Der mit weißer Kreide bemalte Aufsteller vor der Hafenbar Es Molet zeigt eine handgezeichnete, dampfende Kaffeetasse und ein Stück Kuchen. Darunter das Angebot, beides für nur vier Euro serviert zu bekommen. Kein schlechter Deal, besonders dann nicht mehr, als sich herausstellt, dass die Mitarbeiter der Bar nicht nur gut Zeichnen können, sondern auch ihr Handwerk in Sachen Café con leche und Schokokuchen verstehen.
Während die Tasse leerer und die Süßspeise weniger wird, fällt auf, dass heute nicht nur die Boote, die an ihren Liegeplätzen gemächlich hin und her schaukeln, dafür besonders viel Zeit zu haben scheinen. Auch die wenigen Menschen, die sich zur Mittagszeit auf den Straßen der Ortschaft bewegen, tun das ohne jede Hast. Das kann daran liegen, dass es an diesem Tag im Juli zu heiß für schnelle Bewegungen ist, oder aber, dass man hier an der Bucht von Alcúdia im Norden einfach etwas mehr Zeit hat als andernorts auf Mallorca.
Der von oben auf der Landkarte wie ein umgekipptes großes „L” geformte Ort schmiegt sich an einen naturbelassenen Küstenabschnitt. Es gibt Sandstrand und schroffe Felsen. Wer Schatten sucht, der bringt ihn sich entweder in Form eines eigenen Sonnenschirms mit oder sucht unter einer der Pinien Schutz vor der Juli-Sonne.
Petra und Freddy Becker, ein deutsch-belgisches Paar, sitzen im Schatten eben jener Bäume und beobachten abwechselnd das türkisblaue Wasser und ihren Yorkshire-Terrier beim Spielen. „Wir sind jetzt seit zwölf Jahren hier in Son Serra de Marina. Wir wohnen gleich dort drüben”, erklärt Petra Becker und zeigt auf ein Häuschen in erster Meereslinie, wo gerade weiße Bettlaken von der warmen Brise an der Sonne getrocknet werden.
„Son Serra de Marina war immer so ein bisschen der Hippie-Ort auf Mallorca”, erzählt der Belgier. Doch besonders in den vergangenen fünf Jahren habe sich hier allerdings einiges getan. Und tatsächlich, beim Schlendern durch die Straßen fällt auf, dass neben den typischen blauen und gelben Holzfensterläden der mallorquinischen Häuser immer öfter kalter Beton und große verspiegelte Fensterfronten das urige Ortsbild unterbrechen. „Noch gibt es hier nur Ferienvermietung und keine Hotels. Wir hoffen inständig, dass das so bleibt”, sagt die Dortmunderin. Es gebe seitens einiger Politiker der Region Bestrebungen, den Ort touristisch weiter zu erschließen. Bisher sei das aber noch nicht gelungen. Petra Becker und ihr Mann hoffen derweil, dass der ganze Landstrich unter Naturschutz gestellt werde, damit er so ursprünglich wie möglich bleibe.
Irgendwie wirkt die rund 700-Seelen-Gemeinde wirklich ein bisschen wie das gallische Dorf aus dem französischen Comic Asterix und Obelix. Nur, dass sich Son Serra de Marina nicht gegen die Übermacht der römischen Eroberer, sondern gegen übermäßigen Tourismus zur Wehr setzt. „Wir brauchen keine betonierte Promenade. So wild und rau wie die Küste hier ist, ist sie perfekt”, sagt Petra Becker.
Wer den Ortskern sucht, der findet zwar einen Dorfplatz, das Zentrum der Gemeinde sei aber ein anderer, erklärt das Paar. „Wenn du wissen willst, was hier so los ist, gehst du zu Antonia in die Sa Botigueta. Dort treffen sich Mallorquiner, Residenten und Urlauber gleichermaßen. Da ist immer was los und das Essen ist auch gut”, erzählt Petra Becker, und ihr Partner ergänzt, „da trifft man auch immer mal wieder auf einen Prominenten, der sich hier niedergelassen hat. Claus Wilcke, der Percy-Stuart-Schauspieler, wohnt hier beispielsweise.” Auch einem Tatort-Kommissar und einem der Juroren der TV-Sendung „Höhle der Löwen” sei sie jüngst über den Weg gelaufen.
Neben den rauen Felsen, dem herrlichen Farbspiel des Mittelmeers und den Skulpturen des Künstlers Joan Bennàssars, bietet die erste Meereslinie von Son Serra de Marina vor allem gute Küche. Petra Becker dreht den Kopf und zeigt mit dem Finger hinter sich. „Gleich hier ist das Blue Tamarindo, das können wir wirklich wärmstens empfehlen.” Der Koch sei ein Genie, was die italienische Küche betreffe, und der deutsche Besitzer Federiko Multhaup ein ebenso hervorragender Gastgeber.
Am Donnerstag, an dem diese Ausgabe des Mallorca-Magazins erscheint, wollen sich Petra und Freddy Becker ihr Exemplar am Flughafen kaufen, denn dann geht es für die beiden erst einmal zurück nach Deutschland. „Wie überall anders auf Mallorca ist der August der Monat, der am heißesten und am vollsten ist. Son Serra de Marina ist da leider keine Ausnahme.” Es sei der einzige Zeitraum, an dem an den Stränden wirklich viel los sei. „Besonders für die Restaurants ist das die wichtigste Zeit. Da kommt das meiste Geld rein. Das verstehen wir. Allerdings ist uns das dann doch zu anstrengend.” Die Beckers kommen voraussichtlich im September wieder in ihr Häuschen mit Meerblick. Dann, wenn der größte Rummel den kleinen Ort für dieses Jahr passiert hat, und sie sich wieder ganz in Ruhe bei Bier und Wein im inoffiziellen Ortszentrum mit Nachbarn und Freunden über die Neuigkeiten des beschaulichen Ortes im Nordosten Mallorcas austauschen können.
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