
Globale Unsicherheit, lokaler Boom
Judit Montoriol, Chefvolkswirtin von CaixaBank Research, zeichnete ein klares Bild: „Trotz geopolitischer Spannungen erwarten wir für 2024 ein robustes Wachstum und sinkende Inflation.“ Während Europa mit wirtschaftlichen Unsicherheiten ringt, floriert der spanische Immobilienmarkt weiter. Montoriol prognostiziert, dass „die Zinsen zwar hoch bleiben, aber in diesem Jahr zwei bis drei Senkungen anstehen, was den Markt zusätzlich beleben dürfte“.
Mallorca verzeichnete nach dem pandemiebedingten Einbruch einen drastischen Preisanstieg. „Nach der Boomphase und der Korrektur 2023/2024 liegen die Verkäufe nun 22 Prozent über dem vorherigen Niveau“, so Montoriol. Die Nachfrage übersteigt das Angebot – mit gravierenden Folgen für die Inselbewohner. Einheimische Familien und junge Menschen haben immer größere Schwierigkeiten, bezahlbaren Wohnraum zu finden, während hochpreisige Immobilien verstärkt an ausländische Investoren gehen.
Investoren auf Einkaufstour
Carlos Bardavío, Leiter des Bereichs Real Estate bei KPMG Spanien, bestätigte: „Investmentfonds, Socimis und Family Offices setzen verstärkt auf den Hotelsektor – sei es durch Neubauten oder Umnutzung.“ Der Markt für Ferienwohnungen werde zunehmend reguliert, wodurch Hotels an Attraktivität gewinnen.

Auch im Büro- und Einzelhandelssektor zeichnet sich Wandel ab. „Nach dem Homeoffice-Boom steigt die Nachfrage nach flexiblen Bürokonzepten. Gleichzeitig dominieren Luxusmarken die Einkaufsstraßen. Wo früher zehn Marken präsent waren, sind es heute unzählige“, so Bardavío. Währenddessen verwaisen Geschäftsflächen in Wohnvierteln, da kleine Einzelhändler mit den steigenden Mieten nicht mehr mithalten können. Einen neuen Trend sieht er in Labor- und Biotechnologiezentren, die auf der Insel zunehmend an Bedeutung gewinnen.
Zwischen Wohnungsnot und neuen Projekten
Die Preisexplosion sorgt für Unmut – vor allem bei der einheimischen Bevölkerung. Palmas Wohnungsstadtrat José Luis Mateo forderte mehr Anstrengungen für bezahlbaren Wohnraum: „Das ist ein Problem, das uns alle betrifft.“ Besonders betroffen seien Geringverdiener und junge Berufstätige, die oft auf illegale oder prekäre Wohnverhältnisse ausweichen müssen. Daniel Arenas, Präsident des Immobilienverbands ABINI, sieht eine veränderte Käuferstruktur: „Immer mehr ausländische Käufer melden ihre Kinder an internationalen Schulen an und arbeiten remote. Sie wollen hier leben, nicht nur urlauben.“
Auch Daniel Caballero von der CaixaBank beobachtet neue Trends: „An der Costa del Sol, in Alicante oder auf Mallorca kaufen zunehmend osteuropäische Investoren. Besonders wohlhabende Polen investieren in hochpreisige Objekte.“
Sandra Verger, Direktorin des Bauunternehmerverbands der Balearen, fordert mehr Bauland: „Seit 20 Jahren wurden kaum neue Siedlungen geschaffen.“ Das umstrittene Dekret zur Schaffung von 20.000 Wohnungen sei entscheidend für die Zukunft, so Arenas: „Wir brauchen dringend mehr Angebot.“ Kritiker warnen jedoch vor einer unkontrollierten Bauwelle, die die Insel weiter zubetonieren könnte, ohne wirklich günstigen Wohnraum zu schaffen.

Palmas Bürgermeister: Hoteliers sollen mitbauen
Auch Palmas Bürgermeister Jaime Martínez brachte eine klare Botschaft mit: „Viele Hoteliers sollten Wohnungsbauunternehmen sein.“ Angesichts des akuten Personalmangels müsse die Branche mit Wohnraum für ihre Angestellten zur Lösung beitragen. „Wir werden an der Playa de Palma einen Aktionsplan starten, um Wohnungsbau stärker in den Markt zu integrieren.“
Martínez sieht zudem die Regierung in der Pflicht: „Wir müssen Sozialwohnungen freigeben und Verfahren beschleunigen. Der Plan zur Schaffung von 20.000 Wohnungen kann nur mit parlamentarischer Unterstützung umgesetzt werden.“ Kritisch sieht er die langwierigen Genehmigungsprozesse: „In Palma dauern Bauanträge bis zu zwei Jahre. Das ist nicht tragbar.“
Die steigenden Mieten und Kaufpreise führen bereits dazu, dass immer mehr Arbeitskräfte die Insel verlassen. Vor allem in Tourismusberufen und im Baugewerbe wird das Personal knapp. Wenn sich diese Entwicklung fortsetzt, könnte das langfristige wirtschaftliche Auswirkungen haben.

Landeschefin Marga Prohens: „Wir können es uns nicht leisten, eine Generation im Stich zu lassen“
Den Schlusspunkt des Forums setzte die balearische Ministerpräsidentin Marga Prohens. Sie erinnerte an die dramatische Preisentwicklung in der Immobilienbranche: „Zwischen 2015 und 2023 sind die Mieten um 85 Prozent gestiegen, die Kaufpreise um 90 Prozent.“ Die Folgen seien gravierend: „Junge Menschen können sich kein eigenständiges Leben aufbauen, Familien geben mehr als ein Gehalt für Miete aus. Wohnwagen und inoffizielle Siedlungen nehmen zu.“
Die Regierung setze auf gezielte Maßnahmen, um gegenzusteuern, doch Prohens warnt: „Wohnraum ist längst kein soziales, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem. Lösungen brauchen Zeit, doch wir müssen jetzt handeln.“
Ein weiteres Problem, das Experten auf dem Forum ansprachen, ist die zunehmende Abhängigkeit Mallorcas von ausländischem Kapital. Investoren sichern sich nicht nur Luxusimmobilien, sondern auch große Landflächen, was langfristig die lokale Wirtschaft und die sozialen Strukturen beeinflussen könnte.
Der Immobilienboom auf Mallorca setzt sich ungebremst fort. Die Kehrseite: steigende Preise und zunehmende Verdrängung der ansässigen Bevölkerung. Die Politik steht vor der Herausforderung, Investitionen und soziale Balance in Einklang zu bringen – eine Aufgabe, die mit jedem weiteren Preisanstieg schwieriger wird. Während sich Investoren über attraktive Renditen freuen, kämpfen viele Mallorquiner um ihre Heimat.
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