Àlvaro Middelmann: Das Problem mit dem Personalmangel und die daraus folgenden Konsequenzen betrifft nicht die Luftfahrt allein, sondern die gesamte Reisebranche. Meiner Meinung nach ein mir unverständlicher, nicht begreifbarer Fehler in der Personalplanung der jeweiligen Unternehmen.
MM: Warum?
Middelmann: Dass die Nachfrage nach Urlaub und Reisen mit dem Abklingen der Pandemie in diesem Jahr wieder losgehen würde, wusste man doch schon seit dem vergangenen Herbst. Wie gesagt, es ist mir daher unerklärlich, dass sich die Unternehmen auf die steigende Personalnachfrage nicht rechtzeitig vorbereitet haben.
MM: In deutschen Flughäfen brachte das Bodenpersonal den Verkehr aber auch mit eigenen Streiks durcheinander.
Middelmann: Es ist nachvollziehbar, dass Arbeitnehmer gerade in wirtschaftlichen Krisenzeiten mit hoher Inflation versuchen, aus dieser Situation Kapital zu schlagen. Aber auch diese Entwicklung war zum Teil absehbar, beziehungsweise planbar. Schuld an der Krise hat meiner Meinung nach auch die Politik, die hinsichtlich der Maßnahmen zum Abfedern der Inflationsauswirkungen versagt hat.
MM: In Spanien streikt das Bordpersonal von Ryanair, weil es halb so viel verdient wie die Kollegen in Deutschland oder England. Ist das wirklich so?
Middelmann: Gehälter von Angestellten in international operierenden Unternehmen werden immer den jeweils örtlichen wirtschaftlichen Gegebenheiten angepasst. Das ist ganz normal. Einen so großen Unterschied bei den Löhnen, wie von den spanischen Ryanair-Angestellten behauptet, kann ich mir aber beim besten Willen nicht vorstellen.
MM: Werden die Verbraucher für Flugreisen in Zukunft sehr viel tiefer in die Tasche greifen müssen als bisher?
Middelmann: Ehrlich gesagt verwundert es mich, dass sie bei den derzeitigen Ölpreisen noch nicht so gestiegen sind, wie man das eigentlich erwartet hätte.
MM: Was könnte der Grund dafür sein?
Middelmann: Dahinter steckt für mich ein Verdrängungswettbewerb. Große Airlines, die es sich leisten können, versuchen derzeit noch mit günstigen Preisen kleinere Mitbewerber vom Markt zu drängen. Doch irgendwann ist auch bei den Big Playern das Geld am Ende, und sie werden ihre Preise erhöhen müssen.
MM: Billigflüge für unter 20 Euro nach Mallorca wird es also vorerst nicht mehr geben?
Middelmann: Die wird es meiner Ansicht nach definitiv gar nicht mehr geben.
MM: Einer der großen Vorteile von Mallorca als Reiseziel waren bisher die vielen, aber vor allem günstigen Flugverbindungen mit dem Rest Europas. Welche Konsequenzen könnte eine Verteuerung der Flugtickets für die Insel nach sich ziehen?
Middelmann: Geld ist nicht das vorrangige Problem. Die Leute haben nach zweijähriger coronabedingter Reise-Abstinenz Geld genug, um etwas mehr davon für einen Flug oder eine Urlaubsreise auszugeben. Im Sommer wird sich die Flugpreisverteuerung auf der Insel nicht bemerkbar machen. Ein möglicher Rückgang an Urlaubern wird möglicherweise im Herbst eintreten, wenn viele Familien darauf verzichten, ein zweites Mal zu verreisen.
MM: Davon scheinen wir aber noch weit entfernt. Derzeit haben viele Flughäfen in Europa eher mit dem Ansturm von Passagieren zu kämpfen. Am Londoner Airport wurde die Abfertigungszahl bereits auf maximal 100.000 pro Tag gedeckelt. Ist so eine Begrenzung auch auf Palmas Flughafen in absehbarer Zeit vorstellbar?
Middelmann: Nein. Die spanische Flughafenbetreibergesellschaft Aena ist zu über 50 Prozent ein staatliches Unternehmen. Angesichts der derzeitigen Inflation wäre die Begrenzung von einreisenden Urlaubern ein ganz schlechtes Mittel.
MM: Die linke Koalitionspartei „Més” in der Balearen-Regierung fordert, der touristischen Überfüllung und dem damit einhergehenden Ressourcenverbrauch auf der Insel durch eine Deckelung der Passagierzahlen in Palmas Flughafen entgegenzuwirken. Eine gute Idee?
Middelmann: Minderheitsparteien neigen bekanntlich dazu, ihre politische Verantwortung gegenüber der breiten Mehrheit zu vergessen. Ich glaube, dass Landesministerpräsidentin Francina Armengol klug genug ist, dieser Forderung in keinster Weise nachzugeben. Die Balearen leben vom Tourismus. Und wie oben bereits gesagt: In diesen wirtschaftlich komplizierten Zeiten, sind solche Ideen zur Verbesserung der Situation alles andere als förderlich.
MM: Sie selbst haben sich aus dem operativen Luftfahrtgeschäft zurückgezogen. Ganz ohne kommen Sie aber nicht aus, oder?
Middelmann: Ich bin nicht mehr beruflich für eine bestimmte Airline tätig, verfolge aber als Beobachter und Berater die aktuellen Entwicklungen der Branche.
MM: Vermissen Sie die Zeit, in der Sie an „erster Front” standen?
Middelmann: Ich habe Gott sei Dank Ersatz gefunden. Meine neue Berufung ist, Großvater zu sein. Und das ist eine sowohl wunderschöne wie abwechslungsreiche Aufgabe.
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Pauschale Behauptungen dienen nicht der Realität. - Es wird immer einen Preisunterschied zwischen den Fluggesellschaften geben, der sich ganz einfach aus den betrieblichen und technischen Strukturen, der Wartung und Instandhaltung, sowie der inhaltlichen Angebote ergeben. Des Weiteren werden auch Frachtkontingente ausgehandelt, um nicht mit halbvollen Laderäumen zu fliegen. Zusätzliche Fracht ist ein super Geschäft. Auch die Kosten der Abwicklung und in Anspruch zu nehmenden Leistungen auf den verschiedenen Airports werden unterschiedlich ausgehandelt. z.B. ist die Abfertigung auf dem Flugfeld billiger, als direkt am Terminal. Oder Beispiel Bayern, Kosten der Abfertigungen Memmingen und München unterscheiden sich gewaltig. Und das kommt den Passagieren preislich zugute. Alle sogenannten Billigflieger sind auch deshalb preiswerter, weil sie nur eine Klasse bieten, also keinen Luxus an Bord verkaufen, die maximale Bestuhlung ausnutzen und jede Art von Schnick-Schnack weglassen. Insbesondere auf den Kurz- und Mittelstrecken ist das einfach nicht nötig. So ergibt sich eine ganz andere Mischkalkulation, als bei den Luxuslinern was sich auf den Ticketpreis auswirkt.