An der kleinen Anlegestelle in der Bucht Es Lladó wartet ein Aufseher. Sonst ist offenbar niemand auf Dragonera - eine Schatzinsel eben. Die Hauptbewohner sind gut genährte Eidechsen, die über den Boden huschen. Hinter dem Anlegesteg liegt ein Info-Häuschen, daneben ein botanischer Garten und dahinter starten die Wanderrouten. Vier Wege sind ausgeschildert. Die längste Tour führt zum alten Leuchtturm auf dem Berg Na Pòpia, der höchsten Erhebung der Insel. 350 Höhenmeter gilt es zu erklimmen.
Der 4,8 Kilometer lange Weg läuft sich angenehm. Es gibt keine großen Steigungen, dafür aber jede Menge Serpentinen, denn er wurde als Zufahrtsweg zum Transport von Lasten gebaut. Erst verläuft der Weg durch brachliegende Felder, um sich dann den Berg hochzuwinden. Die Luft scheint etwas kühler zu sein und wunderbar rein. Die Fülle an Pflanzen und Blumen überwältigt: Zwischen wilden Olivenbäumen und Sanddorn duften gelbe Veilchen, wilder Rosmarin und Heidekraut. Üppig blüht gelber Balearen-Hufeisenklee, daneben die kräftig orange-gelbe Balearen-Strohblume, die Fuchsia-farbene Orchidee Barreret und die violette Skabiosa.
Die Erde sei hier nicht fruchtbarer als auf Mallorca, aber es gebe keine pflanzenfressenden Tiere wie Ratten, Kaninchen oder Mäuse, erklärt der Parkdirektor Martí Mayol. "Seit wir sie entfernt haben, hat sich die Fauna erstaunlich erholt." Nur zwei Geräusche durchbrechen die Stille: das Rascheln der allgegenwärtigen Eidechsen in den Büschen und die Rufe der zahlreichen Möwen, die mal im Gleitflug, mal mit übermütigen Luftspielen gekonnt die Aufwinde nutzen.
Nach einer guten halben Stunde ist der Aussichtspunkt Mirador Coll Roig erreicht. Von hier geht der Blick zum ersten Mal auf die steile Nordwestküste von Dragonera. In den Felsen wächst reichlich Palmito, die Zwergpalme, mit deren Zweigen traditionell Besen und Körbe hergestellt wurden. Zurückblickend sieht man weit über die zerklüftete Westküste Mallorcas bis Na Foradada. Plötzlich drehen zwei Eleonorenfalken Pirouetten in der Luft. "Sie sind gerade erst aus Madagaskar zurückgekehrt, wo sie den Winter verbracht haben", erklärt Martí Ma-yol. Auf ihrem langen Flug haben die Falken die Saharawüste überquert. 70 bis 90 Pärchen nisten auf Dragonera. Es ist die größte Nistpopulation im westlichen Mittelmeer. Heute klappt es nicht, aber normalerweise könne man auch Fischadler, Kormorane und Wanderfalken beobachten, meint Mayol.
Nach anderthalb Stunden sind die Serpentinen endlich geschafft und der Gipfel von Na Pòpia ist erreicht. Fast senkrecht fallen die Felsen auf der Nordwestseite ins Meer. Ein rauer Wind weht. Der Leuchtturm ist eine Ruine, aber die Aussicht weit über die Tramuntana entschädigt dafür. Nach Osten sieht man bis Cap Blanc und Cabrera. Heute sind im Süden sogar Ibiza und Formentera zu erkennen.
Bevor der Leuchtturm 1850 gebaut wurde, stand hier ein Wachturm. Er wurde im 16. Jahrhundert errichtet, als die Piratenangriffe auf Mallorca zunahmen. Berühmte Piraten und Freibeuter machten auf Dragonera halt, der Grieche Barbarossa zum Beispiel. Als die Gefahr durch Piraten nachließ, wurde der Wachturm abgerissen und durch den Leuchtturm ersetzt. Er ist der älteste Mallorcas, aber richtig funktioniert hat er nie. Nebel verschlang seine Signale häufig. So wurde er nach nur 60 Jahren geschlossen und durch Leuchttürme an beiden Enden der Insel ersetzt.
Der Rückweg auf derselben Strecke ist nicht mehr so einsam wie der Hinweg. Auch andere Ausflügler zieht es auf Na Pòpia. Nach insgesamt knapp drei Stunden Fußmarsch ist Es Lladó wieder erreicht. Im Info-Häuschen steht viel über die Fauna, Flora und die Geschichte Dragoneras, die bereits in der Steinzeit beginnt. Heute steht Dragonera vor allem für eines: den Beginn der Umweltbewegung auf den Balearen. In den 1970er Jahren wollte hier ein Unternehmer eine Hotelanlage und einen Yachthafen errichten. Tausende gingen in Palma auf die Straße und protestierten. Mit Erfolg. 1987 kaufte der Inselrat die Insel. 1995 wurde sie zum Naturpark erklärt.
Von der Anlegestelle winkt schon der Kapitän der Margarita: "Vamos!" Der Motor geht an, die Schiffssirene tönt, los geht's. Es ist auch ganz schön, wieder zu sitzen und sich fahren zu lassen und dabei aus der Entfernung zu sehen, was man geschafft hat.
AUF EINEN BLICK
Länge: 9,7 Km
Höhenunterschied: 700 M
Dauer: drei Stunden
Schwierigkeitsgrad: leicht
Ausrüstung: feste Schuhe, Sonnenschutz, reichlich Wasser und Proviant. Auf der Insel gibt es keine Möglichkeit zur Einkehr oder zum Kauf von Getränken.
Anfahrt: Mit dem eigenen (Genehmigung vom Inselrat erforderlich) oder mit einem Ausflugsboot. Am günstigsten für Wanderer ist das Shuttle Margarita. Erste Fahrt ab Sant Elm um 9.45 Uhr. Shuttle ab 11.30 Uhr. Letzte Rückfahrt: 16.50 Uhr. Gruppen sollten reservieren: Tel. 639-617545
EIDECHSEN nicht FÜTTERN
Verlassen Sie nicht die ausgeschilderten Wege, nehmen Sie nichts von der Insel mit und füttern Sie die zutraulichen Eidechsen nicht. "Zum einen können dabei Bakterien übertragen werden, die zwar für uns Menschen harmlos sind, bei den Eidechsen aber Krankheiten auslösen können", erklärt der Parkdirektor Martí Mayol. Zum anderen gewöhnten sich die Eidechsen schnell ans Füttern und vernachlässigten ihre ökologische Funktion. "Durch ihre Vorliebe für die Nektare bestimmter Blumen spielen sie eine wichtige Rolle in der Bestäubung von Pflanzen.".
DIE ROUTEN auf der INSEL. Vier Routen sind ausgeschildert. Die längste und schwierigste führt hinauf zu Na Pòpia, 4,5 Kilometer lang ist die Strecke zum restaurierten Leuchtturm Llebeig im Süden. Eine Stunde (hin und zurück) ist für den Weg zum nördlichen Leuchtturm Far de Tramuntana angesetzt. Dann gibt es noch einen 30-minütigen Rundweg an der Bucht Es Lladó vorbei an einem Aussichtspunkt. Die Tour hinauf zu Na Pòpia ist auch in der Wander-App des Inselrats ("Watchabout") beschrieben. Die App enthält viele interessante Informationen zur Geschichte und Natur. www.watchaboutapp.com
(aus MM 15/2017)
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