Frage: Wie bewerten Sie die Demonstration vom 21. Juli?
Antwort: Die Demonstration verlief größtenteils respektvoll. Die Regierung ist sich des Unbehagens bewusst, das in bestimmten Gesellschaftsgruppen herrscht. Wir haben einen Beteiligungsprozess initiiert, damit Bürger im Rahmen des Nachhaltigkeitspaktes ihre Vorschläge einbringen können. Das Unbehagen resultiert nicht nur aus der Überfüllung durch Touristenströme, sondern betrifft auch andere Bereiche wie den Wohnungsbau.
Frage: Ist der Mangel an Wohnraum dem Tourismus zuzuschreiben?
Antwort: Der Tourismus ist nicht der alleinige Schuldige, bietet aber Lösungen für viele Probleme. Es ist wichtig, dass der Beteiligungsprozess am Pakt umfassend ist und die Arbeitsgruppen ohne Einmischung arbeiten können. Der Übergang zu einem qualitativ hochwertigeren und begrenzten Tourismus muss im Konsens erfolgen. Glücklicherweise stimmen uns die Hoteliers und Ferienvermieter zu, dass wir eine Grenze erreicht haben. Dies haben sie mehrfach geäußert. Nutzen wir diese Chance und das Bewusstsein der Unternehmerverbände, dass wir am Limit sind.
Frage: Gibt es eine Obergrenze hinsichtlich der Besucherzahlen?
Antwort: Nein. Wir müssen die Zahl der bestehenden Bettenplätze erhalten und das illegale touristische Angebot reduzieren. Der Rückgang sollte durch die Beseitigung illegaler Angebote erfolgen. Die Inselverwaltungen arbeiten bereits intensiv daran.
Frage: Wird das Betten-Moratorium dauerhaft bleiben?
Antwort: Das habe ich so nicht gesagt. Das Moratorium kann auch ohne Wachstum aufgehoben werden, beispielsweise durch den Tausch von Plätzen, wie es in unserem Wahlprogramm vorgesehen ist. Wir werden das Moratorium aufheben, aber den Austausch von Plätzen genehmigen, ohne dass es zu einem Zuwachs kommt. In jedem Fall müssen wir die Schlussfolgerungen des Runden Tisches für den sozialen und politischen Pakt für Nachhaltigkeit abwarten.
Frage: Wir haben uns von 'ein Tourist, ein Freund' zu 'Tourist, geh nach Hause' entwickelt, oder?
Antwort: Ich glaube, dass ein Tourist für uns immer ein Freund ist. 2015 gab es eine bestimmte Zahl von Bettenplätzen,2023 sind es 115.000 mehr. Hätte man am ersten Tag ein Moratorium beschlossen, sähe die Realität heute anders aus.
Frage: Präsidentin Marga Prohens und Sie haben mehrfach betont, dass das Tourismusgesetz geändert werden muss. Wann und in welcher Form?
Antwort: Von Anfang an haben wir unsere Absicht bekundet, das Tourismusgesetz zu ändern. Jetzt müssen wir das Ergebnis des Paktes abwarten und je nach den darin enthaltenen Lösungen das geltende Gesetz anpassen.
Frage: Wird dieser Prozess viel Zeit in Anspruch nehmen?
Antwort: Wir sprechen von dieser Legislaturperiode, jedoch nicht mehr in diesem Jahr. Die Arbeitsgruppen haben gerade erst ihre Arbeit aufgenommen. Ein konkretes Abschlussdatum gibt es nicht, aber ich erwarte, dass die zwölf Arbeitsgruppen bis Ende 2025 ihre Arbeit abgeschlossen haben und das Gesetz geändert wird.
Frage: Ein Konsens scheint schwierig, da es gegensätzliche Interessen gibt.
Antwort: Wenn wir die extremen Positionen, die es in allen Lebensbereichen gibt, beseitigen, wird eine Einigung leichter sein. Die wichtigsten Arbeitgeberverbände sind sich einig, dass wir eine Grenze erreicht haben.
Frage: Das Manifest der Demonstration fordert keine weiteren öffentlichen Investitionen in Infrastrukturen wie Flughäfen, Entsalzungsanlagen und Straßen...
Antwort: Die Infrastrukturen, und ich spreche nicht nur von Straßen, sind nicht im Verhältnis zur Zahl der Touristenorte gewachsen. Nehmen wir die berühmten 115.000 Betten, das sind fast 25 Prozent mehr der Gesamtzahl. Die großen Infrastrukturen wurden von Jaume Matas gebaut, seitdem hat sich nichts verbessert. Mit der Steuer für nachhaltigen Tourismus (ITS) engagieren wir uns für den Wasserkreislauf. Hier gibt es viel zu verbessern.
Frage: Ist die Ferienvermietung an fast allen Problemen schuld?
Antwort: Die Ferienvermietung wird verteufelt, jedoch haben die Hoteliers nie die legalen Ferienvermietungen verantwortlich gemacht, sondern nur die illegalen. Ich bin der Meinung, dass Ferienvermietungen in abgelegenen Gebieten großen Wohlstand geschaffen haben. Das sollte gewürdigt werden. Sie bringt insbesondere Gemeinden ohne Strände wirtschaftliche Vorteile. Ferienvermietung ist eine schützenswerte wirtschaftliche Aktivität.
Frage: Sollte die Zahl der Mietwagen begrenzt werden?
