Antoni Alcal Bota, Freund der Deutschen Heike Rosenau, stellt mit ihr und deren Freundin ledergeflochtene Handwerksprodukte her. | Patricia Lozano

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Beim Betreten der Werkstatt riecht es angenehm nach altem Leder. Heike Rosenau breitet gerade eine geflochtene Matte aus eben diesem Material aus, die in einer Rolle zusammengebunden war. Ein Sonnenstrahl lässt in seinem Licht das detaillierte, verwobene Muster besser erkennen.

"Wir haben in diesen Regalen einen regelrechten Schatz liegen", sagt Heike Rosenau, als sie auf die Lagerfächer im Hintergrund zeigt. Darin sind zahlreiche Rollen verschiedener Lederflechtwerke enthalten. Reste eines traditionellen mallorquinischen Handwerks, das heutzutage, im Zeitalter von Maschinen und Ländern mit günstigeren Fabrikationsmöglichkeiten, auf der Insel keine Anwendung mehr findet. Die Handarbeit lohnt sich einfach nicht mehr. "Noch bis in die 1980er Jahre wurde diese Arbeit von mallorquinischen Frauen ausgeführt", erklärt Rosenau. "2013 habe ich einen Mann kennengelernt, der die Matten auf der Insel in Auftrag gab und das Ergebnis zu einem Schuhmacher nach Inca brachte. Dort wurde das Flechtwerk zu Schuhen, wie zum Beispiel Espadrilles, verarbeitet", so die Essenerin.

Lederflechtkunst

Sie beginnt zu erzählen, wie ihr Interesse an dem Thema geweckt wurde. "Auf dem Markt in Sineu auf Mallorca stand Tomeu Mas mit seiner Frau und versuchte, die übrig gebliebenen Matten seines früheren Geschäftes unter die Leute zu bringen. Als studierte Textilingenieurin mit Fachgebiet 'Leder' war ich fasziniert von der Sache und ließ mir mehr erzählen", so Rosenau.

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Sie erfuhr, dass Mas damals verschiedenen für ihn arbeitenden Frauen die Lederstreifen nach Hause brachte. Auf Rahmen fertigten sie die Flechtwerke in gewünschter Farbe und Muster an. Bezahlt wurden sie pro Matte. "Natürlich wollte ich das auch lernen! Aber Mas schwieg und verriet nichts. Also kaufte ich bei meinen jährlichen Inselbesuchen seine bereits geflochtenen 'Rohlinge' und begann in Deutschland, damit zu experimentieren." Ob Taschen, Lampenschirme, Handyhüllen, Rosenau versuchte sich an allem und brachte Mas ihre Muster sogar vorbei, um ihm ihr wahres Interesse an der Kunst zu zeigen. Andere Mallorquiner, die das Handwerk beherrschten, gab es nur noch wenige. Aber Mas ließ sich nicht erweichen. "Ich konnte nicht fassen, dass dem Handwerk keiner mehr nachging und diese Tradition am Aussterben war. Mas' Vorräte, von denen er nach eigener Aussage 'ganze Häuser voll' hatte, wollte er mir auch nicht verkaufen." Dennoch ließ die 65-Jährige nicht locker, kreierte weiterhin Gegenstände, kaufte sogar eine Ledernähmaschine. Mithilfe ihres Gärtners Antoni Alcal Bota, lernte sie Stadtarchivare, Studenten und andere Personen kennen, die ihr bei der Recherche halfen.

Als 2021 Mas im Alter von 
91 Jahren starb, konnte Rosenau schließlich den verbliebenen Geschäftsstand von Mas' Enkel aufkaufen. In einer großen Vorhalle in Alcal Botas Familienhaus in Pollença wurde eine Werkstatt eingerichtet. Rosenaus beste Freundin Barbara Erley half beim Aussortieren, der Aufarbeitung der Materialien. "Heute arbeitet sie zudem beim Erstellen von möglichen Flechtmustern mit", sagt die Textilingenieurin. "Im Fundus war sogar die Maschine, die die Lederstreifen erstellte. Früher konnten die Tierhäute nur im Format von 40 mal 60 oder 60 mal 80 Zentimetern verarbeitet werden. Je nachdem, wie groß ein Tier war, konnte seine Haut nur längs oder quer geschnitten werden. Die Maschine ermöglichte es erstmals, durch einen Kreisschnitt endlos lange Streifen zu fabrizieren", erklärt Rosenau.

"Wir haben nur noch die Reste, Streifen oder Matten von Tomeu Mas, die wir upcyceln. Aus den Stücken stellen wir auf Bestellung Waren wie Tablet-Hüllen, Taschen oder Ähnliches her." Die Begrenzung des Materials sei aber nicht die einzige Schwierigkeit, die es beim Neuanfang des Geschäftes zu überwinden gäbe. Die Beschaffung des Werkzeuges, wie es damals genutzt wurde, sei unmöglich. Selbst Werkzeughersteller könnten die Exemplare nur ungefähr nachahmen, weil die Materialien dafür nicht mehr zu beschaffen seien.

"Außerdem suchen wir händeringend Einwohner, die mit der Technik vertraut sind und uns in die Geheimnisse einweisen können", so Rosenau mit Nachdruck. "Aber uns läuft die Zeit davon", fällt ihr Alcal Bota ins Wort, der ebenso helfen möchte, die Tradition wiederzubeleben. "Viele Insulaner erzählen uns, dass sich die Frauen der Familie mit dieser Tätigkeit immer etwas dazuverdient haben und sie ihnen als Kinder oft dabei zuschauen konnten. Manchmal halfen sie ein wenig, aber tiefgehende Kenntnisse sind kaum vorhanden", seufzt Alcal Bota. "Die jüngsten Zeitzeugen, die uns mehr zum Thema erzählen könnten, sind ungefähr 
70 Jahre und es gibt nur noch wenige", fügt er hinzu. Ab Juni bietet das Trio Workshops an, in denen Interessierte an speziellen Holzrahmen mit Lederflechten beginnen können. "Wir werden nicht aufgeben und versuchen, das Kunsthandwerk wieder auf den Markt zu bringen", sagt Rosenau bestimmt.