Auch auf den Balearen haben Protestbewegungen wiederholt versucht, Zwangsräumungen zu verhindern. Dieses Polizeiaufgebot rückte bei einer Räumung im Juli in Palma an, um die Demonstranten auf Distanz zu halten. | F. CAVADA

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In den spanischen Goldgräberzeiten - sprich auf der Höhe des Immobilienbooms vor wenigen Jahren - war alles so einfach: Jeder, der auch noch so bescheidene Einkünfte nachweisen konnte, stieß bei den Banken auf offene Türen. Hypotheken für die ach so begehrte "eigene" Wohnung wurden so großzügig gewährt, dass der Eigenanteil der Käufer an der Finanzierung nicht selten gegen null strebte. Wenn alle Stricke reißen, so beruhigte sich eine ganze Nation, verkaufen wir unser "Piso" eben wieder - und machen dabei auch noch Gewinn.

Inzwischen sind alle Stricke gerissen, doch der eingebildete Rettungsplan mag nicht funktionieren. Immobilienkäufer, die ihren Job verlieren, ihr Geschäft aufgeben müssen, krank werden oder durch Scheidung und andere familiäre Probleme in finanzielle Nöte geraten, sehen sich immer häufiger mit der Zwangsräumung konfrontiert, in der Regel beantragt von den Geldinstituten.

Im ersten Halbjahr wurden in Spanien insgesamt 33.918 "Desahucios" beantragt, auf den Balearen 2090. Nicht immer handelt es sich um Immobilieneigentümer, auch viele Mieter schaffen es nicht mehr, ihren monatlichen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Nach Angaben von Adicae, einer Vereinigung von Bankkunden, sind in Spanien nicht weniger als 160.000 Familien bereits mit den rechtlichen Vorboten der Zwangsräumung befasst.

Das Schlimmste ist, dass Räumung und Versteigerung allzu häufig nicht das Ende der Probleme bedeuten, sondern den Beginn einer Schuldenspirale, der die Betroffenen nie wieder entkommen können.

Der Grund: In vielen Fällen reichen die bei einer Zwangsversteigerung erzielten Erlöse nicht aus, um die Hypothek zu löschen. Ein Beispiel: Der Maurer Roberto S. leistete sich in guten Zeiten eine Wohnung zum Preis von 303.000 Euro und verschuldete sich in gleicher Höhe. Nach der Zwangsversteigerung seiner Wohnung verlangt die Bank nun immer noch 162.000 Euro von dem inzwischen arbeitslosen Handwerker. Er verliert also seine Wohnung, muss Miete aufbringen und die Hypothek weiter bedienten - der absolute Ruin.

Kein Wunder, dass sich bei Zwangsräumungen dramatische Szenen abspielen, mal im Stillen, mal TV-gerecht mit großem Tamtam. Auch in Palma konnten einige "Desahucios" nur unter starkem Polizeischutz vollzogen werden, weil Anwohner oder Protestgruppen wie die Bewegung der "Empörten" die Räumung gewaltsam zu verhindern suchten.

Die Angst vor der Räumung sitzt tief. Und so wächst in Spanien der Unmut der Bevölkerung gegen den Automatismus von Räumung und Zwangsversteigerung. Die "Plataforma de Afectados por la Hipoteca" (PAH) fordert unter dem Beifall vieler Anhänger eine Rechtsreform, nach der es möglich werden soll, dass mit der Rückgabe der Wohnung auch die Hypothek erlischt.

Da dies wohl nur ein frommer Wunsch bleiben wird, fordern moderatere Verbraucherschützer wenigstens ein Moratorium für Zwangsräumungen. Und sie bitten die Gerichte, die geltenden Gesetze in dieser schweren Krise mit "einer gewissen Sensibilität" anzuwenden.

Andernfalls, so fürchten sie, werde das Hypotheken-Desaster zu einer ernsthaften Gefahr für den sozialen Frieden im Land.