Zum Internationalen Tag des Glücks am 20. März wird seit 2012 jedes Jahr der „Weltglücksbericht” herausgegeben, in dem das Wohlstandsgefühl in 147 Ländern ausgewertet wird. Und genau dort scheint die Welt auf dem Kopf zu stehen. Deutschland liegt in der „Happy-Liste” (Platz 1 belegt Finnland) auf Platz 22 und ist im Vergleich zum Vorjahr sogar zwei Plätze nach oben geklettert, während Spanien auf Platz 38 abgerutscht ist. Wie kann das denn sein?
Dass jeder „seines Glückes Schmied” ist, ist ja eine alte Volksweisheit. Wie wohl sich jemand in seiner Haut fühlt, ist also subjektiv und wird von jedermann anders definiert. Kommen interkulturelle Ansichten dazu, wird es noch schwieriger, diese Ergebnisse auf einen vergleichbaren Nenner zu bringen.
Zur Ermittlung des Wohlfühl-Indexes einer Nation wurde eine sehr einfache Methode gewählt: Jeder Befragte musste auf einer Skala von eins bis zehn sein persönliches Glück einschätzen. Dabei bedeutet eine 10 das maximale Glück, eine 1 hingegen einen Menschen, der trauriger nicht sein kann.
Was die Fragen betrifft, haben die Forscher des Wellbeing Research Centre der Universität Oxford Daten erhoben, die ihrer Meinung nach zum Glücksgefühl jeder Nation auf der Welt entscheidend beitragen: nationale Wirtschaftsleistung, das Freiheitsgefühl, Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, Gesundheit, die Großzügigkeit der Menschen, Vertrauen in die Gesellschaft und die Wahrnehmung von Korruption.
Dieses Mal legte das Team jedoch den Fokus auf einen neuen Faktor: Inwiefern kann ein fürsorgliches Miteinander und gemeinsames Teilen in der Gesellschaft das Glücksgefühl eines Menschen beeinflussen? Das Ergebnis überraschte. Es ist den meisten Menschen sehr wichtig, dass sie sich darauf verlassen können, dass ihr soziales Umfeld ihnen freundlich und fürsorglich gesonnen ist, und es im Notfall immer jemanden gibt – sei es auf staatlicher oder persönlicher Ebene –, der ihn unterstützt, komme, was da wolle.
Denken wir nun an die oft so lebensfrohen spanischen Mitmenschen, liegt die Vermutung nahe, dass diese Leute sehr glücklich sind. Die sozialen Faktoren, die in Spanien so hervorstechen, wie Familienbande und -zusammenhalt, Mitgefühl, Fürsorge und Geselligkeit, fallen allerdings schlechter aus als angenommen.
Enrique Oliva Ramis aus Palma erklärt MM die Situation: „In Spanien läuft zurzeit so viel schief, dass die Menschen hier überall schwarzsehen”, sagt er ernst. „Die Lebenskosten steigen, aber die Gehälter nicht.” Mallorcas Wohnungsmarktdilemma sei das beste Beispiel dafür:
„Nur noch Ausländer können sich hier ein Leben leisten. Die Einheimischen schon lange nicht mehr”, berichtet er und erzählt von seiner kleinen Bleibe in Palma. „In meinem Alter war es bisher üblich gewesen, sich ein Haus oder eine Wohnung zu kaufen”, sagt der 35-jährige Mallorquiner. Im Hinblick auf die horrenden Mieten sei das nicht verwunderlich. „Diese Sorgen nehme ich natürlich mit nach Hause. Das hat Einfluss auf die Stimmung und auf alles andere. Da kann dich auch die schöne Sonne am Himmel nicht mehr aufmuntern.”
Auf die Frage, sein Glücksgefühl auf einer Skala von eins bis zehn zu bewerten, antwortet er: „7.” Damit kommt er im Vergleich zum landesweiten Durchschnitt von 6,47 sehr nahe. Marc Llombart aus Barcelona sieht es genau wie Ramis, wird jedoch etwas konkreter: Ob jemand glücklich sei oder nicht, hänge natürlich auch von der wirtschaftlichen Lage des Landes ab. „Klar möchten wir weiterhin unser Leben genießen, gemeinsam essen gehen, Familie und Freunde unterstützen. Das ist typisch spanisch”, sagt Llombart. Das Einkommen sei dafür mittlerweile aber einfach zu niedrig. Wer könne da schon abends unbesorgt mit Freunden etwas essen gehen?“
„Vor rund 20 bis 30 Jahren gab es stärkeren sozialen Rückhalt. Wenn jemand Geld brauchte, konnte er sich darauf verlassen, dass einem sogar der Nachbar helfen würde”, sagt der 37-Jährige überzeugt. Heute könne kaum einer noch für sich selbst sorgen.
„Steigende Armut führt zur gesellschaftlichen Instabilität und zu mehr Gewalt auf den Straßen”, sagt er bitter. Und soziales Vertrauen? „Wir können den eigenen Politikern nicht vertrauen, die stehen eigentlich im Dienste des Landes.” Stattdessen gäbe es viel Korruption und Leute, die mehr in die eigene Tasche wirtschafteten. Es gäbe viel mehr egoistische Bürger, und das könne er sogar nachvollziehen. „Und es wird von Jahr zu Jahr schlimmer”, ist Llombart überzeugt.
Auf die Frage, sein Glücksgefühl auf einer Skala von eins bis zehn zu bewerten, antwortet er: „6,9.” Typischer spanischer Optimismus, möchte man meinen.
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