Warum die Folgen der Wohnungskrise auf Mallorca immer drastischer werden
Selbst für Normalverdiener wird es immer schwieriger, auf der Insel eine bezahlbare Bleibe zu finden
Mehr als 10.000 Menschen gingen im Mai in Palma auf die Straße. Das Motto der Demonstration: Mallorca no es ven, Mallorca steht nicht zum Verkauf. | Juan Medina
Dass er mit Ende 30 noch immer in einer Wohngemeinschaft auf Mallorca leben würde, hatte sich Juan Pérez (Name geändert) so nicht vorgestellt. "Eigentlich fühle ich mich zu alt dafür", sagt er. Es gelingt ihm aber nicht, eine kleine Wohnung für sich alleine zu finden. "Das kannst Du vergessen. Die wenigen Angebote, die infrage kommen, sind unbezahlbar. Zumindest wenn Du alleinstehend bist, so wie ich." Vor mehr als zehn Jahren hatte ihn die Arbeitssuche vom Festland nach Mallorca verschlagen. Fündig wurde er bei einem der großen mallorquinischen Touristikkonzerne, bei dem er seitdem einen Bürojob hat. Er arbeitet in Vollzeit, verdient 1300 Euro netto und hat außerdem noch einen kleinen Nebenjob. Trotzdem reicht das Geld nicht, um sich eine Wohnung auf der Insel leisten zu können. "Es gibt eigentlich nichts für weniger als 1000 Euro." Also zahlt er weiter 450 Euro für sein WG-Zimmer und teilt sich Bad, Küche sowie Wohnzimmer mit seinem Mitbewohner. "Manchmal hätte ich einfach gerne meine Privatsphäre", sagt er.
Ein Einzelfall ist Juan Pérez beileibe nicht. Immer mehr Inselbewohner haben große Probleme, eine geeignete Bleibe zu finden, die sie sich auch leisten können. Vor alleim Alleinstehende, Alleinverdiener und Alleinerziehende haben es schwer. Tatsächlich ist die Wohnungssuche auf der Insel derzeit ein ziemlich hoffnungsloses Unterfangen für alle Durchschnittsverdiener. Auf der Internetseite Idealista.com gibt es aktuell inselweit gerade einmal 49 Zweizimmerwohnungen für maximal 1000 Euro im Monat zu mieten, auf Pisos.com sind es 18. Vor einigen Monaten hatte die Gewerkschaft Comisiones Obreras ermitteln lassen, wie hoch die durchschnittlichen Gehälter auf den Balearen sein müssten, um ein halbwegs gesichertes Auskommen zu haben. Das Ergebnis: 2000 Euro netto pro Monat müssten es schon sein. Tatsächlich liegt das durchschnittliche Monatsgehalt gerade einmal bei 1500 Euro netto. Viele Menschen auf den Inseln müssten mehr als die Hälfte ihres Gehaltes für die Miete aufwenden. Als Faustregel gilt eigentlich, dass der Anteil 30 Prozent nicht übersteigen soll.
Kein Wunder, dass der Unmut in Teilen der Bevölkerung zunimmt. Spätestens, als im Mai mehrere tausend Demonstranten in Palma auf die Straße gingen, um gegen die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt zu protestieren, dürfte auch der Letzte die Tragweite des Problems realisiert haben. Politiker aller Parteien beteuern nun, den Mangel an Wohnraum und die extrem gestiegenen Mieten als dringlichste Herausforderung erkannt zu haben. Es vergeht kaum ein Tag, an dem die Inselmedien nicht über das Phänomen berichten.
Die MM-Schwesterzeitung "Ultima Hora" etwa schilderte kürzlich den Fall von Alicia, einer jungen Büroangestellten, die sich trotz Berufstätigkeit und durchschnittlichem Gehalt wie Juan Pérez nur ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft leisten kann. Sie zahle dafür 550 Euro monatlich. "Die Suche war schrecklich. Es gibt zwar Angebote, aber die meisten sind in Bezug auf Preis und Bedingungen völlig überzogen", erklärt sie. In manchen Fällen forderten die Vermieter allein drei Monatsmieten Kaution. Drei Wochen habe sie gebraucht, bis sie schließlich etwas Passendes gefunden hatte. "Die derzeitige Situation ist wirklich bitter. Wenn ich weiterhin auf der Insel leben möchte, werde ich nicht in der Lage sein, Geld zu sparen", sagt sie. Ihr sei bewusst, dass sie ihren gesamten Lebensentwurf neu überdenken muss, wenn sich die Situation auf dem Immobilienmarkt nicht grundlegend ändert. "Wenn ich irgendwann mal allein wohnen will, müssen sich entweder meine Arbeitsbedingungen verbessern oder ich muss einen Kredit aufnehmen", sagt sie. Die Miete für eine ganze Wohnung sei doppelt so hoch, wie eine Zimmermiete. Eine Immobilie zu kaufen, scheide ebenfalls aus. "Dafür müsste ich Geld sparen und das ist bei den derzeitigen Miet- und Lebenshaltungskosten unmöglich."
