Mallorca hat sich Experten zufolge als Ziel für Bootsflüchtlinge aus Nordafrika "etabliert". | R. I.

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In einem offenen, nur wenige Meter langen Boot ohne jegliche Ausrüstung zur Kursbestimmung sowie Rettungsmitteln von der rund 280 Kilometer entfernten Nordküste Afrikas bis auf die Balearen über das offene Meer zu fahren, dürfte für jeden Seefahrer nach totalem Wahnsinn klingen. In diesem Jahr wagten mehr als 2200 Menschen diese Wahnsinnstat. „Mallorca und die Nachbarinseln haben sich als Zielgebiet für Bootsflüchtlinge aus Algerien konsolidiert”, sagt José Ramón Crespí, seit vergangenem Jahr Leiter der regionalen Seenotrettungszentrale mit Sitz in Palma. 2021 lag die Zahl von Immigranten, die auf dem Seeweg versuchten, die Inseln zu erreichen, bei rund 2300 Menschen, nur vier Jahre zuvor waren es gerade einmal 200. Mittlerweile stranden die notdürftig zusammengehaltenen Gefährte an vielen Stränden auf der Insel. Einber Mitteilung der Polizei zufolge wurden erst an diesem Sonntag vier Migranten in einem Flüchtlingsboot an der beliebten Urlauberzone Playa de Palma – bei vielen Deutschen auch als "Ballermann" bekannt – aufgegriffen.

Grund für diese drastische Steigerung ist nach Ansicht von Crespí die im gleichen Zeitraum ebenfalls in die Höhe geschossene Zahl von Schlepperbanden, die ihre „Kunden” gegen Bargeld in nicht hochseetüchtigen Booten, oftmals ohne ausreichende Wasser- und Nahrungsvorräte auf die Reise schickten. Besatzungen solcher rudimentärer Boote, auf Spanisch auch Pateras genannt, gelten nach internationalem Seerecht als Schiffbrüchige. Kapitäne von Frachtern oder Fähren, aber auch Freizeitskipper, die auf solche Boote stoßen, stehen in der Pflicht, Hilfe zu leisten. Doch wie sieht die aus?

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Der erste und wichtigste Schritt für Freizeitskipper bei einer Seenotrettung ist, sich sofort mit der nächsten Küstenwache in Verbindung zu setzen. "Über den internationalen UKW-Kanal 16 muss die Coast Guard angefunkt und die aktuellen Koordinaten durchgegeben werden. Anschließend sollte ein kurzer, aber präziser Bericht über die Lage vor Ort erfolgen. Die Crew wird anschließend in der Regel aufgefordert, bis zum Eintreffen der Rettungskräfte am Notfallort zu bleiben", erklärt Crespí.

Aber: Die Aufnahme von Schiffbrüchigen an Bord von privaten Segel- oder Motoryachten sollte man wirklich nur im absoluten Ernstfall in Erwägung ziehen, also erst dann, wenn sich Menschen bereits im Wasser befinden oder das Boot der Schiffbrüchigen droht, unterzugehen. „Eine Rettungsaktion auf dem offenen Meer birgt auch für Helfer große Gefahren. Am besten ist es, so lange wie möglich auf das Eintreffen der professionellen Rettungskräfte zu warten und die Schiffbrüchigen bis dahin zu beobachten und zu beruhigen“, sagt der Leiter der Seenotrettungszentrale. Bereits eine zu große Annäherung könne dazu führen, dass die Schiffbrüchigen in Panik aufstehen und dabei das Boot zum Kentern bringen.

In diesem Jahr habe die Zahl der Sichtungen von Bootsflüchtlingen durch Freizeit- oder Charteryachten gegenüber den Vorjahren zugenommen. „Die große Mehrheit der Pateras in balearischen Gewässern wird aber durch terrestrische Radaranlagen, Patrouillenboote der Guardia Civil sowie die spanische Luftüberwachung im westlichen Mittelmeer aufgespürt”, erklärt Crespí. Die regionale Seenot-rettung auf Mallorca verfügt für Rettungseinsätze auf See über zwei 20 Meter lange Schnellboote in Puerto Portals und Portocolom. Dazu kommt ein weiteres, das auf Ibiza stationiert ist. „Alle Boote sind innerhalb von rund 15 Minuten nach Eingang eines Notrufs auslaufbereit”, sagt Crespí. Ist die Bergung von Schiffbrüchigen auf dem Wasser aus meteorologischen Gründen schwer oder gar nicht möglich, kann die Einsatzzentrale auch auf Rettungshubschrauber der spanischen Marine zurückgreifen.