Verspäteter Flug nach Mallorca? Neue EU-Verordnung will Touristen die Entschädigung streichen

Bisher gilt bei Verspätungen im Flugverkehr eine großzügige Entschädigungsregelung für Passagiere. Jetzt sollen die Zeiten, ab denen Geld fließt, angehoben werden

Wer in einem verspäteten Mallorca-Flieger sitzt, könnte künftig leer ausgehen. | Archiv

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Statt um 17 Uhr landete der Flieger aus Dortmund erst um 21 Uhr auf Palmas Flughafen Son Sant Joan. Die Maschine hatte einen technischen Defekt, der sich auf die Schnelle nicht beheben ließ. Also musste erst eine Ersatzmaschine aus Düsseldorf angeflogen kommen, bevor es losgehen konnte. Die Rückkehr aus dem Ruhrgebiet verzögerte sich für zahlreiche Mallorca-Residenten – ebenso wie der Urlaubsbeginn für mehrere Dutzend sonnenhungrige Touristen, die auch in dem Billigflieger saßen. "Das ist zwar ärgerlich", sagte ein junger Mann: "Aber immerhin gibt es ja Kohle von der Fluggesellschaft."

Bereits seit 2004 ist die EU-Fluggastrechte-Verordnung in Kraft, die unter anderem solche Fälle regelt. Bei einer Flugstrecke von bis zu 1500 Kilometern werden 250 Euro Entschädigung fällig. Da hat man die Kosten für den Mallorca-Flug auf einen Schlag wieder drin. Bei bis zu 3500 Kilometern sind es gar 400 Euro, bei Langstreckenflügen 600 Euro. Voraussetzung: Der Flug muss von einem Flughafen in der EU starten oder auf einem solchen landen. In letzerem Fall muss die Airline allerdings auch ihren Sitz in der EU haben. Keine Entschädigung gibt es, wenn außergewöhnliche Umstände zu der Verspätung geführt haben, in erster Linie sind dies Streiks oder Wetterereignisse.

Neufassung der Fluggastrechte-Verordnung stand bereits 2013 einmal zur Diskussion

Mit den großzügigen Entschädigungsregelungen könnte es nun bald vorbei sein: Die EU arbeitet an einer Neufassung der Fluggastrechte-Verordnung. Die Neuerungen würden zwar verschiedene Themenbereiche umfassen, für Verbraucher von besonders großem Interesse ist jedoch die Entschädigungsregelung bei Verspätungen. Und hier droht nun eine aus Sicht der Passagiere deutliche Verschlechterung: Der Vorschlag zur Neufassung der Verordnung, der bereits 2013 einmal zur Diskussion stand, sieht die Möglichkeit vor, die Dauer der Verspätung, ab der die Airlines Entschädigungen zahlen müssen, auszudehnen. Auf kürzeren Strecken, und damit den meisten Flügen zwischen Mitteleuropa und Mallorca, gäbe es erst ab fünf Stunden Verspätung Geld, nicht mehr ab drei Stunden wie bisher. Auf längeren Strecken würde die Dauer sogar auf neun beziehungsweise zwölf Stunden steigen.

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Verbraucherschützer lehnen diese Änderungen strikt ab – wie schon bei dem ersten Versuch 2013. "Die geplante Anhebung der Schwellenwerte würde dazu führen, dass bis zu 85 Prozent der betroffenen Passagiere keinen Anspruch auf Entschädigung mehr hätten", sagt Karolina Wojtal, Co-Leiterin des Europäischen Verbraucherzentrums (EVZ) Deutschland. "Diese Anpassung ist ein gravierender Rückschritt. Denn die meisten Verspätungen im Luftverkehr liegen zwischen zwei und vier Stunden." Airlines könnten dazu verleitet werden, Flüge gezielt zu verspäten, anstatt sie zu annullieren, um Entschädigungen zu umgehen, so Wojtal. Man fordere die Beibehaltung der bisherigen Entschädigungsregelungen für Verspätungen, damit es auch weiterhin finanzielle Anreize für die Airlines gibt, ihre Flüge pünktlich durchzuführen.

Bisher profitierten vor allem die Passagiere von der Verordnung

Die Fluggesellschaften beklagen die EU-Regeln seit langer Zeit. Diese bedeuteten enorme finanzielle Belastungen. Laut einer Stellungnahme des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) gibt es zwar keine aktuellen Zahlen dazu, im Jahr 2018 aber hätten Fluggesellschaften auf Basis der EU-Gesetzgebung mehr als 2,6 Milliarden Euro an Entschädigungszahlungen an ihre Passagiere überwiesen. Betreuungsleistungen, Umbuchungen und Gepäckverlust mitgerechnet seien es sogar mehr als acht Milliarden gewesen. "Häufig übersteigen die Ausgleichsansprüche den Preis des Flugtickets um ein Vielfaches", so der BDL. "Daher sei betont, dass diese Kosten große Auswirkungen auf die wirtschaftliche Lage der Fluggesellschaften haben." Bei einer durchschnittlichen Marge von ungefähr 10 Euro müssten 25 bis 60 Passagiere transportiert werden, um die Entschädigungszahlung für einen verspäteten Passagier zu finanzieren. Deshalb unterstütze man die vorgeschlagene Überarbeitung der Schwellenwerte. "Das aktuelle Revisionsvorhaben der polnischen EU-Ratspräsidentschaft stellt einen faireren Ausgleich zwischen den Interessen von Passagieren und Fluggesellschaften her als die geltende Verordnung", so der BDL. „Die auf fünf, neun beziehungsweise zwölf Stunden angepassten Entschädigungsschwellen berücksichtigen den tatsächlichen operativen Aufwand besser, um als Fluggesellschaft im Störungsfall eine angemessene Weiterreise der Passagiere organisieren zu können. Sie setzen realistische Zeitmarken, zum Beispiel um ein Ersatzflugzeug zu beschaffen, Umbuchungen vorzunehmen oder das betroffene Flugzeug zu reparieren."

Die Passagiere in dem verspäteten Mallorca-Flieger aus Dortmund wären in dem Fall leer ausgegangen, landete er doch rund vier Stunden später als geplant auf der Insel. Tatsächlich aber hatte die Verspätung für sie doch noch den erhofften finanziellen Effekt: Nach einigem Hin und Her überwies die Fluggesellschaft 250 Euro pro Person.