Als die wunderbare Sisi, ihres Zeichens langjährige Kaiserin von Österreich-Ungarn, im Jahr 1892 ihren Cousin, den wissbegierigen Erzherzog Ludwig Salvator auf Mallorca besuchte, war es offenbar schnell um sie geschehen. Verglichen mit dem landschaftlich beeindruckenden Panorama, das sie am spektakulär an der Tramuntana-Steilküste gelegenen ehemaligen Kloster Miramar zu Gesicht bekam, soll ihr Korfu, wo sie einen Palast besaß, auf einmal gar nicht mehr so umwerfend vorgekommen sein.
Sisi war angereist, um sich das uralte, in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts errichtete Bauwerk zu besehen, das der Erzherzog einem Insulaner abgekauft hatte. Es heißt, der Mallorquiner habe ihm einen Preis genannt, und der Blaublüter habe ohne Zeitverzug zugegriffen und in nur wenigen Tagen den Kaufvertrag in Palma unter Dach und Fach gebracht.
„Und dann gestaltete er alles nach seinem Geschmack um, schützte die Natur und stellte vor dem Gebäude etwa eine Sitzmauer in Kreuzform auf”, sagt Maria Sureda. Die erfahrene Reiseführerin ist samt ihrer Kollegin Ingrid Flohr gekommen, um deutlich mehr als 20 deutschsprachigen Teilnehmern im Rahmen einer zweistündigen Führung Wissenswertes zu dem allgemein nicht allzu bekannten Bauwerk zu schildern. „Es war im Jahr 1276, als der Theologe und Philosoph Ramón Llull (1232-1316) hier eine Schule für orientalische Sprachen für Mönche einrichtete”, so Sureda. „Deren Aufgabe war, die zu einem großen Teil noch von muslimischen Mauren bewohnte Insel für das Christentum zu begeistern.” Die Reiseleiterin zündet ein Feuerwerk von Jahreszahlen und enzyklopädischem Wissen, das die Teilnehmer durchaus in ein gewisses Staunen versetzt.
Wer wusste schon, dass Rauschebart Llull, der zeitweise auch an der berühmten Sorbonne-Universität in Paris tätig war, unter anderem im Miramar-Kloster eine sogenannte „Argumentationsmaschine“ entwickelte, bei der er 65 Begriffe auf sechs konzentrischen Kreisen unterbrachte? Auf jeder dieser Scheiben waren Wörter notiert, die verschiedene Begriffe – etwa Mensch, Wissen, Wahrheit, Ruhm und Wohl sowie Quantität – bezeichneten. Juden und Araber, die man unbedingt bekehren wollte, schienen Llull in Glaubensdingen argumentativ so überlegen zu sein, dass die christlichen Missionare seiner Ansicht nach unbedingt der mechanischen Unterstützung auf logischer Basis bedurften.
Den schwer zu verstehenden Llull-Kosmos allgemeinverständlich zusammenzufassen, vermag „Guía” Maria Sureda zur Freude der Teilnehmer bestens. Das gilt auch für Wissenswertes über die Yacht „Nixe 2”, auf der der bei Hofe in Wien als Sonderling klassifizierte Erzherzog jahrelang unterwegs war. Ein Teil des Innenraums ist in dem markanten Bau am Berghang nachgestellt worden.
Als die schrägstehende Wintersonne gegen Mittag endlich über die steilen Felsen steigt und die zu dem Komplex gehörende Kapelle und die daneben stehenden Bäume lieblich anleuchtet, nehmen dies einige Führungsteilnehmer mit einer gewissen Begeisterung zur Kenntnis. Die heilige Dreifaltigkeit (Vater, Sohn und heiliger Geist), die Miramar Historikern zufolge mehr noch als andere mystische Orte auf Mallorca symbolisiert, wird fast fühlbar. Ob Sisi bei ihrem legendären Besuch wohl auch diese spezielle Energie gespürt hatte?
Die nächsten Führungen von Ingrid Flohr und Maria Sureda handeln von Sóller und dem Jugendstil in Palma. Das Orangendorf wird am 20. Januar ab 11 Uhr besichtigt, auch die Verbindung mit Frankreich wird erläutert. Am 18. Januar werden Jugendstil-Bauten in Palma besucht. Weitere Informationen unter iflohr.santanyi@gmail.com
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