Bei der Fantasie von Vaughan Williams reichten fünf Minuten, um Greensleves als Ohrwurm in den Gehörgängen des Publikums einzunisten; geschmeidig instrumentiert, mit warmen, einschmeichelnden Streichern, sorgte gleich das erste Stück des Abends für weihnachtliches Wohlgefühl. Nach diesem door opener wurde es dann mit der Weltpremiere von Valents Concert de Tramuntana für Gitarre und großes Orchester zeitgenössisch – ohne den Schockeffekt, den Musik der Gegenwart bisweilen auslöst.
Man kann zeitgenössische Komponisten grob in zwei Gruppen unterteilen: die einen schreiben am Publikum vorbei, indem sie hartnäckig im Geiste der Donaueschinger Musiktage und anderer Intellektuellentreffs weiter experimentieren. (Siehe meine Kritik „Donaueschingen lässt grüßen“ vom 8.April dieses Jahres). Die anderen haben sich wieder darauf besonnen, dass Musik von der Kommunikation mit den Zuhörern lebt. Zu dieser Gruppe gehört zweifellos der 1964 in Algaida geborene Joan Valent. Sein Gitarrenkonzert bewegt sich im Bereich des traditionell Kommunizierbaren, ohne auf ausgetretenen Pfaden in der Gefangenschaft des ewig Gestrigen zu verharren. Wie in früheren Werken ist auch im Concert de Tramuntana der Einfluss minimalistisch komponierender Vorgänger wie Steve Reich oder Philipp Glass zu erkennen, wobei das manische Wiederholen kleinteiliger Motive aber nicht zum Dogma erhoben wird. Das Prinzip des Konzertierens im ursprünglichen klassischen Sinn wird stellenweise gebrochen: rhapsodische Gitarrensoli stehen blockhaft reinen Orchesterpassagen gegenüber. Hier wird die Vorliebe des Komponisten für Kontrastwirkungen deutlich: in den schnellen Ecksätzen Danzón und Toccare kadenziert der Solist in elegischer Langsamkeit, während das Gitarrensolo im Mittelatz Adagio forsch auftrumpft. Delikat wirkt die Kommunikation des Zupfinstruments Gitarre mit den pizzicato spielenden Streichern im ersten Satz. Ebenso die oft als Kommunikationspartner des Solisten auftretenden Schlaginstrumente Holzblock und Klangstäbe. Überhaupt wird das Schlagwerk – unter anderem große Trommel und Becken – als dezent verwendetes „Gewürz“ eingesetzt. Valents Erfahrung als Filmkomponist verleiht dem Werk eine gewisse tonmalerische Plastizität. – Der Applaus war herzlich, wenngleich Bravorufe erst nach der eingängig-virtuosen Zugabe (mit der Aguirre dem Komponisten ein wenig die Show stahl) zu hören waren.
Nach der Pause wurde es mit Rimski-Korsakows (1844-1908) Suite aus seiner Oper „Nit de Nadal“ wieder weihnachtlich. Der russische Komponist war ein genialer Klang-Arrangeur, seine Instrumentation ist bisweilen sogar farbiger als die seines Zeitgenossen Tschaikowsky, dessen „Nussknacker-Suite“ ja auch zu Weihnachten gehört wie Christbaumkugeln und Leipziger Stollen. Die Sinfoniker waren in ihrem Element – das Publikum quittierte die Aufführung mit stürmischem Beifall. Mielgo, dem der Applaus natürlich auch galt, bedankte sich mit einer launigen kleinen Ansprache, in der er auch die jungen Musikerinnen und Musiker der „Petita Simfonica“ in den Vordergrund stellte, die zum Teil erstmalig in einem Konzert vor großem Publikum mitspielten. Dem Dank in Worten folgte noch ein musikalisches Dankeschön: als Zugabe spielte das Orchester Leroy Andersons Weihnachtssuite „Christmas Festival“.
Seinen nächsten Auftritt hat das OSIB beim Neujahrskonzert im Kongresspalast. Joji Hattori wird dann ein fröhliches Programm mit Werken von Rossini, Mozart, Chabrier, Strauß, Lehar und Kálmán dirigieren. Die Sopranistin Rebecca Nelsen wird für den vokalen Glanz sorgen. Karten gibt’s hier.
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