7000 Menschen protestierten am Sonntagabend auf der Plaça Major in Palma. | Francisco Ubilla

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Das balearische Kulturwerk OCB gehört zu den Institutionen auf Mallorca, denen es traditionell gelingt, besonders viele Inselbewohner zu mobilisieren. Wenn es um die Sprache geht, verstehen die Mallorquiner nämlich keinen Spaß. Das zeigte sich am vergangenen Wochenende (4./5. Mai), als mehrere tausend Demonstranten für die Bewahrung des Katalanischen auf die Straße gingen. 7000 Teilnehmer drängten sich Polizeiangaben zufolge auf der zentralen Plaça Major – für mallorquinische Verhältnisse eine Großdemonstration.

Und so war der wieder aufflammende Sprachenstreit auch das beherrschende Thema in der Parlamentssitzung am Dienstag. Ministerpräsidentin Marga Prohens von der konservativen PP war darum bemüht, die Wogen zu glätten. Sie lasse es nicht zu, dass das „Zusammenleben auf den Balearen wegen der Sprachenfrage gestört wird”. Es handele sich bei den Balearen nun einmal um eine Region mit zwei Sprachen und diese Zweisprachigkeit sei ein Reichtum. Die meisten Menschen lebten diese mit völliger Normalität. Darauf könne man stolz sein.

Lluís Apesteguia, Fraktionssprecher der linksregionalistischen Partei Més per Mallorca, forderte die regierende PP derweil auf, die Zusammenarbeit mit den Rechtspopulisten von Vox in Sprachenfragen aufzukündigen. Andernfalls stehe der soziale Frieden auf dem Spiel, wie es zuletzt in der Legislaturperiode unter Ministerpräsident José Ramón Bauzá (2011-2015) der Fall gewesen war. Damals war es zu Massenprotesten auf der Insel gekommen, nachdem die konservative Regierung das Sprachmodell im öffentlichen Schulwesen ändern wollte.

Seit nun Marga Prohens eine konservative Minderheitsregierung anführt und auf die Stimmen der Vox-Abgeordneten im Balearen-Parlament angewiesen ist, gab es eine ganze Reihe von Entscheidungen, die den Gebrauch des Katalanischen einschränken, wie Kritiker anführen. So beschloss die Regierung nur wenige Wochen nach Amtsantritt vor knapp einem Jahr, dass Kenntnisse der Inselsprache keine Einstellungsvoraussetzung für Personal im Gesundheitswesen mehr sein solle. Eine Entscheidung des Verfassungsgerichtes ist in dieser Sache anhängig.

Der zweite viel kritisierte Punkt ist der Versuch, das Katalanische als Hauptsprache im öffentlichen Schulwesen zu beschränken. Künftig sollen Eltern wählen können, ob ihre Kinder überwiegend auf Spanisch oder Katalanisch unterrichtet werden. Die Umsetzung ist allerdings schwierig, und so tritt die Neuregelung zum nächsten Schuljahr erst einmal in abgespeckter Form in Kraft. Geplant ist auch die Einrichtung einer Klagestelle zur Verteidigung des Spanischen auf den Inseln. Für viele Mallorquiner klingt das wie Hohn, ist es doch eher das Katalanische, das einen zunehmend schweren Stand auf den Balearen hat.

„Wir fordern von den Politikern, dass sie der fanatischen Minderheit entgegentreten, die dafür sorgen will, dass unsere Sprache verschwindet”, sagte OCB-Präsident Antoni Llabrés bei der Kundgebung am Sonntagabend. Die konservative PP forderte er auf, den jahrelangen Konsens in Sprachfragen zu respektieren, der seit der Verabschiedung des balearischen Autonomiestatuts im Jahr 1983 gelte. „Hört auf, Konflikte heraufzubeschwören, wo es keine gibt.”

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Vox derweil scheint eine Eskalation der Lage in Kauf zu nehmen. Die Abgeordnete Patricia de las Heras schlug nun vor, man solle das Autonomiestatut dahingehend ändern, dass dort nicht mehr die katalanische als Amtssprache der Balearen festgeschrieben sei, sondern die „balearischen Sprachen”. Die Demonstration vom Wochenende wird also aller Voraussicht nach nicht die letzte Protestveranstaltung gewesen sein. Das Kulturwerk kündigte jedenfalls weitere Aktionen an, sollte die Balearen-Regierung ihre Politik nicht ändern.

Hintergrund: CATALÀ und MALLORQUÍ

Katalanisch beziehungsweise „Català”– „Catalán” ist die spanische Bezeichnung – zählt zu den romanischen Sprachen. Es bildete sich im 9. Jahrhundert aus dem Vulgärlatein heraus. Kerngebiet war die einstige Grafschaft Barcelona. Sie ging politisch im Königreich Aragón auf. Nach Mallorca gelangte das Català in der Folge der Eroberung der Insel im Jahre 1229 durch den aragonesischen König Jaume I. Er ließ Mallorca vor allem mit Siedlern aus Katalonien bevölkern.

Die mundartlichen Charakteristika, die sich im Laufe der Jahrhunderte auf der Insel herausbildeten, werden Mallorquinisch beziehungsweise „mallorquí” genannt. Dass Katalanisch zur Literatur- und Kultursprache wurde, ist einem Mallorquiner zu verdanken: Der Philosoph Ramon Llull (1235-1315) verfasste sein umfangreiches Werk in seiner Muttersprache. Weitere Eroberungen Jaumes und seiner Nachfolger weiteten den Sprachraum nach Südaragón (Albacete) und Valencia sowie auf die übrigen Baleareninseln aus.

Mit der Vereinigung der beiden Königreiche Aragón und Kastilien 1469 verdrängte das Kastilische, also Spanisch, allmählich das Català als Literatursprache. Die Bourbonen-Dynastie, die infolge des Spanischen Erbfolgekrieges 1715 an die Macht gelangte, erhob das Kastilische getreu dem Zen-tralstaat-Gedanken zur Amts- und Unterrichtssprache im spanischen Königreich. So erlebte die katalanische Sprache im 18. Jahrhundert einen Tiefpunkt („decadència”). Ein neu erwachtes Interesse katalanischer Intellektueller führte dagegen im 19. Jahrhundert zur Renaissance der Sprache („renaixença”).

Zur Zeit der Spanischen Republik (1931-1936) erlebte das Català eine ungeahnte Förderung, die mit der Diktatur General Francos abrupt endete. Die Sprache wurde gewaltsam unterdrückt. Mit dem Einzug der Demokratie in Spanien fielen die Beschränkungen des Català weg. Seitdem wurde die Sprache gefördert, um ihren „normalen” Gebrauch, ihre „normalització”, zu erreichen.

Das Mallorquín unterscheidet sich vor allem in der Aussprache vom festländischen Catalán, allerdings gibt es auch Unterschiede im Vokabular (z.B.: „Katze” heißt auf Mallorquín „Moix”, im Standard-Catalán aber „Gat”; „Hund”wiederum heißt auf Mallorca „Ca”, in Katalonien dagegen „Gos”). Auch die Verwendung der Artikel ist auf der Insel anders: „Sa” und „Es” heißt es hier, statt „La” und „El”.