Umzug geplant: Palmas Großwerft "Astilleros de Mallorca" soll spätestens bis zum kommenden Jahr ihren Sitz wechseln, und zwar von der Lonja-Mole zur Alten Mole. | Astilleros de Mallorca

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Die Werft Astilleros de Mallorca (AdM) ist seit über 80 Jahren das Aushängeschild der maritimen Industrie auf den Balearen. Gegründet im Jahr 1942 durch Javier de la Rosa und die Brüder Nicolau in Palma, begann das Unternehmen als kleine Bootsbauwerkstatt am heutigen Paseo Marítimo. In den 1950er Jahren wuchs die Werft mit dem Bau größerer Freizeityachten und der Expansion der Hafeninfrastruktur. 1967 folgte der Umzug an den heutigen Standort und die Fusion mit der Werft Ballester. Mit einer zunehmenden Professionalisierung erlebte Astilleros de Mallorca seine Blütezeit im Schiffbau: Yachten wie die legendäre „Cleopatra” für den Ölkonzern Shell entstanden hier, ebenso wie das bis heute größte in Palma gefertigte Schiff – ein 113 Meter langer Flüssiggastanker.

Doch mit dem Strukturwandel der europäischen Schiffbauindustrie kam auch für AdM der Umbruch. In den 1990er Jahren stellte das Unternehmen den Neubau ein und konzentrierte sich fortan auf die Instandhaltung, Reparatur und Modernisierung von Yachten. Heute zählt die Werft zu den führenden Akteuren der Branche im Mittelmeerraum. Über die Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft sprach MM mit Don Diego Colón, CEO von Astilleros de Mallorca.

Mallorca Magazin: Der Werftstandort am Hafen von Palma wird verlagert. Wie geht Astilleros de Mallorca (AdM) mit dieser Veränderung um?
Diego Colón: Die Verlagerung der Werft ist ein Projekt, das die Hafenbehörde der Balearen bereits seit neun Jahren verfolgt. Im Jahr 2024 wurde es unter der neuen Regierung angepasst. Die neue Standortwahl bietet die Chance, die gesamte Infrastruktur der Werft zu modernisieren - von den Dockanlagen bis hin zu den Werkstätten und den für die maritime Industrie essenziellen Serviceeinrichtungen. Zudem können die neuen Einrichtungen nicht nur die bestehenden Kunden von Astilleros de Mallorca aufnehmen, sondern auch solche Yachten anziehen, die bislang mangels geeigneter Ressourcen nach Festlandspanien oder zu anderen internationalen Standorten ausweichen mussten.

MM: Welche Rolle spielt Astilleros de Mallorca in der maritimen Industrie der Balearen, Spaniens und des Mittelmeerraums?
Colón: AdM ist die zweitgrößte Werft Spaniens im Bereich der Yachtinstandsetzung und gehört zu den fünf führenden Werften im Mittelmeerraum. Auf den Balearen gibt es insgesamt 282 Unternehmen, die sich auf Yachtreparaturen spezialisiert haben. AdM ist mit einem Umsatzanteil von 16 Prozent das bedeutendste Unternehmen in diesem Bereich und bietet als einziges Unternehmen eine vollintegrierte Abwicklung aller Reparatur- und Wartungsarbeiten innerhalb einer zentralen Managementstruktur an.

MM: Wie hat sich das Unternehmen in den vergangenen 50 Jahren gewandelt?
Colón: Vor 50 Jahren konzentrierte sich die Werft hauptsächlich auf den Bau von Handelsschiffen, während die Reparaturarbeiten nur eine Nebenrolle spielten. In den späten 1970er und 1980er Jahren wurde das Portfolio um den Bau von Motor- und Segelyachten erweitert. Ab den 1990er Jahren erlebte das Unternehmen eine tiefgreifende Umstrukturierung mit einer drastischen Reduzierung der Belegschaft. Seither fokussiert sich AdM ausschließlich auf die Instandsetzung, Modernisierung und Wartung von Yachten.
Nach der Umstrukturierung betrug die Mitarbeiterzahl 55 Personen, inzwischen ist sie auf 126 gestiegen. Zusätzlich arbeiten etwa 300 weitere Fachkräfte aus externen Zulieferbetrieben projektbezogen für die Werft. Besonders hervorzuheben ist die zunehmende Spezialisierung der Belegschaft: Allein in den letzten zehn Jahren hat sich die Zahl der Schiffsingenieure von acht auf 31 erhöht, was die steigenden Qualifikationsanforderungen in der Branche verdeutlicht.

