Gabriel Le Senne, Mercedes Garrido und Pilar Costa am Dienstag im Balearen-Parlament auf Mallorca. | J. Morey

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Ein handfester Skandal hat sich am Dienstagnachmittag in der Landespolitik auf Mallorca abgespielt. Der Präsident des Balearen-Parlaments, der Rechtspopulist Gabriel Le Senne (Vox), wurde im Plenum handgreiflich, und das ausgerechnet gegen seine eigene Vizepräsidentin, die sozialistische Abgeordnete Mercedes Garrido. Und das kam so:

Der Plenarsaal bereitete sich auf eine hitzige Sitzung vor, da die Debatte über den von Le Sennes Vox-Partei vorgelegten Vorschlag zur Aufhebung des "Gesetzes über die historische Erinnerung" beginnen sollte. Das Gesetz über den Umgang mit der Franco-Zeit und ihren Folgen war 2018 vom damals regierenden Linkspakt verabschiedet worden und bekam seinerzeit sogar die Zustimmung der Konservativen PP.

Heute, sechs Jahre später, ist das Aus des Regelwerks beschlossene Sache. Die Rechtspopulisten, die der Zeit der Diktatur grundsätzlich weniger kritisch gegenüber stehen, hatten sich mit ihrem Vorschlag durchgesetzt und können heute auf die Stimmen der PP zählen. Diese stellt nämlich mittlerweile die Minderheitsregierung und ist auf Vox angewiesen, da die Rechtspopulisten Ministerpräsidentin Marga Prohens ins Amt verholfen hatten.

Das Problem: Für Sozialisten, Grüne und Regionalisten war das Gesetz immer eine Herzensangelegenheit und seine Abschaffung ein "Skandal", weshalb mehrere Abgeordnete, darunter Parlamentsvizepräsidentin Mercedes Garrido und Parlamentsschreiberin Pilar Costa (beide PSOE/Sozialisten) ihre Laptops mit Bildern von Opfern des spanischen Bürgerkriegs beklebt hatten.

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Dies wiederum passte Parlamentspräsident Le Senne überhaupt nicht, sodass er beide Abgeordnete dazu aufforderte, die Fotos abzunehmen, um "die Neutralität des Hauses zu wahren." "Auf welche Vorschrift berufen Sie sich, Herr Präsident?", fragte die Sozialistin Garrido den Vorsitzenden der Kammer. Als dieser darauf keine Antwort parat hatte, entgegnete er: "Frau Garrido, ich rufe Sie zur Ordnung."

Garrido entgegnet, sichtlich angefasst: "Herr Präsident, die Fotos dienen als Mahnung und Erinnerung an Menschen, die vom faschistischen Regime hingerichtet wurden." Daraufhin griff Le Senne unter lautem Protest von den Oppositionsbänken nach Garridos Laptop, klappte ihn zu und riss eines der Bilder ab – und zwar ausgerechnet jenes von Aurora Picornell, einer kommunistischen Frauenrechtlerin, die während des Spanischen Bürgerkriegs erschossen und in einem Massengrab verscharrt worden war und auf Mallorca so etwas wie eine Widerstandsheldin ist. Garrido rief: "Finger weg von meinem Computer, Herr Präsident, das können Sie nicht machen", und verließ den Saal, Costa folgte ihr – der Skandal war perfekt.

Sowohl die Opposition als auch die linke Zentralregierung in Madrid forderten daraufhin umgehend Le Sennes Rücktritt. "Dieser Mann kann keinen Tag länger im Amt bleiben", hieß es aus Reihen der Sozialisten. Die spanische Parlamentspräsidentin Francina Armengol, von 2015 bis 2023 Ministerpräsidentin auf Mallorca und "Mutter" des Gesetzes, dessen Abschaffung nun beschlossen wurde, tauschte ihr Bild in den sozialen Netzwerken gegen ein Foto von Aurora Picornell aus. Tausende Unterstützer linker Parteien im ganzen Land taten es ihr gleich.

In einer vom Parlament herausgegebenen Mitteilung wird das Vorgehen von Garrido und Costa als "eklatanter Verstoß" bezeichnet. Außerdem heißt es, dass der Präsident (Le Senne) versucht habe, das Foto von Aurora Picornell zu entfernen. Es sei aber keinesfalls seine Absicht gewesen, es abzureißen. Der Präsident räumt jedoch ein, dass es angemessener gewesen wäre, die Bediensteten des Plenarsaals mit der Durchführung der Entscheidung zu beauftragen" und ruft dazu auf, "Ruhe zu bewahren und weitere Übertreibungen und unvollständige Darstellungen der Ereignisse zu vermeiden.".