Ein Familienfoto aus alten Zeiten der spanischen Familie. | privat

TW
0

Würde man in Palmas Altstadt einen Straßenkünstler darum bitten, mit seiner Zeichenkohle einmal ganz grob die gängigsten deutschen Stereotypen auf der Leinwand festzuhalten, wäre das Ergebnis wohl eine sparsame, fleißige und vor allem pünktliche Karikatur in Sandalen und weißen Socken. Wenn auch überspitzt, zeichnen diese wenigen Striche ein Bild über die Deutschen, das unserer europäischen Nachbarn wohl in den meisten Fällen sofort identifizieren könnten. Und nicht nur das: Ist man diesen Charakteristika nur lange genug schutzlos ausgeliefert, scheinen sie auch auf andere Nationalitäten abzufärben. "Ich kann mich nicht erinnern, dass mein Vater mal Sandalen und Socken getragen hat, aber er war definitiv ein Spanier, der in vielerlei Hinsicht die deutschen Tugenden adaptiert hatte", erinnert sich Benjamín Martínez Sansó.

Er ist das jüngste der drei Kinder von José Luis Martinez Moreno und seiner Frau Gerónima Sansó Pont. Geboren wird er zwar noch in Offenbach am Main in der Nähe von Frankfurt, doch Mama Gerónima besteht darauf, nach sieben Jahren Leben in Deutschland die Kinder künftig unter der mallorquinischen Sonne groß werden zu lassen. "Ich glaube, Mama hatte genug von dem grauen Wetter und zudem waren wir als Spanier damals lange nicht so willkommen in Deutschland, wie es heute der Fall wäre", erklärt Martínez.

Ähnliche Nachrichten

Im Jahr 1967 kommt die Familie in Palma an, wo sie noch heute lebt. "Nach verschiedenen Jobs hier auf der Insel war mein Vater 1978 auf der Suche nach einer neuen beruflichen Herausforderung und ist zum Mallorca Magazin gegangen, um dort ein Stellengesuch aufzugeben." José Luis Martínez Moreno kam dabei sogleich ins Gespräch mit seinen künftigen Kollegen und nachdem man festgestellt hatte, er beherrsche die deutsche Sprache in Wort und Schrift, wurde das Schalten des Stellengesuchs überflüssig. Das Mallorca Magazin hatte einen neuen Mitarbeiter in der Anzeigen- und Werbeabteilung gefunden.

Die damals noch junge deutsche Wochenzeitung erfährt durch Martinez Moreno und seiner Liebe zu den Deutschen in den kommenden drei Jahren einen regelrechten Wachstumsschub. "Mein Vater hat damals vor allem damit angefangen, die Daten und Abonnementszahlungen zu organisieren und so die Abonnements und Einnahmen gesteigert." Dabei habe er stets wie ein Uhrwerk funktioniert, geprägt von einem außergewöhnlichen Organisationstalent, einer bemerkenswerten Korrektheit und einem pedantischen Hang zur Pünktlichkeit. "Ich erinnere mich, dass seine Arbeitszeiten immer zwischen 9 und 14 Uhr lagen." In all den Jahren bis zu seiner Rente sei sein Büro nicht ein einziges Mal unpünktlich geöffnet oder geschlossen worden. "Ich meine damit wirklich, dass er auf den Punkt war. Es war keine Option erst 9 Uhr und eine Minute zu öffnen oder 13 Uhr und 59 Minuten bereits die Tür abzuschließen." Seine Freizeit verbrachte José Luis Martinez Moreno am liebsten mit seiner Familie und zahlreichen Ausflügen rund um die Insel. Seine Lieblingsorte waren Valldemossa, Andratx, das Cap de Formentor und Alcúdia. „Mein Vater war außerdem ein begeisterter Wanderer. Wenn es ihn in das Tramuntana-Gebirge zog, dann war er oft rund um den Puig Major oder die Schlucht von Sa Calobra unterwegs."

José Luis Martinez Moreno arbeitet mit glühender Leidenschaft und unermüdlichem Eifer bis zu seiner Pensionierung vor 20 Jahren im Jahr 2003 für die Grup Serra und das Mallorca Magazin. Für sein Engagement wird er von dem Verlagsgründer Pere Antoni Serra sowie seiner Tochter Carmen Serra mit verschiedenen Preisen, unter anderem einer Art Pokal für die 25-jährige Firmenzugehörigkeit, geehrt. Martínez Moreno stirbt im November 2013 im Kreise seiner Familie. Zur Beerdigung erscheinen nicht nur Freunde und Wegbegleiter, sondern auch ehemalige Arbeitskollegen und die Familie Serra. Benjamín Martínez Sansó erinnert sich: "Ich weiß noch, dass Carmen Serra auf uns zukam und uns ihr Beileid aussprach. Dann hat sie zu mir gesagt: ‚José Luis war manchmal deutscher als die Deutschen."" Darüber müsse er noch heute manchmal schmunzeln, genau wie über die Tatsache, dass sein Vater bis zu seinem Lebensende am allerliebsten Frikadellen mit Kartoffelsalat gegessen habe.