Barcelona, Santorin, Capri, Venedig: Auch andere Reiseziele in Europa haben neben Mallorca mit Massifizierung zu kämpfen. | Wirestock/pixelio.de

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Die Massifizierung, die jetzt während der Hochsaison besonders intensiv spürbar ist, ist kein reines Mallorca-Phänomen. Auch in anderen beliebten Reisezielen hat man es derzeit mit diesem in der Nach-Coronazeit ernster gewordenen Phänomen zu tun. Ein Beispiel ist die beliebte griechische Insel Santorin, ein veritabler Augenschmaus mit blütenweißen Gebäuden und ein erheblich kleineres Eiland als Mallorca.

Santorin will Kreuzfahrten begrenzen

Im vergangenen Jahr wurden dort sage und schreibe etwa 800 Halte von Kreuzfahrtschiffen mit insgesamt 1,3 Millionen Menschen gezählt, ein Plus von 17 Prozent verglichen mit 2022. Doch Santorin hat lediglich etwa 15.000 Residenten. Griechenlands Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis kündigte denn auch kürzlich an, dort den ausufernden Kreuzfahrttourismus strikt begrenzen zu wollen.

Auch die Bewohner einiger Sehnsuchtsorte in Italien ächzen zunehmend unter der Last der Massifizierung: Die bekanntlich äußerst malerische Lagunenstadt Venedig verlangt bis zum 14. Juli testweise an allen Samstagen und Sonntagen von jeweils 8.30 bis 16 Uhr fünf Euro Eintritt von jedem Urlauber. Die generelle Einführung dieses Tagestickets ist für 2025 vorgesehen. Bereits im Jahr 2021 waren Kreuzfahrten aus dem Stadtzentrum verbannt worden.

Capri machte zeitweise dicht

Ein weiterer notorisch überfüllter Ort in Italien ist das kleine, aber landschaftlich elektrisierende Eiland Capri im Golf von Neapel Wegen des Zusammenbruchs der Trinkwasserversorgung durften die Massen, die in Sorrent oder Neapel auf Fähren und Schnellboote steigen und nach kurzer Fahrt auf der überschaubaren Insel an Land gehen, vor einigen Tagen zeitweise nicht mehr dorthin.

Selbst das kalte Island mit seinen faszinierenden Vulkan-Landschaften und heißen Quellen wird von immer größeren Menschenmassen heimgesucht. Von 2010 bis 2018 stieg die Besucherzahl Medienberichten zufolge um 400 Prozent auf 2,3 Millionen Menschen. Im Januar wurde denn auch die Tourismusabgabe drastisch erhöht, um die Flut von Besuchern nicht noch weiter ausufern zu lassen: Reisende müssen seitdem 4,50 Euro zusätzlich pro Tag zahlen. Der ebenfalls völlig überlaufene US-Inselstaat Hawaii ist noch nicht so weit wie Island, will aber eine Urlaubersteuer baldmöglichst einführen.

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Barcelona als Vorbild?

Wie auf Mallorca gegengesteuert werden könnte, machte jetzt die notorisch überfüllte katalanische Metropole Barcelona vor: Im Kampf gegen die mit der Massifizierung verbundenen Wohnungsnot will die Kommune bis Ende des Jahres 2028 die Vermietung von Ferienwohnungen voll und ganz abschaffen. Sämtliche Wohnungen, die derzeit legal an Touristen für einen kurzfristigen Aufenthalt vermietet werden, würden dann von Bewohnern der Metropole im Nordosten Spaniens benutzt werden können, erklärte Oberbürgermeister Jaume Collboni.

Der Palmesaner Amtskollege Jaime Martínez hatte vor der EU-Wahl zwar Ähnliches angedeutet, aber konkret wurden weder Ankündigungen gemacht noch Termine zur Umsetzung von Maßnahmen genannt. „Es gibt etwa 3000 illegal vermietete Ferienunterkünfte in der Stadt”, sagte der konservative Politiker in einem Interview. Die schwarz vermieteten Immobilien werden in der Regel nicht aufgespürt, denn Kontrolleure sind momentan noch dünn gesät. Das wissen die Eigentümer. Sie gehen das Risiko ein, Bußgelder von 30.000 Euro pro entdecktem Fall zahlen zu müssen.

Tourismus begrenzen, aber nicht dämonisieren

Auf höherer Ebene, in der Regionalregierung der Balearen, ist man sich der Massifizierung und der damit einhergehenden Probleme vollauf bewusst. Auf einem Kongress mit 176 Teilnehmern wurde am Mittwoch der vergangenen Woche in Anwesenheit von Ministerpräsidentin Marga Prohens und der spanischen Tourismus-Staatssekretärin Rosario Sánchez ausgelotet, wie man der Malaise beikommen kann. Die generelle Leitlinie ist, den Tourismus zu begrenzen, aber nicht zu dämonisieren.

Die Entwicklung hin zu einer immer bedenklicheren Massifizierung dürfte eine nach der Corona-Pandemie und während des Kriegs von Russland gegen die Ukraine entstandene, von unterschwelliger Angst geprägte Grundstimmung befördert haben: Nach der harten Lockdownzeit in den Jahren 2020 und 2021 wollten mehr Menschen reisen, als dies davor üblich war. Hinzu kommt eine schwer fassbare Furcht vor einem etwaigen großen Krieg, die zu einer Art "Titanic-Stimmung" geführt hat. Bekanntlich feierte man auf dem Riesenschiff noch besonders ausgelassen und wild, kurz bevor dieses am 15. April 1912 für immer in den Fluten des Nordatlantiks versank ...

Dass die Entwicklung auf Mallorca und anderswo alsbald weg von der Massifizierung geht, ist im Augenblick nicht abzusehen. Wie kaum zuvor in der Geschichte wird gereist. Die betroffenen Inseln, Gegenden und Städte sind daher gezwungen, Lösungen zu finden, um die Einwohner nicht gegen sich aufzubringen.