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Das Unternehmen zog 1967 an seinen heutigen Standort. Zuvor befand es sich in einer schmalen Bucht bei Palma, wie der Bau des Schiffes von 1942 zeigt. Foto: AdM
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MM: Welche Hauptdienstleistungen bietet AdM an, und wie hebt sich die Werft im Vergleich zu anderen Refit-Werften in Spanien ab?
Colón: AdM ist eine vollständig integrale Werft, die alle Dienstleistungen rund um Refit- und Reparaturprojekte aus einer Hand anbietet. Kunden profitieren von einem umfassenden Servicepaket, das von der Planung und Kalkulation über Vertragsgestaltung, Projektmanagement und Abrechnung bis hin zu Garantie- und Nachbetreuungsleistungen reicht. Besonders bemerkenswert ist, dass AdM über eigene Werkstätten verfügt - eine Seltenheit in der Branche. Dadurch kann die Werft höchste Qualitätsstandards gewährleisten, insbesondere in den Kernbereichen Mechanik, Metallverarbeitung (Stahl, Aluminium, Edelstahl), Schweißtechnik, Hydraulik, Rohrleitungsbau, Elektrik und Elektronik.
Die eigene Werkstattstruktur sorgt nicht nur für eine hohe Mitarbeiterbindung, sondern gewährleistet auch die Ausbildung und Weiterqualifizierung der nächsten Generation von Fachkräften in diesen hochspezialisierten Disziplinen.

MM: Wer zählt zu den Kunden von AdM?
Colón: Der Anteil spanischer Kunden ist gering. Rund 60 Prozent der Kunden sind außerhalb der EU registriert, wobei Flaggenstaat und Eigentümerland oft nicht identisch sind. Europäische Kunden machen etwa 40 Prozent aus.

MM: Wie viele Projekte realisiert AdM pro Jahr?
Colón: Jährlich betreut AdM etwa 250 Projekte in den Bereichen Refit, Reparatur und Wartung. Dabei variiert das Projektvolumen stark: von einigen tausend Euro bis hin zu über zehn Millionen Euro. Vornehmlich hochkomplexe und wert-intensive Projekte heben AdM von Mitbewerbern ab und haben der Werft eine exzellente internationale Reputation eingebracht.

PALMA - ENTREVISTAS - Diego Colón de Carvajal ● Director de Astilleros de Mallorca
Heute leitet Diego Colón de Carvajal die Werft "Astilleros de Mallorca". Foto: AdM

MM: Welche Herausforderungen sieht AdM für die Zukunft?
Colón: Steigende Arbeitskosten in Europa führen zu einem Wettbewerbsnachteil, der nur durch höhere Spezialisierung, bessere Qualität und innovative Lösungen ausgeglichen werden kann. Der entscheidende Erfolgsfaktor ist, der Konkurrenz stets einen Schritt voraus zu sein. Dies ist eine Entwicklung, die die europäische Schiffbauindustrie seit der Krise der 1980er-Jahre geprägt hat und die auch in Zukunft fortbestehen wird.Wer im Markt bestehen will, muss einzigartige Leistungen bieten. Innovation, berufliche Weiterbildung, Technologisierung der Belegschaft und höchste Qualitätsstandards sind daher unverzichtbare Pfeiler unserer Strategie.

MM: Welche Bedeutung hat die Nautikbranche für die Balearen? Wie bewertet AdM staatliche Unterstützungsmaßnahmen?
Colón: Laut Statistiken von 2023 trägt die maritime Industrie 3,1 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt der Balearen bei. Innerhalb der Industriebranche ist sie sogar der bedeutendste Wirtschaftszweig mit starkem Wachstums-potenzial. Noch wichtiger als das wirtschaftliche Volumen ist jedoch die Qualität der Arbeitsplätze. Löhne in der maritimen Industrie liegen oft doppelt so hoch wie im Dienstleistungssektor. Zudem handelt es sich um dauerhafte Arbeitsplätze mit exzellenten Zukunftsaussichten.
Die Pandemie hat gezeigt, dass die maritime Industrie krisenfest ist - im Gegensatz zu anderen Branchen konnte sie während der gesamten Krise durchgängig weiterarbeiten.
Da unsere Aktivitäten auf Hafenarealen mit öffentlichem Eigentum stattfinden, ist langfristige Rechtssicherheit essenziell, um große Investitionen amortisieren zu können. Die Hafenbehörden auf nationaler und regionaler Ebene müssen sich der Bedeutung ihrer Rolle bewusst sein und ein stabiles Investitionsumfeld schaffen, um den Fortbestand und das Wachstum dieser strategisch wichtigen Industrie zu gewährleisten.