Es ist ein fürwahr ungewöhnliches Szenario, mit dem Mallorca dieser Tage zu tun hat: Die beiden einzigen Stauseen Gorg Blau und Cúber sind wegen der vielen Niederschläge so wohlgefüllt, dass der zuständige öffentliche Betrieb Emaya in diesem Jahr bereits zweimal Wasser in die Sturzbäche in den Schluchten Sa Fosca und Pareis ablassen musste. Wanderer wurden aufgefordert, sich den reißenden Fluten nicht zu nähern. War die Versorgung aus den Seen im November wegen Wasserknappheit noch gestoppt worden, so stammt das, was nunmehr aus den Hähnen sprudelt, teilweise wieder von dort. In Palma handelt es sich jedenfalls nach weiteren Emaya-Angaben um immerhin 31 Prozent.
Es ist halt so, dass die ersten drei Monate des Jahres ungewöhnlich regenreich auf Mallorca waren: Seit dem 1. Januar fielen auf den Balearen nach Angaben des staatlichen spanischen Wetterdienstes Aemet sage und schreibe 259 Liter Regen pro Quadratmeter. Das ist bereits knapp die Hälfte von dem, was in einem ganzen Jahr niedergeht.
Doch im Sommer darbt Mallorca bekanntlich unter der sengenden Sonne. Und weil das so ist, gibt die Tatsache, dass man - wie die Tageszeitung „Ultima Hora” jüngst berichtete - mit den offiziellen Brunnenlizenzen theoretisch total legal das gesamte Grundwasser fördern kann, Anlass zur Sorge. Mit den etwa 60.000 Brunnen, die es auf den Balearen gibt, könnte man eine Menge, die viermal so groß wie die in den beiden Stauseen ist, hochbefördern.
Theoretisch. Miquel Grimalt, Chef des neuen Wasserbeobachtungszentrums an der Balearen-Universität, sieht das allerdings nicht so dramatisch: „Die Möglichkeit, Grundwasser zu fördern, und die Praxis sind zwei völlig verschiedene Dinge”, so der Geograph zu MM. Zwar seien die Wasserreserven einem großen Druck ausgesetzt, doch wenn alle verantwortungsvoll damit umgehen, werde Mallorca nicht irgendwann auf dem Trockenen sitzen. Von einer zu geringen Süßwassermenge könne auf der Insel nicht gesprochen werden. Im Übrigen prognostizierten sämtliche Erderwärmungsprognosen keinen Rückgang der Niederschläge auf den Inseln. „Außerdem hat Mallorca den Vorteil, dass das Grundwasser dank der unterirdischen Kalkstruktur viel länger haltbar ist als woanders”, so Miquel Grimalt weiter.
Ganz so unverkrampft sieht Margalida Ramis, Sprecherin der Umweltschutzgruppe GOB, die Angelegenheit nicht: „Das Problem auf Mallorca ist nicht so sehr die Menge, sondern die Qualität des Süßwassers”, so die erfahrene Umwelt-Aktivistin. „In das Grundwasser dringen vielerorts große Mengen Nitrate und Pestizide ein.” Deswegen mache es durchaus Sinn, wie bereits geschehen, ab und zu die Entsalzungsanlagen anzuwerfen, um die unterirdischen Reserven „ruhen” und sich erholen zu lassen. Zumal es in der Vergangenheit örtlich knüppeldick kam: „In der Umgebung von Campos und vom heutigen Flughafen wurde das Grundwasser früher durch Bauern extrem überstrapaziert”, weiß Miquel Grimalt. „Dann dauert es eine ganze Generation, bis das nachgerückte Salzwasser wieder weg ist.”
Laut Margalida Ramis sind zudem uneffizient funktionierende Kläranlagen ein großes Problem auf Mallorca. „Manche sind so schlecht, dass das Trinkwasser in Gemeinden wie Sa Pobla, Campos oder Santanyí nicht dieselbe gute Qualität hat wie etwa in Palma.” In den drei erstgenannten Orten tue man gut daran, nicht aus dem Hahn zu trinken. Alte Installationen müssten dringend restauriert werden und neue selbstredend hinzukommen, so Margalida Ramis.
Sowohl Miquel Grimalt als auch die GOB-Sprecherin sehen denn auch nicht etwa die Golfplätze als das Hauptproblem an der Wasserfront. Zwar verbraucht jede der derzeit 24 Anlagen auf Mallorca so viel wie ein 8000-Einwohner-Dorf, doch für die Bewässerung reicht sauberes Kläranlagen-Nass aus, was es durchaus auf der Insel gibt. In der Wasser-Angelegenheit kommen den Experten zufolge viele Probleme zusammen: neben den Golfplätzen auch immer mehr Swimming-Pools, die Überstrapazierung des Grundwassers durch die Landwirtschaft, illegale Brunnen und durch Urlauber sowie undichte Wasserleitungen mit einem Verlust von bis zu 60 Prozent. Nicht nur die Touristen oder die Golfplatzbetreiber oder die Fincabesitzer, sondern „die Gesellschaft als Ganzes” sei für das Wasser-Management verantwortlich, so Miquel Grimalt und Margalida Ramis.
(aus MM 16/2018)
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