Ich gebe es gerne zu, bei knallblauem Himmel, Sonnenschein und gefühlten 20 Grad Weihnachtsgefühle zu entwickeln, ist nicht so einfach. Darum habe ich heute Morgen mein Zuhause endlich etwas weihnachtlich aufgepimpt. Rote Kugeln und Sterne zieren die Fenster und glitzern vor sich hin. Das blinkende Rentier durfte nach einem sehr langen Sommerschlaf im Bettkasten nun auch wieder seinen Dienst aufnehmen und tut, was es am besten kann: Staubfangen, Herumstehen und Blinken, als gäbe es kein Morgen. Dabei kann ich zwischen verschiedenen Programmen wählen, die mich allerdings alle nach maximal drei Minuten so nerven, dass der arme Kerl wieder nur brav weiß leuchten darf. Dazu alte, amerikanische Weihnachtsklassiker, herzerwärmend geschmettert von der großartigen Mahalia Jackson und Kollegen. Geht doch!
Wie in jedem Jahr, frage ich mich auch in diesem wieder, welche Bedeutung Weihnachten und die Adventszeit eigentlich (noch) haben. Eines steht fest, ich mag das Leuchten und Strahlen der Lichter, Kugeln, Sterne und was sonst noch so alles zur Weihnachtszeit aufgeboten wird. Ganz praktisch gesehen, macht das ja auch Sinn, in der dunklen Jahreszeit. Aber ich werde auch ein wenig nachdenklich. Warum denken wir häufig nur in dieser Zeit daran, etwas für andere Menschen zu tun? Warum können wir uns nicht das ganze Jahr über engagieren und helfen, Geld spenden und dafür sorgen, dass die Welt ein wenig besser wird? Die meisten Erwachsenen, die ich kenne, sind eher gegen dieses ganze weihnachtliche Getue und froh, wenn der Rummel wieder vorbei ist. Ok, ein oder zwei Gläser Glühwein oder Eierpunsch mit Freunden auf dem Weihnachtsmarkt, aber dann reicht es auch mit dem Theater.
Dass die Adventszeit die Vorbereitung ist auf Weihnachten, sprich, die Geburt Christi, sollte ja hinlänglich bekannt sein. Ich denke aber, dass es heute vielmehr eine Zeit liebgewordener Rituale für die meisten Menschen ist. Neben der Weihnachtsbeleuchtung in den Straßen (über deren Sinn und Unsinn bezüglich Klimaerwärmung und Energieverschwendung wir ein anderes Mal reden könnten), gibt es eben besagte Weihnachtsmärkte und die mehr oder weniger geschmackvoll geschmückten Häuser und Wohnungen. Es riecht (zumindest in Deutschland) nach Plätzchen und Bratapfel und (hier wie da) quellen die unvermeidlichen Weihnachts-Schlager aus allen Lautsprechern. Und wir sind bereit, soweit möglich, etwas tiefer in die Taschen zu greifen, um etwas abzugeben von dem, was wir haben, und was anderen fehlt. Rituale sind wichtig und hilfreich (siehe auch MM 48/2021) und gerade nach zwei Jahren, in denen wir so manche liebgewonnene Gewohnheit rund um Weihnachten verschmerzen mussten, freuen wir uns, dass so vieles jetzt wieder machbar ist.
Übrigens versuchen die Menschen schon seit vielen Jahrtausenden, in den dunklen Winternächten rund um die Jahreswende die bösen Geister zu vertreiben. Mit Einführung des Christentums kamen weitere Bräuche dazu. Und dass diese oft gar nicht so alt sind, wie wir annehmen, liest man auf der Internetseite Planet Wissen: Althergebrachtes Brauchtum gilt uns heute als etwas Ursprüngliches, Volkstümliches. Doch das stimmt nicht immer: Das Christkind zum Beispiel ist nicht aus einem Volksbrauch entstanden. Es wurde von Martin Luther als Weihnachtsfigur erfunden, die statt des Heiligen Nikolaus die Weihnachtsgeschenke bringt. Die Protestanten lehnten die katholische Heiligenverehrung ab. Meist stellt ein verschleiertes Mädchen in weißem Kleid das Christkind dar. Noch jünger als das Christkind ist der Weihnachtsmann. Allerdings weiß man nicht genau, wer diesen abgewandelten Nikolaus erfunden hat. Als erster erwähnte ihn Hoffmann von Fallersleben in seinem bekannten Lied „Morgen kommt der Weihnachtsmann” (1835). Seitdem steht er als Gabenbringer in starker Konkurrenz zum Christkind und hat es vielerorts ersetzt. Mit dem „Santa Claus” aus den USA bekam er seit 1863 wirksame Unterstützung.
Auf der Internetseite des Herstellers eines braunen Erfrischungsgetränks liest man übrigens dazu: Oft werden wir gefragt, ob der Weihnachtsmann eine Erfindung von [...] ist. Nein, das stimmt natürlich nicht! Santa Claus basiert auf dem heiligen St. Nikolaus, der im 4. Jahrhundert im Gebiet der heutigen Türkei lebte. Er war für seine Großzügigkeit gegenüber Kindern und Armen bekannt. Am Todestag von St. Nikolaus, dem 6. Dezember, wird er weltweit am „Samichlaus-Tag” (Schweiz) oder am „Sinterklaas” (Holland) gefeiert. Im 17. Jahrhundert brachten niederländische Auswanderer ihren Sinterklaas-Brauch nach Nieuw Amsterdam (heute New York). Aus Sinterklaas wurde im Laufe der Zeit der amerikanische Santa Claus. [Das Unternehmen] ließ sich damals (1931) von verschiedenen Weihnachtsfiguren inspirieren und verhalf dem heutigen Weihnachtsbotschafter zu seinem charakteristischen Aussehen. Die heutzutage bekannte Figur des [...] Santa Claus gibt es bereits seit 1931 und zum Leben erweckt hat diese Figur der Künstler Haddon Sundblom. Er gab dem Weihnachtsmann seinen freundlichen Gesichtsausdruck, den weißen Bart und kleidete ihn in [...]-Rot. Jetzt wissen wir es genau.
Für mich ist der Weihnachtsmann untrennbar mit einer Erinnerung und einem Foto verbunden. Ich muss vier oder fünf Jahre alt gewesen sein, als meine Mutter mich dazu zwang, zu selbigem zu gehen, mich auf seinen Schoß zu setzen und zu lächeln, damit das Ganze ordnungsgemäß auf Zelluloid festgehalten werden konnte. Mein Gesichtsausdruck spricht Bände und ich glaube sagen zu können, dass ich mich nicht besonders wohlgefühlt habe, vielleicht sogar Angst hatte. Meine Mutter aber war mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Ich fürchte, dass Kinder auch heute noch zu solchen Aktionen genötigt werden und kann nur hoffen, dass die aktuellen Weihnachtsmänner etwas freundlicher dreinschauen und den Kindern nicht das Gefühl vermitteln, dass es direkt nach dem Foto Ärger geben wird.
Ich wünsche Ihnen und Ihren Kindern (sofern vorhanden), dass sie eine schöne Zeit haben mit all den Ritualen, die Ihnen guttun und die Ihnen Freude bereiten. Und, dass Sie das Leuchten und Glitzern an den langen, dunklen Abenden genießen können.
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