Die Vermietung von Zimmern statt ganzer Wohnungen ist ein Phänomen, das auf Mallorca an Bedeutung gewinnt, wie Immobilienexperten erklären. Einst vor allem eine bei Studenten beliebte Möglichkeit, sich vom Elternhaus zu emanzipieren, bleibt nun immer häufiger auch berufstätigen Personen keine andere Wahl. Natalia Bueno, Immobilienmaklerin und ehemalige Präsidentin des Branchenverbandes API, bestätigt die Zunahme dieses Angebots. Viele Immobilienbesitzer versuchten auf diese Weise, gesetzliche Auflagen zu umgehen. So gelte bei der Zimmervermietung das spanische Mietgesetz nicht und der Mieterschutz greife nicht im selben Maße, sagt Bueno. Auch die gesetzlich vorgeschriebene Mindestlaufzeit der Mietverträge von fünf Jahren werde so ausgehebelt.
Ähnlich gelagert ist das ebenfalls wachsende Phänomen der Vermietungen für kurze Zeiträume von maximal einem Jahr. Auch hier greifen bestimmte gesetzliche Vorgaben nicht, die bei Langzeitvermietungen dagegen zum Tragen kommen und unter anderem die Zwangsräumung bei Mietverzug erschweren, wie aus einer jetzt vorgestellten Untersuchung des Immobilienportals Idealista hervorgeht. Demnach macht in Palma die Kurzzeitvermietung derzeit bereits 13 Prozent des gesamten Angebots aus. Seit 2019 ist sie um mehr als 200 Prozent gestiegen. Im selben Zeitraum hat sich das Angebot für langfristige Vermietungen um 46 Prozent reduziert. Spanienweit lag das Angebot hier laut Idealista um 33 Prozent unter dem Wert des Jahres 2019.
Tatsächlich reicht ein Blick auf die einschlägigen Immobilienseiten im Internet, um sich einen Eindruck von dem Phänomen zu verschaffen. So häufen sich dort die Anzeigen, in denen gleich am Anfang in Großbuchstaben darauf hingewiesen wird, dass ausschließlich Kurzzeitvermietungen infrage kommen. "Wird nur befristet monatsweise vermietet", heißt es da. Um gegenzusteuern plant die Zentralregierung in Madrid nun eine Verschärfung der Vorschriften für Kurzzeitvermietung. So soll ein gesamtspanisches Register geschaffen werden, in dem alle Wohnimmobilien eingetragen sein müssen, die nicht für mehr als elf Monate am Stück vermietet werden. Außerdem sollen die Eigentümer begründen müssen, warum das so ist.
Die schwierige Lage auf dem Immobilienmarkt der Insel hat allerdings noch sehr viel dramatischere Folgen. Diese sind vielerorts zu beobachten. International für Schlagzeilen sorgten vor einiger Zeit die prekären Verhältnisse, in denen Dutzende Personen im Keller eines Wohnhauses in Palmas Stadtteil El Terreno lebten. Ohne Fenster und Frischluftzufuhr hausten sie in winzigen Rumpelkammern. Vermieter war ein Polizist, der offenbar die Notlage zahlreicher Immigranten ohne Aufenthaltserlaubnis ausgenutzt und bis zu 750 Euro Miete verlangt hatte. Auch in anderen Stadtvierteln betrieb er ähnliche Unterkünfte, insgesamt 68. Das zuständige Ministerium verhängte eine Geldstrafe in Höhe von zwei Millionen Euro gegen ihn.
Wie ernst die Lage ist, lässt sich auch im Neubaugebiet Son Güells beobachten, das am Rande Palmas jenseits der Ringautobahn Via de Cintura liegt. Dort parken am Straßenrand Dutzende Wohnwagen, die von ihren Besitzern als dauerhafte Unterkunft genutzt werden. Einer von ihnen ist José Rodríguez (Name geändert). Der 34-Jährige lebt seit 15 Jahren auf der Insel. Damals habe er für eine ganz normale Wohnung 425 Euro Miete bezahlt, sagt er. "Heute kostet sie 1200 Euro." Rodríguez arbeitet als Hausmeister in einem Hotel und bekommt dort 1800 Euro brutto, wie er sagt. Vor einer Weile beschloss er, seine Ersparnisse lieber in den Kauf eines Wohnwagens zu stecken, als in eine völlig überteuerte Mietwohnung. Er verkaufte sein Auto, nahm einen Kredit auf und den stottert er jetzt ab – was immer noch günstiger ist.
Auch am Schwimmbad Son Hugo, in Ciutat Jardí und Cas Català gibt es solche Wohnwagensiedlungen, in denen dauerhaft Menschen leben. Zuletzt hat das Phänomen derart zugenommen, dass es immer wieder Beschwerden von Anwohnern gibt, die über Lärm und sonstige Belästigungen klagen. Mittlerweile ist das Thema gar zum Forschungsobjekt geworden: Wissenschaftler der Balearen-Universität haben in den vergangenen Monaten versucht, mit allen Bewohnern der Wohnwagensiedlungen zu sprechen. Die Ergebnisse sollen demnächst präsentiert werden.
