Die Militärgebäude auf dem Grundstück in Calvià verfallen vor sich hin. | Jonas Martiny

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Besonders obrigkeitshörig sind sie nicht, die Mallorquiner. Wenn es drauf ankommt, legen sie sich ohne Rücksicht auf Verluste selbst mit dem Militär an. So ist es jedenfalls seit vielen Jahren am äußersten Südzipfel der Gemeinde Calvià zu beobachten, am Rande der Urbanisation El Toro. Dort erstrecken sich über Dutzende Hektar an der Küste die Militärgebiete Rafeubetx und Banco de Ibiza – umzäunt, mit Stacheldraht gesichert und nicht zu übersehenden Schildern gekennzeichnet, die Zivilisten davon abhalten sollen, sich dort unbefugten Zutritt zu verschaffen.

Ohne Erfolg. Immer wieder zerschneiden Unbekannte den Zaun, sodass es ein Leichtes ist, auf das Gelände zu kommen. Was dann auch tagtäglich Dutzende Ausflügler tun: Spaziergänger, Dauerläufer, Gassigeher. Von Zeit zu Zeit bessern Soldaten dann die Absperrungen wieder aus und rollen noch bedrohlicheren Stacheldraht aus, was allerdings stets nur zur Folge hat, dass wenig später anderswo ein neuer illegaler Zugang entsteht.

Die einstige Küstenbatterie von Rafeubeitx mit ihren Kanonen, Bunkern, Schießscharten, Kasernen und Verwaltungsgebäuden entstand ab den 1930er Jahren. Vor allem während des Zweiten Weltkriegs ließ Diktator Francisco Franco auch Mallorcas Küste mit zahlreichen Verteidigungsanlagen bestücken, die mögliche Invasoren abhalten sollten. Das Gelände in Calvià ist bis heute in Militärbesitz, auch, wenn dort längst keine Soldaten mehr stationiert und die Bauwerke zu Ruinen verkommen sind. Truppenübungen aber finden hin und wieder statt, wie es heißt, wenn auch eher selten und selbstredend ohne den Einsatz scharfer Munition. Die Anlage umfasst allerdings auch Katakomben und kilometerlange unterirdische Gänge, die im Laufe der Zeit verfallen sind und somit ein erhebliches Sicherheitsrisiko darstellen, wie das Militär immer wieder betont.

Der Ausblick von dem Militärgelände ist spektakulär.

Viele Bewohner der nahegelegenen Siedlung und Ausflügler aus anderen Teilen der Insel aber schreckt das nicht ab: Die Gegend hat sich in den vergangenen Jahren zu einem beliebten Naherholungsziel entwickelt. Schließlich kann man hier kilometerweit durch fast vollkommen unberührte Landschaft wandern. Zahlreiche Spazierpfade schlängeln sich durch die mit Kiefern, Rosmarin, Lavendel und Heide bewachsene Küstenlandschaft. Die ehemaligen Militärgebäude locken mit ihrem ganz speziellen Charme Leute an, die Nervenkitzel suchen – oder eine Kulisse für ungewöhnliche Schnappschüsse. Der Blick von der Steilklippe auf die tief unten tosende See ist atemberaubend.

Viel Platz für Millionenvillen mit unverbaubarem Meerblick – könnte manch einer denken. Und so gibt es seit vielen Jahren Bestrebungen, die Gegend vor Immobilienspekulation zu schützen. Denn es ist kein Geheimnis, dass das Gelände, das sich im Besitz des spanischen Verteidigungsministeriums befindet, jedoch keine bedeutende Rolle mehr bei der Landesverteidigung spielt, früher oder später zum Verkauf stehen wird. Genauso ist es in den vergangenen Jahren mit vielen einstigen Militäranlagen geschehen, auch auf Mallorca.

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Die Festungsanlage am Cap Enderrocat an der Küste von Llucmajor etwa beherbergt heute ein Fünf-Sterne-Hotel. 2006 berichteten Inselmedien über den Verkauf eines Munitionsdepots in der bei Palma gelegenen Serra de Na Burguesa für 1,2 Millionen Euro an das Immobilienunternehmen Kühn & Partner. 2019 lehnte die Gemeinde Calvià jedoch eine Nutzung als Hotel ab. Auf Menorca wiederum wurde die ehemalige Militäranlage von Llucalari zu einem Landhotel umgebaut.

Mallorcas Linksparteien und Umweltschutzvereinigungen wie der GOB befürchten, ein ähnliches Schicksal könnte auch dem Militärgebiet Rafeubetx/Banco de Ibiza drohen. Zwar steht die gesamte Gegend bereits seit vielen Jahren unter Naturschutz, das allein aber ist keine Garantie für die Bewahrung des jetzigen Zustands – wie andere Beispiele aus der Vergangenheit gezeigt haben. Und so beschloss im Frühjahr 2023 die damalige Balearen-Regierung, die fraglichen Gebiete samt den umliegenden Grundstücken, die sich in Privatbesitz befinden, zu einem Naturpark zusammenzufassen, zum Parc Natural de Ponent.

Die Absicht dahinter: In einem Naturpark wären eine touristische Nutzung und größere Bauprojekte ausgeschlossen. Zudem würde es finanzielle Mittel für die Verwaltung, Bewahrung und Überwachung des Parks geben, sowie klare Regeln für die Nutzung durch die Öffentlichkeit. Denn die zahllosen Ausflügler bringen nicht nur sich selbst in Gefahr, wenn sie auf dem Militärgelände querfeldein stapfen, sondern auch Flora und Fauna der Gegend, wie Umweltschützer zu bedenken geben.

Nun aber haben die Pläne erst einmal einen gehörigen Dämpfer erlitten. Das Verteidigungsministerium in Madrid nämlich denkt gar nicht daran, die fraglichen Grundstücke zur Einrichtung eines Naturparks zur Verfügung zu stellen, geschweige denn der mittlerweile von der konservativen PP geführten Balearen-Regierung ohne Gegenleistung zu überlassen. Die wiederum hat den negativen Bescheid aus Madrid dazu genutzt, das Projekt, das ja nicht ihres ist, kurzerhand komplett aufzugeben. Das wiederum treibt nun Umweltschützer und Opposition auf die Barrikaden, die darin den Versuch wittern, eine künftige Privatisierung des Grundstücks vorzubereiten. Beim GOB etwa bezweifelt man, dass das Verteidigungsministerium überhaupt die Kompetenz hat, die Einrichtung eines Naturparks ablehnend zu bescheiden, solange dies nicht die nationale Sicherheit beeinträchtigt – was im Falle eines ohnehin praktisch aufgegebenen Militärgebietes nur schwerlich zutreffen dürfte. Mit dem Cabrera-Archipel gebe es außerdem ein hervorragendes Beispiel dafür, dass sich militärische Nutzung und Naturschutz nicht ausschließen: die südlich von Mallorca gelegene Inselgruppe ist schließlich Militärgebiet und Nationalpark.

In einem Punkt ist das Militär aber doch zu Zugeständnissen bereit: Nachdem man es offenbar leid ist, die immer wieder mutwillig zerstörte Umzäunung des Geländes auszubessern, gibt es nun eine deutlich defensivere Strategie. Seit einiger Zeit ist der Zutritt zu dem Militärgelände nämlich offiziell erlaubt. Am Zugangstor hängt ein entsprechendes Schild und es gibt eine Eingangstür für Fußgänger. Stattdessen steht jetzt auf beiden Seiten des Hauptweges ein zwei Meter hoher Zaun. Ob der die Leute allerdings auf Dauer davon abhalten wird, das Gelände auch eingehender zu erkunden, darf bezweifelt werden.