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Weihnachten, das heiligste Fest der Deutschen, war jenen Deutschen, die in den 1930er Jahren auf Mallorca lebten, nicht minder heilig. Bedauerlicherweise ist kein ausführlicher Bericht aufzutreiben gewesen, der Auskunft darüber gibt, wie von den deutschen Residenten in jener Zeit der Heilige Abend in Palma begangen wurde.

Zumindest lassen sich hie und da Indizien finden, die erahnen lassen, wie die mallorquinische Variante des "deutschesten aller Feste" auf die Auswanderer und Exilierten gewirkt haben mag. In seinem über 900 Seiten starken Roman "Die Insel des Zweiten Gesichts" widmet Albert Vigoleis Thelen, der von 1931 bis 1936 auf Mallorca lebte, einige wenige Zeilen der Weihnachtszeit, wie er sie in Palma erlebte. Damals gönnten sich die Einheimischen zu den Feiertagen - viele von ihnen vermutlich höchstens einmal im Jahr - einen Truthahn, der, wie heute noch mit Spanferkeln üblich, wegen seiner Größe bei den Bäckereien in den Ofen geschoben wird. "Die deutsche Gans wird hier durch den Truthahn ersetzt, er fehlt fast auf keiner Weihnachtstafel", klärte die deutschen Wochenzeitung "Die Insel" ihre Leser auf.

Die gefiederten Gesellen veränderten in jenen Tagen nicht nur das Bild auf den Märkten, sondern in der Stadt schlechthin. Vigoleis Thelen beschreibt im Roman:

Der "Pavo" ist, ich habe es erwähnt, die heilige Festgans des spanischen Volkes. An einer Schnur am Bein auf dem Balkon angebunden, werden die unaufhörlich bellenden Hähne an der freien Luft gemästet. Man muss nur einmal die Adventszeit in einer spanischen Altstadt verbracht haben, angekullert aus allen Etagen, auf deren einander berührenden Erkern sich die Pavos gegenseitig aufbringen, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, um das stierkampfgekrönte Fest der Auferstehung dem Wunder der Geburt des Erlösers vorzuziehen. Denn ehe der Schruthahn beim Bäcker mit eingeschossen wird, hat man sich selbst so maßlos an den Biestern geärgert, dass einem die Freude am Schmaus vergangen ist.

Der Antifaschist Thelen war in seinem häufig ironisierenden Sprachstil nicht gerade ein Paradebeispiel, wenn es um traditionelle Besinnlichkeit und deutsche Weihnacht ging. Aber dass das Fest von großer Bedeutung für die deutsche Gemeinschaft war, belegen andere Hinweise. Eine Anzeige in der Zeitung "Die Insel" kündete bereits Mitte November 1932 die Weihnachtsfeier der deutschen Schule in der deutschen Pension Hiller in El Terreno an. Eine Woche später wurde die Verlegung der geplanten Feier in das nahe Kulturzentrum Círculo Bellver angekündigt, da dort noch größere Räumlichkeiten vorhanden seien. Das Blatt berichtete:

Der deutsche Schulverein wird am 21. Dezember nachmittags, 4.45 Uhr, sein erstes Weihnachtsfest feiern. Geplant sind Aufführungen der Schulkinder, ein großer Weihnachtsbaum, Weihnachtstombola, Musikvorführungen und dergleichen. (…) Zur Deckung der Unkosten wird ein Eintrittsgeld von voraussichtlich 1 Peseta erhoben werden. (…) Es wäre sehr erwünscht, wenn sich die ganze deutsche Kolonie zu einem richtigen deutschen Weihnachtsfeste zusammenfinden würde.

