Eine erstaunliche Einschätzung, wenn man sich die Proteste aus dem vergangenen Jahr in Erinnerung ruft. Im Sommer 2024 gingen Tausende Anwohner in Palma, Magaluf und an der Playa de Palma auf die Straße. "Mallorca ist kein Freizeitpark!" war auf Plakaten zu lesen, während Demonstranten gegen überfüllte Strände, steigende Mieten und eine zerfallende Infrastruktur protestierten. Auch die Bilder von völlig überlaufenen Buchten wie der Caló des Moro, der Cala Mondragó oder Es Trenc sorgten für Aufsehen: Menschen drängten sich auf Handtuchbreite, Rettungsschwimmer forderten sogar Zugangsbegrenzungen, um Notfälle bewältigen zu können.
Mallorca hat keinen Massentourismus? Das sehen viele anders
Javier Vich, Präsident des Hotelverbands, sieht die Lage entspannter. "Wie in jeder Tourismusdestination gibt es Orte mit hohem Besucheraufkommen, aber das heißt nicht, dass die gesamte Insel überlastet ist", sagte er in Berlin. Als Beispiele für vergleichbare Hotspots nannte er den Eiffelturm in Paris oder den Central Park in New York.
Eine kühne Analogie, denn während der Central Park auch an einem sonnigen Samstag noch genügend Platz für Besucher bietet, platzte die Playa de Palma letzten Sommer dermaßen aus allen Nähten, dass es zu einer regelrechten Menschenblockade kam. Anwohner mussten sich ihren Weg durch Horden betrunkener Touristen bahnen, die in den engen Gassen tanzten, feierten oder einfach nur lagen. Besonders absurd wirkt Vichs Vergleich mit Blick auf die Bevölkerung: Während New Yorks Central Park in einer Stadt mit mehr als acht Millionen Menschen liegt, wird Mallorca mit seinen knapp einer Million Einwohnern jährlich von bis zu 17 Millionen Touristen besucht.
Steigende Preise, sinkende Lebensqualität
Der Unmut der Einheimischen richtet sich aber nicht nur gegen die Touristenmassen an den Stränden. Die steigenden Mieten sind ein weiteres Problem, das eng mit dem Massentourismus verknüpft ist. Wohnungen, die früher von Einheimischen bewohnt wurden, werden immer häufiger als Ferienapartments zu hohen Preisen vermietet. Viele Mallorquiner können sich das Leben auf ihrer eigenen Insel nicht mehr leisten.
Vich sieht hier keinen Zusammenhang. "Das sind strukturelle Probleme wie Bevölkerungswachstum oder Mobilität", argumentiert er. Motto: Die Hoteliers kümmern sich lieber um das "verbesserte Angebot" und überlassen die Lösung der sozialen Probleme anderen.
Kein Interesse an der Ökosteuer
Auch der Vorschlag, die sogenannte "Ecotasa" – die Steuer für nachhaltigen Tourismus – zu erhöhen, stößt bei den Hoteliers auf Ablehnung. "Die Steuer beeinflusst die Nachfrage nicht", behauptet Vich. Die Regierung der Balearen sieht das anders: Sie plant eine Anhebung der Abgabe in der Hochsaison, um die Belastung durch den Massentourismus auszugleichen. Dabei ist die Steuer bereits seit 2016 in Kraft und wird von Touristen pro Nacht gezahlt – bisher zwischen 1 und 4 Euro pro Person.
Tourismusminister Jaume Bauzá stellte kürzlich klar: "Die Einnahmen der Steuer kommen nachhaltigen Projekten zugute, die die Inseln entlasten." Der Hotelverband hält dennoch dagegen und bezeichnet die Abgabe als wirkungslos. Eine Ironie, wenn man bedenkt, dass viele Touristen in Umfragen bereits angaben, die Steuer kaum zu bemerken – während Anwohner händeringend nach Lösungen für die zunehmenden Probleme suchen.
Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Trotz aller Proteste und öffentlichen Debatten erwartet Mallorca 2025 eine neue Rekordsaison. Mehr Touristen, mehr Einnahmen – und wohl auch mehr Frust bei den Einheimischen. Ob sich die Hoteliers weiterhin gegen die Realität stemmen oder irgendwann die Überfüllung doch noch zur Kenntnis nehmen, bleibt abzuwarten. Die Demonstranten vom letzten Jahr werden jedenfalls genau hinschauen.
1 Kommentar
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Vielleicht sollte der zuständige Minister Bauza einmal die angeblich die Insel entlastenden Projekte exakt benennen, damit der geneigte Steuerzahler einschätzen kann, ob die Gelder tatsächlich die Insel entlasten.