Dies ist die Aufnahme der Überwachungskamera im Hafen von Portocristo. Es zeigt Crewmitglieder beim Wegschaffen von Tüten, obwohl die Yacht zu diesem Zeitpunkt bereits von der Guardia Civil versiegelt worden war. | R.S.

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Der tödliche Yachtunfall vor der Küste von Mallorca, bei dem der 21-jährige Guillem Comamala am 23. August ums Leben kam, war laut einem vorläufigen Untersuchungsbericht der Guardia Civil das Ergebnis „geteilter Verantwortung“ beider beteiligten Skipper. Die exklusive Einsicht der mallorquinischen Nautikfachzeitschrift "Gaceta Náutica" in den Bericht der Mordkommission der Guardia Civil offenbart nun erschreckende Details zu dem Vorfall, der die Tragödie in einem neuen Licht erscheinen lässt.

Der Unfall ereignete sich, als die 20 Meter lange deutsche Motoryacht „La Luna“ in der Nähe von Cala Bona mit dem mallorquinischen Fischerboot kollidierte, in dem Guillem mit seinem Onkel und einem minderjährigen Cousin unterwegs war. Die Ermittler sind zu dem Schluss gekommen, dass sowohl der Skipper der Yacht, der deutsche Staatsbürger Dennis V., als auch der Bootsführer des mallorquinischen Bootes schuldhaft gehandelt haben. Allerdings bleibt die genaue Verteilung der Verantwortung unklar und muss im weiteren Gerichtsverfahren geklärt werden.

Fehlende Sicherheitsvorkehrungen auf dem Fischerboot

Ein entscheidender Punkt im Ermittlungsbericht ist das Fehlen eines Rundumlichts auf dem mallorquinischen Fischerboot, welches laut den Vorschriften in der Dunkelheit zwingend erforderlich gewesen wäre. Die Ermittler stellten fest, dass der Unfall möglicherweise hätte vermieden werden können, wenn das Boot besser beleuchtet gewesen wäre. Obwohl der verstorbene Guillem Comamala versuchte, das herannahende Boot mit einer Taschenlampe zu warnen, war dies nicht ausreichend, um die Motoryacht auf Distanz zu halten. Der Bericht führt aus: „Die Wachsamkeit hätte auf beiden Seiten erhöht sein müssen.“ Das Fehlen des vorgeschriebenen Lichts auf dem mallorquinischen Boot trug wesentlich zur späten Erkennung durch die Yacht bei, deren Geschwindigkeit die Gefahr zusätzlich verschärfte.

Überhöhte Geschwindigkeit und Alkoholkonsum auf der Yacht

Die Untersuchungsergebnisse bestätigen auch, dass die „La Luna“ mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs war. Der Skipper Dennis V. war laut Zeugenaussagen bekannt dafür, mit seiner Yacht häufig rücksichtslos zu fahren. Ein Mitarbeiter des Yachtclubs Porto Cristo beschrieb in seiner Aussage, dass Dennis V. wiederholt „in fahrlässiger Weise und mit überhöhter Geschwindigkeit bei der Ein- und Ausfahrt in den Hafen“ unterwegs gewesen sei. Zusätzlich wird das Verhalten der Crew der „La Luna“ vor dem Unfall kritisch beleuchtet.

Am Tag des Vorfalls lag die Yacht vor Cala Agulla vor Anker, wo die Besatzung laut Zeugenaussagen Alkohol konsumierte. Ein Zeuge berichtete der Guardia Civil, dass er Dennis V. und seine Freunde dabei beobachtete, wie sie Cava und Wodka tranken und „unrücksichtige Manöver“ ausführten. Dabei kam es bereits um 18.19 Uhr zu einem Zwischenfall, bei dem das Beiboot der „La Luna“ mit dem Boot von Kindern eines anderen Seglers kollidierte. Der Zeuge, der diesen Vorfall beobachtete, beschrieb, dass der Skipper auf seine Beschwerde nur vage reagierte und keine Verantwortung übernahm. „Er machte eine seltsame Geste, als ich ihn aufforderte, seinen Freund zur Vorsicht zu ermahnen“, so der Zeuge. Trotz dieser Vorfälle fuhr die Yacht weiterhin mit überhöhter Geschwindigkeit und riskantem Fahrverhalten.

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Yachtcrew betritt Boot trotz Siegelung

Nach dem tödlichen Unfall zeigte sich weiteres Fehlverhalten seitens der Yachtcrew. Trotz der offiziellen Siegelung des Bootes durch die Guardia Civil betrat die Crew die „La Luna“ erneut. Videoaufnahmen des Yachtclubs Porto Cristo dokumentieren, wie die Crew am Tag nach dem Unfall, am Abend des 24. August, mit Gepäck das Boot betrat und es kurze Zeit später wieder verließ. Diese Handlungen fanden statt, obwohl die Tragödie zu diesem Zeitpunkt bereits in den Medien bekannt war und die Ermittlungen liefen.

