Auf der Plaça d'Espanya in Palma kommt es häufig zu brenzligen Situationen zwischen Fußgängern und Radlern oder E-Roller-Fahrern. | J. Morey

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In Palma tobt der Kampf um den öffentlichen Raum. Fußgänger, Autofahrer, Rad- und E-Rollerfahrer ringen Tag für Tag um die Vorherrschaft auf den Straßen und Bürgersteigen der Stadt. Besonders gut lässt sich das mitten auf der zentral gelegenen Plaça d’Espanya beobachten. Der Platz direkt gegenüber des Hauptbahnhofs dient nicht nur für Konzerte, den Weihnachtsmarkt und Demonstrationen, hier sitzen auch Rentner im Schatten auf den Bänken, Prediger verkünden das Weltende und Kinder jagen hinter Tauben her. Außerdem verläuft hier auch ein ohne viele Umstände achtlos auf das Pflaster gemalter Fahrradweg.

Und so rasen E-Roller- und Radfahrer mitten durch das Getümmel, während sich ein paar Schritte weiter ganze Autokolonnen zum Parkhaus unterhalb des Mercat del Olivar zwängen. Als Fußgänger kann man sich da schon einmal etwas fehl am Platze vorkommen. Zu allem Überfluss wird die Plaça d’Espanya derzeit auch noch komplett umgebaut, sodass weite Teile des Platzes abgesperrt sind und es noch enger zugeht.

"Der Radweg auf der Plaça d’Espanya muss verschwinden", fordert denn auch eine kürzlich gegründete Bürgerinitiative. Außerdem müsse es in der ganzen Stadt mehr Polizeikontrollen sowie strengere Strafen für Roller- und Fahrrad-Fahrer geben, die gegen die Verkehrsregeln verstoßen. Der Auslöser war die massive Zunahme von E-Rollern in den vergangenen Jahren. Immer wieder einmal kommt es in Palma zu Unfällen, vor allem mit Fußgängern. Aber auch auf die Radfahrer haben es die Aktivisten abgesehen. "Wir müssen für die Personen, die in unserer Stadt zu Fuß unterwegs sind, den Raum, den Frieden und die Ruhe zurückerobern", so die Forderung der Bürgerinitiative.

Dass Fußgänger oberste Priorität haben sollten, sieht auch Toni Cánaves so, der Präsident der Fahrradfahrervereinigung Biciutat. „In erster Linie müsste es viel mehr Fußgängerzonen in Palma geben”, sagt er. „Außerdem darf man einen Fahrradweg nicht so bauen, dass er in erster Linie den Autoverkehr stört.” Genau das aber ist der Ursprung des Fahrradweges auf der Plaça d’Espanya. Ursprünglich verlief dieser nämlich auf den vielbefahrenen Avingudes, dem Innenstadtring. Da dort dadurch weniger Platz für die Autos war, schaffte der damals neugewählte PP-Bürgermeister Mateo Isern ihn 2011 in einer seiner ersten Amtshandlungen wieder ab – und verlegte ihn auf den angrenzenden Platz. „Man müsste die Stadt radikal neu entwerfen”, sagt Cánaves. Noch immer werde dem Autoverkehr viel zu viel Platz eingeräumt. „Das Auto hat noch immer viel zu viele Privilegien.”

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Zwar haben alternative Fortbewegungsmittel in den vergangenen Jahren einiges an Bedeutung gewonnen auf Mallorca, dennoch bleibt das Verhältnis zwischen den mehrheitlich ausgesprochen autoaffinen Inselbewohnern und dem Fahrrad gespalten. Vielsagend ist dabei auch folgendes Beispiel: Wer zu einem der größten Fahrradhändler Palmas aufbricht und dies per Fahrrad tut, der sucht dort vergeblich nach einer Abstellmöglichkeit. Autoparkplätze gibt es reichlich. Aber Fahrradständer? Fehlanzeige.

Dabei hat das Fahrrad auf Mallorca eine lange und glorreiche Geschichte. Allerdings in erster Linie als Sportgerät. An sonnigen Herbst-, Winter- und Frühlings-Wochenenden machen sich ganze Horden von Hobbyradlern auf in die Berge, um Kilometer zu machen. Wer dann etwa mit dem Auto von Caimari hinauf zum Heiligtum nach Lluc fahren möchte, der sollte für die kurvige Bergstrecke, auf der das Überholen fast unmöglich ist, tunlichst das Doppelte bis Dreifache an Zeit einplanen. Auch das Angebot in den Fahrradläden der Insel belegt eindrucksvoll, wo die Prioritäten liegen: Die Auswahl an Hightech-Rennmaschinen ist ebenso groß wie die an Mountainbikes. Wer ein ganz normales Stadtrad sucht, muss sich in der Regel mit einem Blick in den Katalog und wochenlanger Wartezeit abfinden.

Dazu kommt, dass sich Mallorca in den vergangenen Jahren zu einem überaus gefragten Reiseziel für Radsportler entwickelt hat, die die gute Infrastruktur und das angenehme Klima auf der Insel zu Trainingsaufenthalten nutzen. Das Netz aus kleineren, extra für Radtouren ausgeschilderten und gut in Schuss gehaltenen Landstraßen gilt als hervorragend. Dutzende Hotels haben ihr Angebot an die Bedürfnisse der Hobbysportler angepasst. Viele Gastronomen in den Orten an den beliebtesten Routen schaffen es dank der Radfahrer über den Winter. 200.000 bis 300.000 Touristen kommen Schätzungen zufolge zwischen Oktober und Mai zum Radfahren auf die Insel und geben 300 Millionen Euro aus. Selbst für die meisten Profiteams gehört das Trainingslager auf Mallorca seit vielen Jahren fest zum Saisonvorbereitungskalender. Zahlreiche Radrennen haben sich im Laufe der Jahre etabliert (siehe Seite 17).

Doch die unterschiedliche Wahrnehmung des Fahrrads als Sportgerät und des Fahrrads als alltägliches Fortbewegungsmittel, die bleibt nachwievor erhalten – vor allem in der Inselhaupstadt. Dabei hat sich ganz nüchtern betrachtet einiges getan in den zurückliegenden Jahren. Gab es im Jahr 2010 noch 42 Kilometer Radwege in Palma, sind es mittlerweile mehr als 100. Bis zum Jahr 2030 sollen noch 50 weitere hinzukommen. Und spätestens dann, wenn auf den Avingudes die Straßenbahn gebaut wird, soll auch der Fahrradweg von der Plaça d’Espanya wieder auf die Straße verlegt werden.