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Die beiden ersten Komponisten des gestrigen Konzerts im Trui Teatre waren Ungarn. Zoltán Kodály schöpfte, wie sein Kollege Bela Bartók, aus der Folklore seines Landes; im Falle seiner „Tänze aus Galanta“ war es die Musik der Sinti und Roma, die ihn inspirierte. Das Konzert für Tuba und Orchester von Roland Szenpáli ist dagegen weniger von volkstümlichen Elementen durchzogen, dafür leistet es etwas Seltenes: es präsentiert ein eher als träge geltendes Instrument (auch in Benjamin Brittens „Young Person’s Guide to the Orchestra darf die Tuba in Variation XII nur gemächlich gebrochene Dreiklänge intonieren) mit quirliger Beweglichkeit und Eloquenz. Tobias Isern, Solotubist des OSIB, gelang diese Demonstration mit großer Spielfreude und technisch makellos. Im zweiten Teil des Abends führte die spanische Dirigentin Beatriz Frenández vor, dass auch eine frühe Dvorak-Sinfonie (Nr.4 von 1874), die immer im Schatten der Nummern 6-9 steht, durch ihren melodischen Einfallsreichtum und die Farbigkeit ihrer Instrumentation das Publikum begeistern kann.

Dreimal musste die Dirigentin ansetzen, dreimal hob sie die Hände (sie dirigierte ohne Taktstock), aber das Gepiepe diverser Handys wollte einfach nicht aufhören. Da tat sie das einzig Richtige, sie wandte sich ans Publikum und sprach ein Machtwort. Worauf, wenigstens für einige Zeit, Ruhe war und sie sich ihrer eigentlichen Aufgabe zuwenden konnte: einen Notentext in ein packendes Klangereignis zu verwandeln. Die Mittdreißigerin tat das mit Elan und Charisma. Die „Tänze aus Galanta“ sind ein Stück, das nur zögernd in Fahrt kommt. Nach einem (allerdings raffiniert instrumentierten) wenig tänzerischen Beginn steigert sich der rhythmische Sog und erreicht gegen Ende jenem Drive, den man von Tänzen erwartet. Der ist dann, ähnlich wie in Ravels „Boléro“, durchschlagend wirkungsvoll. – Das Tubakonzert von Roland Szenpáli beginnt mit einem Paukensolo, bevor der Solist seine und des Instruments virtuose Qualitäten ins rechte Licht rücken darf. Die Pauken bleiben auch im weiteren Verlauf der Haupt-Dialogpartner der Tuba, die in allen Registern ihre Möglichkeiten vorführt, von weicher Quirligkeit bis zu röhrenden Bassakzenten. Das vorwärts drängende rhythmische Ostinato der Streicher erinnert ein wenig an Strawinskys „Sacre du Printemps“. Insgesamt geraten die drei Sätze zu einer Tour de force, nicht nur für den Solisten. Der bedankte sich für den Beifall, der sich – etwas untypisch für ein klassisches Konzert – in Pfeifen und Johlen entlud, mit einer Zugabe. Zusammen mit Xylophon und anderen Schlaginstrumenten führte er vor, dass sein Instrument auch Jazz-kompatibel ist.

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Dass Dvoraks Vierte bereits alles enthält, was die Tonsprache des Böhmen ausmacht, habe ich bereits in meiner Einführung erwähnt. Vom ersten bis zum letzten Takt beweist er, dass er nicht nur – als vermutlich einziger Komponist in der Musikgeschichte – ein Schwein fachgerecht zu zerlegen imstande war (er hatte eine Metzgerlehre absolviert), sondern frische, packende Musik für sein Publikum schreiben konnte. Keine Blut-und-Tränen-Sinfonik wie Tschaikowsky, keine weihevollen Andachten wie Bruckner, keine Weltschmerz-Eruptionen wie Mahler, sondern Musik, die den Hörer mit ihrem grenzenlosen Erfindungsreichtum und ihrer strahlenden Farbigkeit umarmt, gespickt mit originellen Ideen (zum Beispiel dem Einsatz von Becken und großer Trommel ausgerechnet im Trio des Scherzos!). Beatriz Fernández setzte denn auch vor allem auf die Leuchtkraft der Partitur.

Dabei kam ihr die fabelhafte Akustik des Trui Teatre entgegen. Die im Vergleich etwa zum Teatre Principal breite Bühne ermöglichte Tranzparenz und einen Stereoeffekt, der die Musik plastisch und greifbar werden ließ. Die Bläser leisteten dabei Großes, der Individualapplaus war mehr als verdient. Das Publikum signalisierte, dass es diese Dirigentin gerne einmal wieder hier in Palma erleben möchte. Diesem Wunsch schließt sich der Rezensent an. Die vereinzelten Buhrufe waren vermutlich die Rache einiger Chaoten dafür, dass Fernández ihnen ihr Handyvergnügen genommen hatte. Musikalisch jedenfalls gab es nicht den geringsten Anlass für Missfallenskundgebungen. – Das nächste Konzert findet wieder im Trui Teatre statt, und zwar am 19.Oktober (Wiederholung am 20.10. in Manacor). Pablo Mielgo kehrt aus der Sommerpause zurück und dirigiert Werke von Maurice Ravel und Manuel de Falla. Karten für Palma gibt’s hier. Die Karten für Manacor können Sie hier erwerben.