Tatsächlich kamen bei dem Fest mit seinen 300 Teilnehmern gleich zwei Weihnachtsbäume zum Einsatz, wie die "Insel" seinerzeit notierte. Woher die Bäume stammten, bleibt unklar. Waren es Kiefern aus den Inselwäldern? Oder Tannenimporte aus den Pyrenäen? Oder gar aus Deutschland per Schiff? Der Abend wurde zumindest durch "einige hübsch gewählte Musikvorträge, Geige und Klavier" eingeleitet, später lockte die Weihnachtstombola mit über 100 gestifteten Preisen, so dass "ein deutscher Herr plötzlich Besitzer eines Weihnachts-Truthahns" war. Doch letztlich sei die Veranstaltung ein Fest für die deutschen Kinder, "die hier leben und ihr Weihnachten nicht entbehren sollen". Aus diesem Grund war der Höhepunkt des Festes vorgezeichnet:

Zum Schluss erschien der Weihnachtsmann persönlich, um allen Kindern ein Geschenk zu überreichen. Allerdings vorher mussten sie ein Gedichtchen oder Verschen vortragen, damit sie sich ihr Geschenk auch verdienten.

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Eine Tradition, die während des Spanischen Bürgerkrieges aufrecht-erhalten wurde, auch wenn viele Deutsche die Insel bereits verlassen hatten. Eine Liste für den "Weihnachtsmann" von 1938 zählt ein Dutzend deutscher Kinder bis zwölf Jahren auf.

Gottesdienste standen ebenfalls auf dem Programm, doch auf das Erscheinen eines echten Pfarrers mussten die Gemeindemitglieder ein wenig zuwarten. Denn auf der Insel gab es einen solchen Würdenträger nicht. Der amtliche deutsche Pfarrer war bei der evangelischen Muttergemeinde in Barcelona angestellt, wo er die Gottesdienste zelebrierte. Zur Dienstreise nach Mallorca kam Pfarrer Olbricht erst am 8. Januar 1933. In Ermangelung einer eigenen Kirche wurde der Gottesdienst in den Räumen des früheren deutschen Konsulats, Rambla 82, in Palma gefeiert.

Mit der Machtübernahme Hitlers drei Wochen später zeigte sich im Jahresverlauf der Niederschlag der NS-Politik in Deutschland auch auf der Insel. So waren in der Adventszeit 1934 erstmals die Appelle der Deutschen Winterhilfe zu vernehmen, jener Propaganda-Organisation zum Sammeln von Spenden über das Konsulat in Palma:

Deutsche, helft alle einmütig mit bei dem großen Werk! Denkt an das Ziel: im kommenden Winter soll kein Deutscher hungern oder frieren!

Die deutsche Schule, die mittlerweile den Eigentümer gewechselt und nun von einem Schulverein sowie dem zum NSDAP-Mitglied gewordenen Konsul gemanagt wurde, nutzte den Weihnachtstermin für ein neues Fest mit bewährten Vorführungen der Schüler, einem Klaviervortrag (Largo von Händel) und den beliebten Gewinnspielen. Die Wochenzeitung "Herold" schrieb:

Mit wieviel Liebe die Damen der deutschen Kolonie am Werk waren, sah man an der reichbeschickten und geschmackvoll aufgebauten Tombola.

Mit dem Näherrücken des Festes legten sich auch die Gastronomen ins Zeug: Die beiden deutschen Cocktailmixer Billy und Charley warben in Anzeigen im "Herold" für die "Deutsche Weihnacht!" in ihrer Bar Morisco am Borne und versprachen: "Tannenbaum, Krippe, Weihnachtsmann, Geschenke, Überraschungen". Die Feier begann an Heiligabend, Sonntag, 24. Dezember, abends um 9 Uhr und war vermutlich der absolute Treffpunkt für Inseldeutsche, die zwar offenbar ohne Kinder und Familie lebten, aber dennoch stimmungsvoll mit Gleichgesinnten zusammenkommen wollten.

Die Diskrepanz, auf Mallorca deutsche Weihnachten feiern zu wollen, war den Zeitgenossen damals durchaus bewusst. Ein Dilemma, das mit der Hinwendung zur Tradition gelöst wurde. So schrieb ein Dr. E. bereits zur Adventszeit 1932 in der "Insel":

Mag mancher hier unter dem südlichen Himmel, in südlicher Landschaft, die weihnachtliche Stimmung vermissen, mag der äußere Rahmen der Heimat auch fehlen, der innere Wert des Festes kann dadurch nicht beeinträchtigt werden, er lebt in uns überall, er heißt uns Deutsche den Weihnachtsbaum anzünden, auch wo wir unter Palmen wohnen.