Soldaten der Wehrmacht nannten den Kräuterlikör angeblich "Göring-Schnaps", doch bei den Jungen in Spanien avanciert "Jägermeister" zur Kultmarke. Auch auf Mallorca nehmen immer mehr Kneipen das seit 1935 etablierte Produkt ins Angebot. Promotion-Fahrzeuge in Knall-Orange sind fast überall auf der Insel zu sehen. Eines davon überfuhr im Sommer 2015 eine 88-jährige Fußgängerin in Santa Ponça, weil an einem Abhang die Handbremse nicht angezogen war.
Nicht immer ist die Wirkung so tödlich, obwohl in Spanien der "Verein der Jägermeister-Opfer" seine eigene Facebook-Seite betreibt. Gemeint ist das eher scherzhaft wegen der 35 Prozent Alkohol im Schnaps, bei denen südeuropäische Konkurrenzprodukte wie Ramazotti oder der mallorquinische Kräuterschnaps "Herbes" nicht mithalten können. Dank eines erhöhten Besäufnisbedarfs konnte Jägermeister nach Firmenangaben allein 2013 auf dem Höhepunkt der hiesigen Krise seinen Spanien-Absatz um 33 Prozent steigern.
Doch worin liegt die Faszination des Getränks, das ursprünglich als Verdauungs- und Hustenmittel gedacht war, sowie in der Wehrmacht angeblich sogar zu Narkosezwecken eingesetzt wurde? Von Anfang an waren die Hersteller aus dem norddeutschen Wolfenbüttel recht clevere Marketing-Strategen. Statt "Hubertusbitter" nannte Erfinder Curt Mast das Getränk lieber "Jägermeister" - laut Historikern in Anlehnung an Nazi-Minister Hermann Göring, der seinerzeit auch als "Reichsjägermeister" amtierte und jährlich zur Hubertusfeier in die Wälder von Wolfenbüttel lud. Nach dem Krieg übernahm Curt Masts Neffe Günter die Geschäfte.
Dieser sponserte Eintracht Braunschweig und gilt als Begründer der Trikotwerbung im deutschen Fußball. Beim Texten einer bekannten Werbe-Kampagne unter dem Motto "Ich trinke Jägermeister, weil..." soll er selbst beteiligt gewesen sein. Heute sind seine Nachfolger mindestens genau so kreativ. "In Spanien hat Jägermeister von jeher ein rockiges Image und spricht vor allem eine alternative Zielgruppe an", heißt es auf der Firmen-Homepage.
Zu der positiven Entwicklung hätten vor allem auch die sogenannten "Casa-Jäger-Partys" beigetragen. Gefeiert wird dabei immer in einem ganz normalen Familienhaus, das für eine Nacht zur "Casa Jäger" (Jäger-Haus) mutiert. Zutritt gibt es nur mit einer heiß begehrten Einladung. In Madrid, Barcelona oder Bilbao haben die Events mittlerweile Kultstatus. Auf Mallorca hat zwar noch keines stattgefunden, aber vielleicht wäre das ja eine Idee für geschäftstüchtige Immobilienbesitzer. Fragt sich nur, was nach der Feier noch von der Finca übrig ist ...
(aus MM 11/2016)
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