Rainer Lingelbach bürstet das handzahme Schwein regelmäßig und schneidet ihm sogar die Klauen. | Patricia Lozano

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Seit einigen Monaten sorgt ein neuer, grunzender Bewohner des Erlebnisbauernhofes Fresopolis, der zwischen Palma und Llucmajor auf Mallorca liegt, bei großen und kleinen Besuchern für viel Aufsehen. Es handelt sich um den 300-Kilo-Eber "Ferdinand", der auch bei seinen direkten Nachbarn, zu denen Dutzende kleiner Ferkel, Ziegen, Esel, Kühe, Meerschweinchen, Hühner und der Stier „Ferdinando” gehören, für viel Wirbel. MM traf den deutschen Besitzer, Rainer Lingelbach, um mit ihm das zahme Tier in seinem Gehege auf dem Bauernhof zu besuchen. Der 64-Jährige aus Hamburg berichtet: "Ich bin erst seit kurzem in Rente, doch komme ich kaum zur Ruhe. Denn Ferdinand hat mein ganzes Leben komplett auf den Kopf gestellt."

Bei einem Spaziergang nahe Alaró in der Inselmitte, wo der Bundesbürger seinen Zweitwohnsitz hat, begegnete er dem handzahmen Tier im Dezember 2023 zum ersten Mal. Sofort empfand er eine tiefe Sympathie für den Eber, der alleine in der Mittagshitze, zwischen einem Zaun und einer Mauer eingepfercht, sein Dasein fristete. „Von seinem Erscheinungsbild, mitsamt diesen Augen und den Wimpern, ist er mir sofort aufgefallen. Ich fragte mich sogleich, ob das Tier genug zu fressen hatte.” Im nächstgelegenen Lidl-Markt kaufte Rainer Lingelbach Salate, Kürbisse, Äpfel und Paprika, womit er das borstige Wesen fütterte. Auch die darauffolgenden Tage besuchte er das eigensinnige Tier, wobei Lingelbachs Verbindung zu ihm stetig tiefer wurde. "Ich hatte das Essen in Tüten eingepackt. Das Schwein konnte dieses anscheinend riechen, und sprang hoch, womit es auch meine Person beschnuppern konnte," erinnerte sich der Mann zurück.

FRESOPOLIS CERDO FERDINAND SEÃ'OR RAINER

In seinem Gehege samt eigenem Häuschen auf dem Erlebnisbauernhof Fresopolis fühlt sich Ferdinand sichtlich wohl.

Während dieser Stippvisiten reifte der Entschluss des Hanseaten heran, das Schwein aus seinem trostlosen Gehege zu retten. Gesagt, getan! Unmittelbar danach kaufte er „Ferdinand”, wie er den Eber nennt, seinem damaligen mallorquinischen Besitzer, den er ausfindig machte, für 200 Euro ab. "Wie meine Frau und ich erfuhren, sollte das Tier im Februar geschlachtet werden – demnach retteten wir dem Schwein eigentlich das Leben", so Lingelbach. Einer der Gründe für die tiefe Empathie, die der Wahlmallorquiner mit dem quiekenden Vierbeiner empfand, lag in seiner Lebensweise und Weltanschauung begründet.

"Ich ernähre mich aus Gründen des Tierschutzes vegetarisch und war über Jahre hinweg sogar Veganer", führte er MM gegenüber aus. Zudem besaß er auch zwei hochbetagte Möpse und würde sich daher mit der Pflege von Tieren auskennen. Doch der gewaltige Eber, dessen Alter durch einen Tierarzt, der ihn kastrierte und impfte, auf rund acht Jahre geschätzt wurde, sorgte bei Lingelbach für so einiges Durcheinander. "Die Zeit mit Ferdinand war insgesamt sehr schön. Aber die Strapazen, denen ich in den vergangenen Monaten physisch, emotional, zeitlich und sogar finanziell ausgesetzt war, haben mich stark belastet und altern lassen", sagte der neue Schweinehalter rückblickend. „Ich dachte, irgendein Gnadenhof auf Mallorca würde Ferdinand aufnehmen. Bei einem kleinen Ferkel ist das kein Problem, doch bei einem ausgewachsenen riesigen Eber war das Unterfangen aussichtslos.”

Wochenlang suchte er auf WhatsApp-Gruppen nach einem geeigneten Unterschlupf für den Eber, schrieb täglich stundenlang trotz Sprachbarrieren E-Mails und Briefe. Dem folgte eine weitere Odyssee mit dem Schwein, das in einem Auto-Anhänger transportiert wurde, über die gesamte Insel. „Eine Frau mit einer riesigen Finca bei Felanitx erklärte sich bereit, Ferdinand aufzunehmen. Doch als sie das Tier vor Ort sah, schlug sie die Hände über dem Kopf zusammen und änderte ihre Meinung."

In der Not meldete sich eine Deutsche, die mit 250 Katzen in einem Haus mit Garten wohnte, wo das Schwein vorübergehend unterkommen konnte. Einzige Bedingung war, dass Rainer Lingelbach ein Gehege für das Tier bauen sollte. Binnen kürzester Zeit besorgte der Senior Beton, Holz, Nägel und Schrauben und baute ein Gatter mit Häuschen. Selbst einen Elektrozaun stellte er auf.

Doch auch dieser zweite Deal platzte und nach nur vier Monaten musste für „Ferdinand”, der erschreckend viel zugenommen hatte, ein neues Zuhause gesucht werden. Glücklicherweise erklärte Jens Heidenreich, Direktor von Fresopolis, bereit, auf seinem Bauernhof ein Plätzchen für den gemästeten Eber zu finden. So zog "Ferdinand" zum wiederholten Male um.

Dank einer Spendenkampagne (gofund.me/da9a6b1f ), die Rainer Lingelbach ins Leben gerufen hatte, konnte Geld für Futter akquiriert werden. Essenzielle Fähigkeiten im Umgang mit dem Tier eignete sich Lingelbach selbst an. So schneidet er dem Borstentier sogar die Klauen und will ihm zur Registrierung demnächst eigenhändig Ohrenmarken anbringen. Bald soll „Ferdinand” in einem neuen, zweigeteilten Häuschen in Fresopolis mitsamt einer Vielzahl von kleinen Ferkeln untergebracht werden.

Für jegliche Unterstützung, ob beim Bauen, in Form von Spenden oder durch eine Tier-Patenschaft, ist Lingelbach sehr dankbar. (E-Mail: rlingelbach@gmx.de)