Vermutlich wird er an so etwas kaum denken. Jaume Matas me hat derzeit andere Probleme. Ein neuer Gerichtstermin steht an. Ihm drohen wegen des Verdachts der illegalen Parteienfinanzierung weitere fünf Jahre Haft.
20 Jahre ist es her, da hatte Jaume Matas, damals balearischer Ministerpräsident, ganz andere Sorgen. Mallorca - so registrierte das damalige Volksempfinden - stand vor dem Ausverkauf an Deutsche. Die Gegner des Verscherbelns der Scholle organisierten Kampagnen, Fachtagungen, Podiumsdiskussionen. Und Matas, der gewiefte Politiker im Erspüren von Strömungen, schaltete sich ein. Er suchte das Gespräch mit Bonn und forderte ein Treffen mit Bundesaußenminister Klaus Kinkel. Vermittelt wurde das Treffen vom deutschen Generalkonsulat in Barcelona. Doch Kinkel hatte keine Zeit und verwies auf die Nummer zwei in seinem Auswärtigen Amt, Staatsminister Helmut Schäfer, mit dem Matas dann in Berlin am Rande der Tourismus-Messe zusammentraf.
Auf diesem Berliner Gipfel kam der Ausverkauf Mallorcas an die Deutschen zur Sprache. Ein Kommuniqué aus der balearischen Präsidialkanzlei stellte hinterher fest: "Ministerpräsident Jaume Matas brachte die Offenheit Mallorcas allen Europäern gegenüber zum Ausdruck. Es gebe keine Fremdenfeindlichkeit und auch keine Überlegungen, Deutsche vom Kauf von Häusern oder Grundstücken auszuschließen." Gleichzeitig machte Matas aber auch deutlich, die Neuankömmlinge aus der Bundesrepublik haben ihrerseits "die Verpflichtung, die Werte, die Kultur und die Umwelt Mallorcas zu respektieren".
So viel Wortgebimmel um Selbstverständlichkeiten?! Was war eigentlich los, damals vor 20 Jahren? Führt man sich die Zeitungsberichte von MM im Winter 1997 vor Augen, dann war die Angst der Mallorquiner seinerzeit groß, ihre Insel an die kaufkraftstarken "Alemanes" zu verlieren. Aber auch deutscherseits hatte man wenig Rücksicht auf die Befindlichkeiten der alteingesessenen Insulaner genommen. Der Beginn der Irritation lässt sich ziemlich genau datieren: Im Sommerloch von 1993 schreckte eine Schlagzeile der "Bild"-Zeitung die trügerische Ruhe nach dem Fall des Eisernen Vorhangs in Europa auf. "Der verrückteste Vorschlag aus Bonn: Mallorca soll deutsch werden", titelte das Blatt und verbreitete einen Scherz politischer Hinterbänkler aus der CSU.
Doch auf Mallorca und in Spanien war die Empörung groß. Man bewertete den "Vorschlag" als ernst gemeint. Das Reizthema war zudem unterfüttert mit anderen, zeitgleichen Entwicklungen: Viele Bundesbürger entdeckten damals ihr Herz für die Insel, die sie in den Jahren zuvor als Urlauber kennengelernt hatten, und verwirklichten sich ihre Träume vom Süden mit dem Kauf von Fincas in ruralen Gegenden des Eilands. Der sogenannte Deutschen-Boom auf Mallorca war ein Novum. Er machte viele reich und andere wiederum reicherte er mit Ängsten vor einer Überfremdung an.
So manches Medium nutzte dieses diffuse Unbehagen für sich. Im Sommer 1994 fuhr eine spanische Tageszeitung eine Kampagne, die den angeblichen Ausverkauf der Insel thematisierte. Ein einseitiges Vorhaben, das offenbar potente Anzeigenkunden im Immobilienbereich verärgerte. Und prompt brach die Artikelserie zum Jahresende abrupt ab.
Offenbar herrschte dann 1995 und 1996 weitgehend Ruhe. Erst Anfang 1997 brach sich das Unbehagen eine neue Bahn. Diesmal waren es örtliche Linkspolitiker, insbesondere im Nordosten der Insel, die mit der Thematik für Aufsehen sorgten. In Artà startete Bürgermeister Montserat Santandreu eine Initiative, mit der er an seine Landsleute appellierte, ihre Landgüter nicht zu verkaufen, sondern lediglich zu vermieten. Auf diese Weise sollte ein Ausverkauf an Fremde verhindert werden. Die Beweggründe der Initiative waren wie folgt formuliert: "Jede Gesellschaft, die die Kontrolle über ihr Territorium verliert, ist dazu verurteilt, ihre Identität zu verlieren. Ein Volk, das sein väterliches Erbe weggibt, ist ein Volk ohne Zukunft. Das Land bildet gemeinsam mit der Sprache, den Bräuchen und den Traditionen die entscheidenden Aspekte für das kulturelle Profil einer jeden Gesellschaft."
Santandreu hatte, wie er damals zitiert wurde, nichts gegen den Verkauf von Wohnungen in Küstenorten an Ausländer. Ihn verunsicherte jedoch die Abgabe von Landgütern mit viel Grundbesitz. Damals befand sich nach seinen Schätzungen ein Viertel der ländlichen Grundstücke im Besitz von Ausländern aus der Europäischen Union.
Gleiche Töne waren aus Capdepera zu hören. Der damalige Sprecher der Linkspartei PSM, Felip Esteve, warnte vor einem illegalen touristischen Markt, denn viele der neuen Finca-Besitzer würden ihre Landgüter an Urlauber vermieten und öffentliche Landwege absperren. Er sah die Gefahr einer Zersiedelung des Binnenlandes.
Doch selbst damals stellten solche Ansichten nur eine der vielen Facetten der balearischen Lokalpolitik dar. So wurde häufig angemerkt, dass die Deutschen zwar eifrig kaufen, aber dass es vor allem die mallorquinischen Landbesitzer waren, die ihre Güter v-e-r-k-a-u-f-t-e-n. Und es gab Bürgermeister, wie etwa Josep Roig in Porreres, die sich sogar für die Veräußerung von verfallenen Landgütern an Deutsche stark machten. Denn die neuen Inhaber vergaben viele Aufträge an die heimischen Handwerker wie Glaser, Maurer, Elektriker, Gärtner. Roig sagte seinerzeit: "Die Deutschen sind Bürger, die ihren Besitz sehr gut pflegen. Sie kaufen alte Häuser auf dem Land, Häuser, die fast einbrechen oder in schlechter Lage stehen, und restaurieren sie ganz stilecht mallorquín."
Befragt zu damals, stellt der Ex-Politiker Felip Esteve aus Capdepera klar, dass er 1997 nichts gegen Deutsche hatte und heute auch nicht. Die Kaufkraft der Mark sei damals jedoch gegenüber der Peseta so stark gewesen, dass einheimische Kaufinteressenten am Immobilienmarkt chancenlos waren. Heute habe sich der Immobilienmarkt stabilisiert, die Welt sei eine andere, die Deutschen als ausländische Residenten von den Marokkanern auf Platz zwei verdrängt. Es habe zudem Lernprozesse gegeben: Die Liebe der Deutschen zur Ländlichkeit der Insel habe junge Mallorquiner beeinflusst und sie zu einer Hinwendung zum Landleben und zur Landwirtschaft animiert. Die Deutschen erlernten von den Mallorquinern mediterranes Leben. "Es gibt ausländische Finca-Besitzer, die produzieren bestes Olivenöl."
(aus MM 6/2017)
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