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Hier das in meiner Werkeinführung gestern angekündigte Interview mit Kit Armstrong. Ich habe ihn bei der Probe in der Sonoteque getroffen, wo dem Mozartklavierkonzert der „letzte Schliff“ verpasst wurde, vor allem, was das Zusammenspiel von Pianist und Orchester betrifft. Anschließend nahm sich der Künstler Zeit für das folgende Gespräch. In perfektem Deutsch übrigens.

Martin H. Müller: Herr Armstrong, schön. Dass Sie sich Zeit nehmen, um mir ein paar Fragen zu beantworten. Ich bin immer wieder beeindruckt, was für großartige Künstler auf unserer kleinen Insel gastieren.

Kit Armstrong: Es ist einfach schön hier. Vielleicht deswegen…

MHM: Können Sie auch noch ein bisschen sowas wie Urlaub hier an Ihren Auftritt anhängen?

KA: Ja, mir bleibt noch genügend Zeit. Morgen, vor dem Konzert, werde ich mir Palma ansehen und ein paar Museen besichtigen. Eigentlich haben wir Künstler ja bei unseren Tourneen immer so etwas wie Urlaub…

MHM: Kommen wir gleich zur Sache. Sie haben sich für Ihr Konzert Mozarts letztes Klavierkonzert ausgesucht. Sie hätten ja beispielsweise auch das „Krönungskonzert“ KV537 nehmen können, da stecken viel mehr Möglichkeiten für den Virtuosen drin… Warum also KV595?

KA: Oh, es schien mir einfach zur Insel zu passen. Der erste Satz fängt ja nicht gleich mit dem Thema an. Da ist zunächst dieses Pulsieren in den Bässen. Das erinnert mich ungemein an die Wellen des Meeres.

MHM: Nun ist das ja das letzte Klavierkonzert Mozarts. Letzte Werke sind immer etwas von Mythen umrankt. Würden Sie sagen, es ist Mozarts „Schwanengesang“?

KA: Nein. Als nicht gläubiger Mensch kann ich mit solchen mystischen Geschichten nichts anfangen. Ich glaube nicht an Vorausbestimmungen, kein Mensch weiß, wann er sterben wird; auch Mozart wusste das nicht. Vielleicht hätte er noch mehrere Konzerte geschrieben.

MHM: Aber er war in einer Phase des Niedergangs, zumindest finanziell und gesundheitlich. Für die Hörer ist das Wissen um die Lebensumstände, unter denen ein Werk entstand, wichtig. Es beeinflusst ihre Rezeption. Wie ist das bei einem reproduzierenden Künstler?

KA: Natürlich ist auch für uns, für mich, der biografische Hintergrund wichtig.

MHM: - Ein englischer Philosoph hat einmal gesagt, wenn die Engel für Gott spielen, spielten sie Bach. Wenn sie unter sich seien, Mozart.

KA: Ein hübsches Bonmot…

MHM: Ja. Es hebt auf die Unnahbarkeit Bachs, seine Erhabenheit ab und stellt dem die Menschlichkeit bei Mozart gegenüber.

KA: Das ist richtig, Mozarts Musik ist zutiefst menschlich, das macht sie ja so faszinierend. Er konnte zu allen Facetten des Menschseins mit seinen musikalischen Mitteln Wesentliches aussagen.

MHM: Über Vivaldi konnte Strawinsky noch spotten, er habe 500 mal das gleiche Konzert geschrieben. Bei Mozart ist jedes ein unverwechselbares Individuum…

KA: …auch Bruckner hat neun mal die gleiche Sinfonie geschrieben. Sorry, das soll nicht negativ klingen. Aber bei Mozart haben Sie natürlich Recht, seine Konzerte sind Unikate.

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MHM: Andere Frage: haben Sie einen Lieblingskomponisten? Diese Frage wurde Ihnen sicher schon oft gestellt…

KA: …und ich habe sie genauso oft – und verschieden – beantwortet. Aber ich komme immer wieder auf eine dieser Antworten zurück. Mein Lieblingskomponist bin ich selbst.

MHM: Ein anderes Zitat: „Musik ist stets besser als sie gespielt wird“…

KA: …das ist von Arthur Schnabel...

MHM: Sie haben es in einem Ihrer Videos auf YouTube erwähnt und haben weiter gesagt, Ihnen reichen die Noten, Musik als abstraktes Konstrukt also, und es sei eigentlich gar nicht Sinn der Sache, sie zum Klingen zu bringen. – Aus dem Mund eines ausübenden Künstlers hat mich das aufhorchen lassen. Sie, wie alle professionellen Musiker, hören die Musik, wenn Sie die Noten lesen. Ein großer Teil des Publikums verfügt nicht über diese Fähigkeit und braucht einen „Übersetzer“ der Noten, einen Pianisten wie Sie, der das zum Klingen bringt, was schwarz auf weiß gedruckt in der Partitur steht.

KA: Das stimmt. Das ist mein Beruf.

MHM: Ist bei so einer Übersetzung nicht immer auch ein gehöriges Stück Manipulation dabei?

KA: Auf jeden Fall. Ich drücke beim Spielen das aus, zu dem mich, ganz persönlich, die Noten inspirieren. Und ich gebe dabei meine Emotionen ans Publikum weiter.

MHM: Dazu sind Sie auf den Flügel angewiesen, den Ihnen der Veranstalter auf die Bühne stellt. Sie kommen gerade aus der Probe. Sind Sie mit dem Instrument zufrieden?

KA: Bei der Probe spielt der Klang noch keine Rolle. Der könnte sich in der trockenen Akustik des Probenraumes auch gar nicht entfalten. Das kommt erst

morgen, im Konzert.

MHM: Dann freuen Sie sich schon mal auf das Trui Teatre, das hat meiner Meinung nach die beste Akustik von den drei Spielstätten in Palma. -

Ihr bedeutendster Lehrer war Alfred Brendel. Was haben Sie von ihm gelernt?

KA: In erster Linie, dass Klavierspielen tatsächlich ein Beruf sein kann, der einen ausfüllt.

MHM: Haben Sie deshalb die Mathematik, die Sie ja auch studiert haben, aufgegeben?

KA: Ich habe die Mathematik nie aufgegeben. Ich werde immer Wissenschaftler bleiben.

MHM: Wir jedenfalls freuen uns, dass wir Sie morgen als Pianist erleben dürfen. Ich wünsche Ihnen alles Gute für das Konzert morgen und natürlich auch für die Wiederholung in Manacor am Freitag. Herzlichen Dank für das Gespräch. Ich werde morgen Abend dabei sein.

KA: Dann bis morgen Abend!