eine mühselige Angelegenheit. "Hacken Sie sie lieber klein und dünsten Sie sie an. So löst sich die Schale auf. Oder pürieren Sie sie anschließend." Wie bei allen Tomaten gelte: Nicht im Kühlschrank lagern und nicht die Kerne entfernen, denn darin sei das meiste Aroma enthalten.

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In guten Obstläden findet man zurzeit auch getrocknete mallorquinische Tomaten. Auf der Insel werden sie traditionell im Spätsommer in der Sonne getrocknet "Die Bauern halbieren die Früchte, be-streuen sie mit Salz und eventuell noch Gewürzen und legen sie auf einen Lattenrost", erzählt Biel Torrens. Fünf bis sechs Tage dauere der Prozess. Durch ihren "penetrant tomatigen" Geschmack eigneten sie sich hervorragend zum Würzen für Suppen, Dressings, Eintöpfe oder Saucen, sagt Gerhard Schwaiger. "Sie geben eine wunderbare Säure." Es heißt, dass getrocknete Tomaten vor dem Verzehr erst in Flüssigkeit gegeben werden sollten. Sonst seien sie hart und zäh. "Für mallorquinische Trockentomaten stimmt das auf jeden Fall nicht", meint Schwaiger. Bei warmen Gerichten sollten sie mitkochen. Dadurch würden sie weicher und zerfielen. Wichtig sei aber, sparsam damit umzugehen. "Und frieren Sie sie zum Aufbewahren ein. Sie schimmeln schnell."

Schließlich finden sich in Feinkostgeschäften und guten Obstläden immer mehr verarbeitete Produkte mit mallorquinischen Tomaten, etwa ein Paté mit Olivenöl von Macià Batle oder eingelegte getrocknete Tomaten von Fet a Sóller.

Eine Firma hat sich sogar darauf spezialisiert. Wie das kam, erzählt Isabel Vicens. "In Agromallorca bauen wir seit Jahrzehnten Ramallet-Tomaten an und mussten immer so viele wegwerfen, nur weil sie optisch nicht dem EU-Standard entsprachen. Auch der ,Tafel' konnten wir nicht dauernd Tomaten geben." So habe man sich zum Verarbeiten entschieden. Inzwischen gibt es mallorquinischen Gazpacho, Tomatensaft, Püree für Pa amb oli und Konfitüre, größtenteils in Bio-Qualität, und sogar Ketchup. Die Idee dafür stammt von Lorenzo Pons. Der Koch hatte seine Arbeit verloren und beschloss, kreativ zu werden. In seiner Küche in Binissalem experimentierte er, wie er ein gutes Ketchup mit Inseltouch herstellen könnte. Das Resultat heißt Forqueta – mit Ramallet-Tomaten, Kürbis und ohne Chemie.

(aus MM 49/2017)