Wie möchte ich sterben? Nur die wenigsten denken gerne über den Tod nach, noch weniger über den eigenen. Das Thema ploppt kurz auf, wenn die Presse über die kürzlich legalisierte Sterbehilfe in Spanien berichtet – dann wirft die Kollegin vielleicht mal den Satz in den Raum: „Ich möchte auch nicht jahrelang an Schläuchen im Krankenhaus vor mir hin vegetieren.” Doch wenn dieser Satz nirgendwo steht, dann kann genau das passieren.
Fällt ein Patient ins Wachkoma oder kann aufgrund des hohen Alters seinen Willen nicht mehr äußern, sind Ärzte dazu verpflichtet, lebenserhaltende Maßnahmen anzuwenden, außer in der Patientenverfügung steht etwas Gegenteiliges, oder der vom Vormundschaftsgericht festgelegte Betreuer entscheidet anders. Dieser kann auch notwendige Entscheidungen treffen, wenn der Betroffene nicht mehr dazu in der Lage ist. Und das muss nicht immer ein direkter Angehöriger sein. Um selbst über das eigene Lebensende zu entscheiden, respektive selbst einen Betreuer zu ernennen, gibt es in Deutschland folgende Dokumente: die Vorsorgevollmacht, die Betreuungsverfügung und die Patientenverfügung. Die Papiere sind in Deutschland hilfreich, nur bringen sie auf Mallorca nichts. Aber eins nach dem anderen.
Zur Erklärung: Mit der Vorsorgevollmacht überträgt der Vollmachtgeber einer Person die Vollmacht für alle Angelegenheiten, sollte er die Fähigkeit verlieren, selbst zu handeln und zu entscheiden. Mit der Betreuungsverfügung legt der Betroffene fest, wer vom Gericht bestellt werden soll (und wer nicht), wenn notwendige Entscheidungen zu treffen sind, sollte er nicht mehr dazu in der Lage sein. Eine Patientenverfügung wiederum regelt zum Beispiel, ob und inwieweit lebenserhaltende Maßnahmen angewandt werden dürfen, Organe gespendet werden sollen und ob eine Schmerz- und Symptombehandlung erwünscht ist. Ebenso muss auch in der Patientenverfügung ein Betreuer vermerkt sein: Er oder sie fällt Entscheidungen, wenn beispielsweise Situationen entstehen, die in der Patientenverfügung nicht konkret geregelt sind.
„Eine Patientenverfügung ist auf jeden Fall ratsam”, sagt Manuel Stiff. Der deutsche Mallorca-Rechtsanwalt hat sich auf Immobilienrecht, Wirtschaftsrecht und Erbrecht spezialisiert, Rechtsfragen zum Lebensende kommen von seinen Klienten nicht selten. „Ohne Dokumente stehen Angehörige im Ernstfall da, müssen über Leben und Tod entscheiden und wissen nicht, was sie tun sollen.” Außerdem, so der Anwalt, sollte man wissen, dass die deutschen Formulare in spanischen Institutionen selten Beachtung finden: „Wenn der zuständige Arzt das deutsche Dokument in einer ernsten Notfallsituation in den Händen hält, es nicht kennt und nicht versteht, wird er es in den meisten Fällen nicht anwenden. Hier gilt nur, was offiziell ist, das ist der heilige Bürokratius Spaniens”, so Stiff.
Wer sich viel, oft und lange auf Mallorca aufhält, sollte daher zusätzlich eine spanische Patientenverfügung aufsetzen (lassen). Die sogenannte „Manifestaciones Anticipadas de Voluntad” oder auch „Declaración de Voluntades Anticipadas (DVA)” genannt, wird von einem spanischen Notar beglaubigt und ins zentrale, kommunale Register (Registro de voluntades anticipadas) eingetragen. Dann haben auch alle Ärzte und Krankenhäuser Zugriff auf das Dokument.
„Eine DVA kann jeder erstellen und hinterlegen, unabhängig vom Wohnsitz oder der Staatsangehörigkeit”, erklärt Carlos Jiménez Gallego, Leiter der Kulturkommission des Notariatsverbandes der Balearen. Der Notar erstellt für Deutsche oft spanische Patientenverfügungen, hat dafür Vorlagen, die er mit Klienten bei Bedarf auch ergänzt oder vereinfacht. „Manche kommen auch mit einer Übersetzung ihrer deutschen Patientenverfügung. Wichtig ist nur, dass sie einen gültigen Ausweis dabei haben und ebenso ihr eingetragener Betreuer mit einem gültigen Ausweis anwesend ist. Wenn wir nicht mehr viel an der DVA bearbeiten müssen, sind wir in weniger als einer Stunde fertig.” Kostenpunkt: Rund 70 bis 100 Euro.
Wer ganz sicher gehen möchte, erstellt zusätzlich zur spanischen Patientenverfügung das spanische Pendant zur Vorsorgevollmacht. „Gerade für Paare, die ein gemeinsames Unternehmen führen, ist so eine Vollmacht sinnvoll”, erklärt Jiménez. So können die Partner auch im Namen des anderen geschäftliche Tätigkeiten ausführen, wenn dieser nicht mehr dazu in der Lage ist. Das „Poder preventivo” oder „Poder para el caso de incapacidad del poderdante” gibt es erst seit 2003, es handelt sich dabei ebenfalls um eine notarielle Urkunde, sie wird im spanischen Melderegister (Registro civil) hinterlegt. Auch hierfür hat Jiménez Vorlagen oder bearbeitet auf Wunsch eigene, übersetzte Dokumente.
Laut Statistischem Bundesamt haben bereits 51 Prozent der Ü60-Jährigen in Deutschland eine Patientenverfügung verfasst, bei den 45- bis 59-Jährigen sind es noch 27 Prozent. Was wenig klingt, ist im internationalen Vergleich doch recht viel: Gerade mal 0,57 Prozent der Spanier – weniger als 270.000 Menschen – hatten 2018 eine DVA im Register hinterlegt, so das spanische Statistikinstitut.
„Die Deutschen planen eben gerne”, erklärt Joachim Süselbeck die Zahlen. Der Rechtsanwalt mit deutschen Wurzeln hat seine Kanzlei in Santa Ponça, als Experte auf den Gebieten Immobilienrecht, Bankenrecht, Erbrecht, Handels- und Gesellschaftsrecht hat er oft mit Nachlass- und Vollmachtangelegenheiten zu tun: „Vor einem ,Poder preventivo’ muss ich warnen, dies entspricht in der zivilrechtlichen Reichweite nicht der deutschen Vorsorgevollmacht. Die meisten Banken erkennen diese Vollmacht zum Beispiel nicht als Bankvollmacht an”, so Süselbeck. Wichtig sei vor allem, sich zuvor gut beraten zu lassen und die Regeln sowie Befugnisse genau zu spezifizieren. Außerdem, so der Rechtsanwalt, sollte man den Bevollmächtigten sowie den Betreuer sorgfältig auswählen: „Einer meiner Klienten lag letztes Jahr im Krankenhaus. In der Patientenverfügung war sein Sohn vermerkt, der die Maschinen schon abschalten wollte. Die frisch angeheiratete Ehefrau hat für das Leben ihres Mannes gekämpft, und jetzt raten Sie mal, wer vor wenigen Wochen quicklebendig hier vor mir saß!”
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