Nathan Steele mit Ehefrau Meghan und Kellner Ernesto (v.l.n.r.). | Privat

TW
0

Beim Betreten der Bar trifft der Gast auf typisches Interieur, wie es auf Mallorca üblich ist. Blaue Zungenkissen auf den urigen Bänken, handgemachte Fliesen der Insel auf dem Boden, hier und da ist ein stolzer Hahn als Bild oder Figur zu sehen. Das Tier ist das Symbol der Gemeinde Pollença. So ist es nicht verwunderlich, dass die traditionelle Bar „U Gallet” (zu Deutsch: Der Hahn) genannt wurde.

„Dieses Lokal wurde in den 1990er Jahren aus einem Schweinestall in eine Bar umgebaut”, sagt der neue Besitzer Nathan Steele. Er ist US-Amerikaner, arbeitet in seiner Heimat als Anwalt. „Die Dorfbewohner hatten sich hier regelmäßig auf ein Glas Wein getroffen”, fährt der 52-Jährige fort und lächelt. Aber wieso hat Steele, der als Jurist eine Kanzlei in Oregon führt, ein Lokal in Pollença gekauft?

„Ganz einfach. Mir hat etwas im Leben gefehlt. Ich liebe meine Arbeit, aber sie hat mich nicht ganz erfüllt”, berichtet der dreifache Vater. „Nach einem zweimonatigen Tapetenwechsel mit meiner Familie in Barcelona, wurde ich auf Mallorca aufmerksam”, so Steele, der zuvor nie die Insel besucht hatte. „Long story short – ich schaute mich hier nach einem möglichen Investment um, sah die fast komplett verfallene und leerstehende Bar und verliebte mich in sie”, sagt der Mann, der von einem Moment auf den anderen entschied, das Lokal wiederaufzubauen. „Meine Familie hielt mich für verrückt, aber jetzt finden es alle toll. Meine Frau Meghan unterstützt mich vollkommen, wir genießen die Aufenthalte hier”, schwärmt Steele. „Wir begannen mit dem Umbau der Bar im Dezember 2023 und fliegen seitdem regelmäßig in 20 Stunden aus den USA nach Mallorca”, so Steele. Natürlich arbeite er auch von Pollença im Home-Office weiterhin in seiner Kanzlei. In der Nähe der Bar kaufte er ein Haus. „Als ich neulich vor dem PC saß und mit dem Richter im Gespräch war, trug ich Hemd, Krawatte und Anzugsjacke. Unten rum war ich allerdings nur mit Shorts und Flipflops bekleidet”, erzählt Steele und grinst.

„Was die Arbeit angeht, lasse ich meinen Mitarbeitern alle Freiheit. Wir sind wie eine Familie. Ich achte auf ein gutes Gehalt und möchte die Leute fördern.” Das klappt gut, denn die Mitarbeiter kämen gern zur Arbeit. Nicht nur die Bediensteten und Touristen würden sich wohlfühlen im unweit der Calvari-Treppen gelegenen „U Gallet”. Auch die Einheimischen seien regelmäßige Gäste.

„Die Mallorquiner reagieren sehr neugierig auf mich. Sie sind Deutsche und Engländer in ihren Gefilden gewöhnt, aber kaum Amerikaner”, sagt Steele und nimmt einen Schluck von seinem Café con Leche. „Als die Ansässigen erfuhren, dass ich ihr Traditionslokal renoviere und wiedereröffne, fragten mich einige Leute, ob ‚U Gallet’ nun eine Cowboy-Bar wird. Ich musste lächeln und habe als Witz geantwortet, dass hier zwar kein Cowboy auftauchen werde, ich aber sicherlich mal auf meinem Pferd vorbeigeritten käme”, sagt der Jurist und lacht herzlich. „Als mich daraufhin jedoch ein paar kugelrunde mallorquinische Augen fragend anstarrten, erzählte ich mehr von meinem Vorhaben”, so Steele. Er verriet den Einwohnern seine Pläne. „Es ist eine Bar, wie es die Bürger gewohnt sind. Allerdings mit Rundum-Renovierung und neuem Anstrich”, versichert er.

Interessant sei auch zu beobachten, wie sich ihm die Einheimischen genähert hätten. „Viele brachten mir Gegenstände mit, die früher Bestandteil des ‚U Gallet’ waren', so der Amerikaner. Die älteren Generationen des Dorfes hätten zudem stets eine Story über das Lokal auf Lager gehabt. „Die Senioren sind überzeugt, dass beim Abriss einer Wand vor zig Jahren ein eingemauertes Skelett entdeckt wurde. Das sind jedoch zum Glück nur alles Mythen”, versichert Steele.