Antwort: Auf Formentera ist die Zahl von Fahrzeugen seit Jahren beschränkt; auf Eivissa gibt es Vorschläge zur Beschränkung, ebenso auf Menorca. Unser Wahlprogramm sieht eine Belastungsstudie für Mallorca vor, um die beste Entscheidung zu treffen. Dies wird sicherlich an den Arbeitstischen des Paktes behandelt.
Frage: Sollte die Ankunft von Kreuzfahrtschiffen verboten oder weiter eingeschränkt werden?
Antwort: Wir sollten uns für nachhaltigere, kleinere Kreuzfahrtschiffe entscheiden, aber das bestehende Abkommen ist wichtig: Sieben Schiffe könnten kommen, drei sind bereits unterwegs. Das Abkommen gilt bis Ende 2027. Eine vollständige Abschaffung von Kreuzfahrtschiffen sehe ich nicht. Der Handel profitiert von Kreuzfahrtpassagieren.
Frage: Sollte man weiterhin an Tourismusmessen teilnehmen?
Antwort: Wir müssen weiterhin an Messen wie ITB, WTM und Fitur teilnehmen, jedoch mit einer neuen Botschaft. Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft müssen betont werden. Wir müssen zeigen, dass die Balearen neben Sonne und Strand auch Kultur, Kulturerbe, Feste und Gastronomie zu bieten haben.
Frage: Ein großes Problem der Tourismusunternehmen ist der Mangel an Arbeitskräften.
Antwort: Wir haben alle Hotelverbände besucht, und ihre Hauptsorge ist der Mangel an Arbeitskräften. Die Conselleria de Turisme muss die Hotel- und Gastronomieschule fördern. Momentan haben wir die Schule in Eivissa integriert und arbeiten daran, auch auf Menorca eine Schule zu gründen, die in der alten Seestation von Ciutadella untergebracht wird. Wir setzen uns für hochwertige Ausbildung im Tourismussektor ein. Früher kamen Arbeitnehmer vom Festland für die Saisonarbeit, heute haben sie große Schwierigkeiten, eine Wohnung zu finden. Viele Hotelunternehmen suchen daher nach Lösungen, um ihren Mitarbeitern eine Unterkunft zu bieten.
5 Kommentare
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Ursula SattlerDa müssen Sie nicht gespannt sein. Sind die Anfänge der Planwirtschaft.
Oliver SchollOliver.. 1+ mit Auszeichnung!
Als Resident bin ich wegen der allgegenwärtigen Hypokrisie (man sagt auch Bigotterie) richtig angefasst. In der Pandemie waren allerorten Fahnen "SOS Turismo" zu sehen - bitte kommt doch zurück, liebe Touristen. Nun sind sie - en masse - wieder da und es ist wieder nicht recht. Wenn dann aber die Tochter einer Familie aus Santanyí ganz vorne auf der Lok bei den Anti-Tourismus-Protesten sitzt, die Familie selbst aber mindestens (!) 3 Ferienvermietungslizenzen ETVs hat und im Sommer richtig Kohle abgreift, bleibt man sprachlos zurück. (Ich nenne hier keine Namen). Das ist aber kein Einzelfall. Die einfachen Touristen sind verhasst, die Reichen dürfen gerne säckeweise Geld da lassen.... Für mich sind die Proteste absolut politisch motiviert und organisiert. Durch die Demos und vor allem die Berichterstattung wird der Eindruck der "übervollen" Insel zudem noch subjektiv verstärkt. Ja, es ist voll. Das ist es, bis auf Covid, immer im Sommer. Aber die überwiegend links gerichteten Organisatoren der Proteste wissen genau, dass bei einem Ausbleiben der Touristen ganz schnell wieder die Lichter ausgehen würden. Und wer sonst für die einfachen Menschen eintritt, dann aber die einfachen Menschen aus dem Ausland nicht zum Urlaub haben möchte, handelt eben - bigott. Auch geht es doch eigentlich um einige Hotspots wie Arenal, Magaluf, einige Märkte wo es in der Tat anstrengend wird. Mit den weiteren brutalen Preissteigerungen, die hierzulande von der Gastronomie gern mitgegangen werden, wird es in absehbarer Zeit ohnehin zu einem Rückgang der Touristenzahlen kommen. Es bleibt der fade Beigeschmack - das Geld ist immer willkommen, die Menschen aber nicht. Traurig.
Na dann bin ich mal gespannt, wie man die Ferienvermietungen, übermäßige Ankunft der Kreuzfahrtschiffen, massenhaften Autovermietungsunternehmen usw. usw. Dies hat doch selbst die Regierung zugestimmt. Wer schießt sich schon selbst ins Bein ?
Die Feststellung, dass, der Tourismus ist nicht der alleinige Schuldige ist, kann man grundsätzlich schon einmal positiv ansehen. Auch die Unterbindung illegaler Ferienvermietungen ist sinnvoll, um so eine Überlastung der Infrastruktur zu verhindern. Allerdings sollten auch andere illegale Angebote reduziert werden, wie zum Beispiel die Möglichkeit eines unbefristen Aufenthaltes und einer kostenlosen Unterbringung, was auch zu einem Wohnungmangel führt. Denn bei allem trägt nur der zahlende Tourist zum Wohlstand im Lande bei. In Hinblick auf viele andere schöne Reiseziele am nördlichen Mittelmeer sollten alle Maßnahmen gewogen und austariert sein, denn wer als zahlender Gast mit Transparenten wie ,,Tourist go home" konfrontiert wird, kommt alsbald so schnell nicht wieder.