Auf diesem Ölbild aus dem Jahr 1647 ist der frühere Verlauf von Sa Riera gut zu erkennen: Er floss über die Rambla unweit der Kathedrale ins Meer. | Foto: Archiv Ultima Hora

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Wenn es auf Mallorca regnet, ist alles anders. Dann fließt Wasser in den Torrentes, dann werden unterirdische Quellen wie die von Ses Font Ufanes bei Campanet aktiviert. Der größte der Sturzbäche ist der Kanal Sa Riera, der den Paseo de Mallorca in zwei Hälften schneidet. Er ist nicht etwa ein gemauertes Flussbett, wie man es vom Tiber kennt, von der Seine oder der Themse. Der Kanal Sa Riera ist das Ende eines Wildwasserlaufs: Palma liegt an der Mündung eines Torrents.

Der Torrent, dessen Wasser von der Südflanke des Galatzó kommt, erreicht die Stadt auf der Höhe des Friedhofs, wendet sich bei der psychiatrischen Klinik nach Norden, schlägt kurz darauf wieder einen sanften Bogen nach Westen, um ins gemauerte Kanalbett einzubiegen. Seine Länge von der Quelle bis zur Mündung: 17 Kilometer.

So ganz genau ist die Quelle nicht auszumachen: Sie wandert mit der Regenmenge, die über dem Galatzó fällt, strömt mal hier, mal dort aus, versiegt und spendet aufs Neue Nass. Auf dem Gemeindegebiet von Puigpunyent fließen die Wasser des Salt de Sa Forteza zu Tal und verstärken den Wildwasserfluss vom Galatzó, der sich jetzt mühelos längs der Straße Puigpunyent-Palma seinen Weg sucht. Auf dem Weg münden noch mehrere kleinere Torrentes in Sa Riera.

Gerade diese Zuflüsse führten im Oktober 2007 zu kurzen, aber heftigen Überschwemmungen, bei denen eine dänische Touristin ertrank; sie konnte die Straße nicht mehr erkennen, verließ ihr Auto und wurde von den Wassermassen mitgerissen.

Bis zum 17. Jahrhundert war es den eigenwilligen Wassern selbst überlassen, ob sie nun vom Friedhofsknick an durch den Carrer Jesús und dann über die Rambla und den Paseo del Borne meerwärts flossen oder ob sie auf anderen Umwegen Unheil anrichteten. Sa Riera erreichte damals das Meer über die heutige Avinguda Antonio Maura und mündete unterhalb des Almudaina-Palastes, der eh mit seinen Grundmauern im Wasser stand. Zu arabischen Zeiten verließen ihn die hier regierenden Herren per Boot.

Niemand kann sich heute angesichts des meist trockenen, nur bei Regenfällen wie in den vergangenen Wochen gut gefüllten Kanals vorstellen, dass vor Jahrhunderten hier Brücken notwendig gewesen sein sollen, dass Überschwemmungen heillosen Schaden anrichteten, dass Menschen zu Tode kamen.

Der Erste, der die Regulierung des wütenden Torrent anordnete, war König Jaume II.: Er entschied im Jahr 1303 per Dekret, Sa Riera habe innerhalb des Stadtgebietes nichts zu suchen.

Seine Baumeister gaben sich redliche Mühe, doch sie bekamen den Torrent nicht in den Griff. Sa Riera floss weiter auf seinem gewohnten Weg. Kurios: Palma lag an einem Fluss, noch dazu an einem gefährlichen, dessen Wassermenge unberechenbar war. Sie hing vom Regen ab.

So kam es im Oktober 1403 zu einer Überschwemmung, der mehr als 5000 Einwohner von Palma zum Opfer fielen. Sie ertranken. Wassermassen rissen erneut im Jahr 1444 die beiden damaligen Holzbrücken mit sich.

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Bei den Renovierungsarbeiten am Gran Hotel, dem jetzigen Kulturzentrum La Caixa, wurden menschliche Knochen gefunden, die nach Meinung von Experten möglicherweise 600 Jahre alt waren. Die Skelett-Reste lagerten in einem alten Wasserreservoir unterhalb des Gebäudes. Man glaubt, dass sie von Opfern der Überschwemmungskatastrophe stammen.

1613 wurde der Lauf des Torrent umgeleitet. Man schuf mehrere Abflüsse, in der Hoffnung, dass sich das Regenwasser nicht immer den gleichen Weg zum Meer suchen werde. Mit wenig Erfolg: 1620, 1635, 1734 und 1850 kam es wieder zu schweren Überschwemmungen. In jenem Jahr begann man mit dem Bau des Kanals. Das wirkte sich segensreich für die Bewohner von Palma aus, aber auch trennend. Denn von nun an war die Stadt zweigeteilt. Es gab die Ober- und die Unterstadt. Beide Stadtteile wurden durch Brücken miteinander verbunden.

Der Kanal veränderte das Stadtbild auch insofern, als dass ein Durchbruch durch die zu jener Zeit noch intakten Stadtmauern geschaffen wurde. Später folgten weitere Durchbrüche und man baute breite Straßen, die heute für Palma charakteristisch sind.

Die ",Brücke von Andratx", jenes Brückchen, das am unteren Ende über Sa Riera führt, dort, wo der Kanal ins Meer mündet, galt einst als Wahrzeichen der Stadt.

In unserer Zeit war Sa Riera immer mal wieder im Gespräch. Es gab mehrere Projekte. Die meisten wurden wieder verworfen. Auch den Plan, den Kanal mit einem Parkhaus zu überdachen. Inzwischen ist das Parkhaus unter dem Paseo de Mallorca entstanden.

Und Sa Riera wurde begrünt. 1993 wurden zwischen Es Fortí und der Plaça Hornabeque bis fast nach Sa Faixina rund 1000 Büsche und Bäume gepflanzt. Die Initiative dazu gab Pere Serra, Herausgeber mehrerer Inselzeitungen, darunter MM. Er wollte ein Zeichen setzen, um auch seine Mitbürger dazuzubringen, ihre Stadt mehr zu pflegen.

Vor wenigen Wochen erst wurde eine Gedenktafel an der Brücke Jaime III. angebracht, die an die Begrünung des Bachbettes erinnert. Sie würdigt ausdrücklich den deutschstämmigen Gartenbau-Ingenieur Ulrich Werthwein, der damals die Bäume und Pflanzen anlegte.

In Zeiten großer Trockenheit klagen viele Mallorquiner aber auch immer wieder darüber, dass alles Wasser aus Sa Riera ungenutzt ins Meer fließt.

(aus MM 51/2013)