Flucht nach Deutschland im Privatflugzeug

Dennis V., der Skipper der „La Luna“, verließ Mallorca zwei Tage nach dem Unfall in seinem Privatflugzeug, obwohl er bereits von den laufenden polizeilichen Ermittlungen wusste. Nach Angaben der Gaceta Náutica war er in Begleitung zweier Freunde und stellte den Abflug kurzfristig um mehrere Stunden vor. Erst drei Tage später kehrte er nach Mallorca zurück, um sich den Behörden zu stellen.Bei seiner Rückkehr wurde Dennis V. von der Guardia Civil wegen fahrlässiger Tötung und unterlassener Hilfeleistung angeklagt. Er verweigerte die Aussage und machte von seinem Recht Gebrauch, zu schweigen. Bis zur weiteren Verhandlung bleibt er auf freiem Fuß.

Der Unfallhergang

Der Unfall ereignete sich, als das kleine Fischerboot, in dem Guillem Comamala mit seinem Onkel und seinem minderjährigen Cousin unterwegs war, von der „La Luna“ gerammt wurde. Laut der Zeugenaussage des Onkels bemerkten sie gegen 21.15 Uhr die Yacht, die mit hoher Geschwindigkeit auf sie zusteuerte. Trotz eines verzweifelten Ausweichmanövers konnte der Zusammenstoß nicht verhindert werden. Der 6-PS-Motor des Fischerbootes wurde durch den Aufprall von seiner Heckhalterung gerissen, und Guillem Comamala stürzte ins Wasser, wo er tödliche Kopfverletzungen erlitt. Der Onkel des Opfers schilderte, dass das Boot nur „leicht am Heck“ getroffen worden sei, was jedoch ausreichte, um Guillem ins Wasser zu schleudern. Der jüngere Cousin berichtete, dass er kurz nach der Kollision ein flackerndes Licht unter Wasser sah, vermutlich von der Taschenlampe, die Guillem bei sich hatte. Trotz der sofortigen Suche konnte er nur noch tot geborgen werden.

Widersprüchliche Zeugenaussagen

Besonders brisant sind die unterschiedlichen Darstellungen der Beteiligten zum Ablauf des Unfalls. Während die Crew der „La Luna“ behauptet, den Zusammenstoß nicht bemerkt zu haben, schildern die Überlebenden des Fischerbootes den Vorfall als klaren Unfall mit Fahrerflucht. Der Onkel des Opfers gab in seiner Aussage an, dass er die Yacht „mit Vollgas davonfahren“ sah, unmittelbar nachdem sein Neffe über Bord gegangen war. Ein weiterer belastender Faktor war die Aussage eines Besatzungsmitglieds der Yacht, das angab, dass die Crew den Abend nach dem Unfall in Cala Rajada verbracht habe, wo sie weiter Alkohol konsumierten und feierten, als sei nichts geschehen. Erst am nächsten Morgen erfuhr die Besatzung von dem tödlichen Ausgang des Vorfalls.

Standort und Umfeld des Unfalls

Der genaue Ort des Unfalls lag laut Angaben der Guardia Civil etwa 0,6 Meilen von der Küste entfernt, in einer Region, die bei Freizeitfischern beliebt ist. Die Ermittlungen ergaben, dass an diesem Abend zwischen einem und zwei Dutzend Boote in der Umgebung beim Tintenfischfang waren. Ein Verwandter des Opfers hatte die Koordinaten des Unglücksortes an die Behörden übermittelt. Zeugen kritisierten zudem, dass große Yachten wie die „La Luna“ in diesem Gebiet nichts zu suchen hätten. Der Bruder des Bootsführers sagte in seiner Aussage: „Ich verstehe nicht, warum die Yacht in die Bucht von Cala Bona gefahren ist, und schon gar nicht mit einem so großen Boot.“ Er wies darauf hin, dass in dieser Region häufig Kajaks, Paddelboote und sogar Taucher unterwegs seien.

Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen. Ein Sachverständigengutachten zur Auswertung der Plotterdaten der Yacht liegt noch nicht vor. Diese Daten könnten entscheidend sein, um die genaue Geschwindigkeit und das Fahrverhalten der „La Luna“ zum Zeitpunkt des Unfalls zu klären. Bis dahin bleibt offen, wie die Schuld zwischen den Beteiligten aufgeteilt wird. Für die Familie von Guillem Comamala stellt sich die Frage, ob der Unfall mit angemessener Vorsicht und Sorgfalt hätte verhindert werden können. Die Ermittlungen der Guardia Civil werfen zumindest deutliche Zweifel an der Verantwortung beider Parteien auf – und bringen die Frage nach der Sicherheit auf See erneut in den Fokus der Öffentlichkeit.