Mallorca und die Nachbarinseln, eine der beliebtesten Urlaubsdestinationen Europas, stehen am Scheideweg. Aurelio Vázquez, einer der führenden Tourismusexperten der Inseln, der bereits den großen mallorquinischen Hotelketten wie Iberostar und Riu beratend zur Seite stand, fordert im Interview mit der spanischen MM-Schwesterzeitung Ultima Hora mit deutlichen Worten eine grundlegende Neuausrichtung des Tourismus. "Die Balearen sterben nicht am Erfolg, sondern an der Untätigkeit", betont Vázquez. Für ihn liegt die Lösung in der Umgestaltung des touristischen Angebots und nicht in einer reinen Reduzierung der Besucherzahlen.
Seit Jahren wird auf den Inseln über die Folgen des Massentourismus diskutiert. Die Proteste gegen die "Überfüllung" haben in den letzten Jahren zugenommen, doch Vázquez sieht die Ursache des Problems woanders. "Es ist kein Problem der Massifizierung, sondern ein Mangel an politischem Management in den vergangenen 15 Jahren", so der Tourismusexperte. Die Infrastruktur vieler Bereiche, insbesondere die Zufahrtsstraßen nach Palma, sei veraltet und müsse dringend modernisiert werden. Auch die illegale Ferienvermietung, besonders in Mehrfamilienhäusern, trage zur Überlastung bei und müsse stärker kontrolliert werden.
Vázquez kritisiert die Idee, den Tourismus durch Begrenzung der Besucherzahlen zu drosseln. "Für mich lässt sich das Verb 'reduzieren' nicht konjugieren. Es existiert nicht in der Welt der Wirtschaft", erklärt er. Stattdessen müsse das Angebot sowohl quantitativ als auch qualitativ umgestaltet werden. Das Ziel sei es, Touristen mit höherem Mehrwert anzuziehen, um die wirtschaftliche Tragfähigkeit der Region zu sichern und gleichzeitig die ökologische und soziale Belastung zu reduzieren. "Wollen wir Touristen mit hohem Mehrwert, müssen wir ein entsprechendes Produkt anbieten, das sich andere Kundenprofile nicht leisten können", sagt Vázquez.
Ein weiterer Schwerpunkt seiner Kritik liegt auf der fehlenden Produktivität des Sektors. "Wenn man sein Wachstumsmodell von einer großen Zahl von Menschen mit einem mittel- bis geringwertigen Produkt ableitet, sinkt die Produktivität", so Vázquez. Durch eine Erhöhung der Qualität und die Verbesserung des Angebots könnten höhere Einnahmen pro Tourist generiert werden, was letztlich auch den Arbeitskräften zugutekommen würde. Private Investitionen, unterstützt durch öffentliche Maßnahmen, seien der Schlüssel zur Modernisierung.
Vázquez äußert sich auch zu den jüngsten Protesten auf den Balearen, bei denen sich Teile der Bevölkerung gegen die Auswirkungen des Massentourismus wehren. Er zeigt Verständnis für die Forderungen nach Veränderungen, warnt aber vor den langfristigen Folgen negativer Schlagzeilen. „Wenn ich im Fernsehen Anti-Tourismus-Graffiti sehe, dann fahre ich an einen der 250 anderen Orte in Urlaubv, die ich zur Auswahl habe“, sagt er und mahnt zur Vorsicht: "Man sollte das Huhn, das einem die Eier legt, nicht zu sehr treten."
Insgesamt plädiert Aurelio Vázquez für eine kluge, nachhaltige Transformation des Tourismus auf den Balearen. Er ist überzeugt, dass nur durch gezielte Investitionen und die Anpassung der Infrastruktur die Balance zwischen Wirtschaftswachstum und Umweltschutz erreicht werden kann – ohne auf Massentourismus zu setzen oder die Preise drastisch zu senken.
4 Kommentare
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Michael DüsseldorfTrotzdem sich das viele Berufsempörer nicht vorstellen können, geht es genug Europäern so gut, dass Sie sich auch in diesem Jahr, und im nächsten, und übernächsten, ... mehr als ein Billighotel und ein Wegbier gönnen. Diese Leute kommen auch weiterhin nach Mallorca, und wenn diese hirnlose Partykultur endlich der Vergangenheit angehört, vermutlich auch noch öfter und zahlreicher. Und wenn die Verwaltung endlich mal ihre Arbeit produktiv und nicht populistisch verrichten würde, dann wären auch die Mallorquiner zufriedener mit dem Tourismus.
„Wenn ich im Fernsehen Anti-Tourismus-Graffiti sehe, dann fahre ich an einen der 250 anderen Orte in Urlaub, die ich zur Auswahl habe“ Das ist doch gut, denn genau die Leute, die das glauben, weil ein paar, naja, ... solche Parolen verbreiten, will man doch auch gar nicht unbedingt auf der Insel haben.
Nachhaltige Transformation = Angebot für vermögendere Touristen ausweiten. Nur, woher nehmen? In Europa steigen die Kosten und sinken die Reallöhne; Russen bleiben aufgrund der Sanktionen aus; für wohlhabende Amerikaner ist Florida näher und es besteht eine Vorliebe für Kreuzfahrten; der Rest der Welt kämpft sowieso vor Ort mit Streitigkeiten und Armut. Also: wer soll da nach der Transformation als vermögende Zielgruppe angesprochen werden?
In einem hat er Recht die Unfähigkeit der Verantwortlichen und darum ändert sich gar nix.