Im Retro-Look: 200.000 Kilometer mit dem Elektroauto über Mallorca
Wolfgang Lindner hat mit seinem auf Mallorca gebauten vollelektrischen Loryc-Speedster in weniger als acht Jahren über 200.000 Kilometer zurückgelegt. Was ihm dabei alles widerfahren ist, verriet er MM
Hätten Sie’s gewusst? Wolfgang Lindner ist vermutlich der meistfotografierte Autofahrer Mallorcas. Wo immer er mit seinem Loryc Speedster auftaucht, hält die Inselwelt den Atem an. Fußgänger bleiben wie angewurzelt stehen, Touristen zücken synchron ihre Smartphones, und so manche Foto-Session auf dem Zebrastreifen hat ihn schon zur unfreiwilligen Pause gezwungen. „Einmal hat mir eine ganze Reisegruppe den Weg versperrt, um mich und das Auto aus allen Winkeln abzulichten,“ schmunzelt Lindner. Es ist weniger Lindner selbst, der da für Aufsehen sorgt, sondern sein auffälliger Gefährte: Ein Elektro-Oldtimer im Gewand der 1920er Jahre, der auf Mallorca seltene Kreise zieht.
Der „Loryc Speedster“, das ist kein gewöhnliches Auto – eher eine Zeitmaschine mit Steckdosenanschluss. In den 1920er Jahren wurde der erste Loryc von einer mallorquinischen Autoschmiede gebaut, die jedoch schnell wieder in Vergessenheit geriet. Erst 2013 hörte Charly Bosch, ein Erfinder mit Herz für Oldtimer, von der historischen Marke. Er kaufte die Namensrechte und tat sich mit Lindner zusammen, um die Legende in die Gegenwart zu holen. Das Ziel: Die Fahrzeuge nach alter Schule in Handarbeit nachzubauen, aber mit einem elektrischen Herzschlag – und das in einer Zeit, als ein Tesla oder ein BMW i3 auf Mallorca noch exotische Erscheinungen waren.
„Als wir 2014 starteten, wurden wir belächelt. So ein Elektroauto im 20er-Jahre-Look? Da war der Gedanke, ein Retro-Auto auf der Insel elektrisch zu betreiben, für viele absurd,“ erinnert sich Lindner. Doch nun, fast acht Jahre später, sind Spott und Skepsis längst verflogen. Lindner und sein Loryc haben inzwischen die beachtliche Marke von 200.000 Kilometern geknackt – davon ganze 199.000 Kilometer auf mallorquinischem Asphalt. „Das entspricht ungefähr 580 Inselumrundungen,“ sagt Lindner mit einem Augenzwinkern.
„Ich fahre täglich, ob Sonne, Regen oder, ja, sogar Schnee!“ erzählt er und verweist auf ein Abenteuer in der Serra de Tramuntana. „Einmal kam ich in einen kleinen Schneesturm. Man glaubt ja nicht, dass das auf Mallorca passiert, aber da stand ich – mit meinem offenen Retro-Flitzer im mallorquinischen Winterwonderland.“ Dass das Auto dabei weder ins Rutschen geriet noch streikte, beeindruckt ihn bis heute.
Auch die Technik des Loryc hat ihn noch nie im Stich gelassen. „Bremsklötze? Halten ewig, dank der Rekuperation. Schnickschnack wie Parksensoren gibt’s nicht, alles ist mechanisch und herrlich unkompliziert.“ Das Auto liegt „wie ein Brett“ auf der Straße, und selbst beim gelegentlichen Bergrennen zeigt der Loryc, was in ihm steckt. Die 120 km/h, die er maximal erreicht, genügen ihm völlig: „Hier geht’s ja um Stil, nicht um Tempo.“
Einer der witzigsten Momente war eine Begegnung mit der Guardia Civil. „Der Beamte sah den Loryc an und bat mich, sich das Auto einmal näher ansehen zu dürfen. Er war begeistert, setzte sich sogar hinter das Steuer.“ Dieser Respekt von einem Inselbewohner ist für Lindner das größte Lob, denn schließlich ist der Loryc ein Stück mallorquinischer Automobilgeschichte, zurück auf der Straße.
Und dann wären da noch die praktischen Vorteile. Während moderne Elektroautos oft an den Ladestationen um Strom ringen, hat Lindner längst seine Routine: „Ich fahre zum Einkaufen immer in einen deutschen Supermarkt. Die haben Ladestationen, und in den 20 Minuten, die ich für den Einkauf brauche, lädt mein Auto kostenlos auf.“ Und sollte mal keine Ladestation in Sicht sein? „Kein Problem. Über Nacht lade ich ihn einfach in der Garage.“
Die Loryc-Bauer wollten nie Massenautos herstellen; ihre Vision war stets die kleine, feine Serie. Nach neun handgefertigten Modellen ist nun Schluss. Lindner und Bosch wollen keine weiteren Autos bauen, sondern lieber die Früchte ihrer Arbeit genießen.
Dass seine Ausfahrten zum fast täglichen Fotomotiv geworden sind, stört ihn überhaupt nicht. „Ich freue mich über das Interesse. Es ist schön, wenn gerade die Mallorquiner sich über das Auto freuen – schließlich ist es ein Teil ihrer Geschichte.“
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