Für manche aber bleibt selbst der bescheidene Komfort eines Wohnwagens unerreichbar. Das gilt etwa für den Argentinier Hernán Bergas, der seit sechs Jahren auf Mallorca lebt. Vor einiger Zeit verlor er seine Stelle als Pfleger im staatlichen Gesundheitswesen, da er die erforderlichen Katalanischkenntnisse nicht nachweisen konnte. Mit verschiedensten Jobs versuchte er sich über Wasser zu halten, konnte aber schließlich seine Wohnung nicht mehr bezahlen. In seiner Not mietete er für 100 Euro im Monat einen Parkplatz in einer Gemeinschaftsgarage. Dort lebte er fortan in seinem Auto und wusch sich in öffentlichen Toiletten, erzählte er der Tageszeitung "Ultima Hora". Nach einiger Zeit begannen sich jedoch die anderen Nutzer der Garage zu beschweren und so konnte er dort nicht länger bleiben. Glücklicherweise bot ihm wenig später jemand an, bei sich einzuziehen, um eine schwerkranke Angehörige zu pflegen, was er dann auch bis zu deren Tod tat. Noch kann Bergas eine Weile in der Wohnung bleiben. Er hofft nun, bald eine erneute Festanstellung zu finden. Sein Auto gibt er jedenfalls nicht auf, im Notfall übernachte er eben wieder dort, sagt er.
Einer wachsenden Zahl von Menschen auf Mallorca bleibt derweil nichts anderes übrig, als im Zelt oder einem notdürftig zusammengezimmerten Bretterverschlag zu hausen, wie Sozialverbände bestätigen. Allein im Stadtgebiet Palmas soll es derzeit rund 60 solcher Elendssiedlungen geben: in Wäldern, auf brachliegenden Grundstücken, unter Brücken. Ein neues Phänomen ist das zwar nicht, dass nun zunehmend aber auch berufstätige Personen dort unterkommen, das gab es bisher nicht, wie Marga Plaza vom Roten Kreuz erklärt. Dies sei die Personengruppe, die zuletzt am stärksten gewachsen ist. Die Betroffenen hätten aufgrund der steigenden Kosten und der immer höheren Anforderungen der Vermieter keinen Zugang zum Wohnungsmarkt.
Das gilt etwa für die junge Frau, die gemeinsam mit ihrem Partner seit einigen Monaten in einem Zelt am Stadtrand von Palma lebt. "Wir sind hier gelandet, weil wir uns keine Wohnung leisten können", berichtete sie der Tageszeitung "Ultima Hora". Sie hätten nun aber etwas Geld sparen können, damit werde es ihr demnächst gelingen, eine feste Bleibe in einer anderen Stadt zu finden, hofft sie.
Tatsächlich bleibt immer mehr Menschen nichts anderes übrig, als ihr Glück anderswo zu versuchen. Offenbar zieht es eine wachsende Zahl Inselbewohner in andere spanische Gegenden, wo Lebenshaltungskosten und Mieten niedriger sind. So berichten es zumindest die lokalen Medien. Auch Juan Pérez sieht seine Zukunft eher nicht auf Mallorca. Bei seinem Arbeitgeber hat er bereits das Interesse angemeldet, aufs Festland zu wechseln, sollte dort eine Stelle freiwerden. "Spätestens, wenn ich aus meiner jetzigen Wohnung rausmuss, war es das für mich hier auf Mallorca", sagt er. "Denn in der Preisklasse finde ich ganz sicher nichts anderes."
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Mimi
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Vor etwa einen Monat
Würden Volks-und Betriebswirte an den Regierungsstellen und -posten sitzen, wäre das Problem zu lösen. Immer restriktivere Vorschriften, die die Rechte der Eigentümer beschränken, sind keinesfalls zielführend. Wer da fachfremd regiert, verschlimmert nur die Lage. Um kurzfristig Abhilfe zu schaffen, wäre womöglich der Einsatz eines Kreuzfahrschiffes hilfreich, in dem eine größere Zahl von Wohnungssuchenden vorübergehend einziehen könnten Eine komplette Infrastruktur ist auf einem Kreuzfahrschiff ja vorhanden und eine zeitlang wäre das bestimmt recht interessant als zwischenzeitliche Lösung.
1 Kommentar
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Würden Volks-und Betriebswirte an den Regierungsstellen und -posten sitzen, wäre das Problem zu lösen. Immer restriktivere Vorschriften, die die Rechte der Eigentümer beschränken, sind keinesfalls zielführend. Wer da fachfremd regiert, verschlimmert nur die Lage. Um kurzfristig Abhilfe zu schaffen, wäre womöglich der Einsatz eines Kreuzfahrschiffes hilfreich, in dem eine größere Zahl von Wohnungssuchenden vorübergehend einziehen könnten Eine komplette Infrastruktur ist auf einem Kreuzfahrschiff ja vorhanden und eine zeitlang wäre das bestimmt recht interessant als zwischenzeitliche Lösung.