Als im März 2011 der damalige deutsche Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg von seinem Amt zurücktrat, weil die Kritik an ihm wegen der „Plagiatsaffäre“ nicht nachlassen wollte, da war das Erstaunen in Spanien groß: Ein Politiker räumt freiwillig seinen Posten? Und all das wegen ein paar Fußnoten in einer Doktorarbeit? Großes Unverständnis. „Die spinnen, die Deutschen“, mag sich so mancher spanische Politiker gedacht haben.
Tatsächlich kann man ja durchaus geteilter Meinung sein über die Treibjagd, die deutsche Medien veranstalten, sobald auch nur der Schatten eines Verdachts auf einen der gewählten Volksvertreter fällt. Es gibt aber auch ein anderes Extrem – und das ist in diesen Tagen wieder einmal in Spanien zu beobachten.
Der ehemalige Schatzmeister der konservativen PP hat in diesen Tagen vor dem Richter ausgepackt (Seite 14) und mehrere der ranghöchsten Politiker des Landes schwer belastet, unter anderem Regierungschef Mariano Rajoy. Der Vorwurf: Jahrzehntelang soll im Gegenzug gegen Gefälligkeiten Schmiergeld an die Partei geflossen sein. Die Details sind so haarsträubend, dass es einem geradezu übel werden kann bei der Vorstellung, wie die Korruption nach und nach das politische System dieses Landes aushöhlt.
Denn ein Einzelfall ist das ja nicht. In den vergangenen Jahren gab es allein auf Mallorca Dutzende Korruptionsskandale. Auch hier klammern sich die Lokalpolitiker mit solcher Beharrlichkeit an ihre Posten, dass es an Peinlichkeit oft kaum noch zu überbieten ist.
Die Ansprüche an die persönliche Integrität von Politikern sind hierzulande niedrig, sehr niedrig. Regierungschef Rajoy hält es noch nicht einmal für nötig, zu den Vorwürfen öffentlich Stellung zu beziehen. Aber auch die Bürger dieses Landes tragen eine Mitschuld. Denn ein Aufschrei geht in diesen Tagen nicht durchs Land. Man scheint sich mit den herrschenden Verhältnissen abgefunden zu haben. Ein Armutszeugnis für die politische Kultur in diesem Land.
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