Juan Taberners Tag beginnt früh. Meistens noch vor den ersten Sonnenstrahlen durchquert der Mallorquiner seinen kleinen Garten, schaut nach den Tomaten, prüft, ob die Vögel in der Tränke gut versorgt sind. Dann macht er sich an sein Frühstück. „Ich bin auf dem Land aufgewachsen, in der Nähe von Palma. Wir hatten Kühe und wenn es eines im Überfluss gab, dann war es Milch.“ Auf dem Tisch im Garten hat er bereits alles vorbereitet. Wie bei einem typischen mallorquinischen Büfett steht dort ein klassischer kulinarischer Tagesablauf.
„Morgens nehme ich meine Tonschale, eine ‚Escudella’, und fülle sie fast randvoll mit Milch. Ein wenig Zucker hinzu, weißer wohlgemerkt. Früher war es Vollmilch direkt von der Kuh mit viel Fett, jetzt nehme ich die semi-desnatada.” Dann rupft Juan eine Ensaimada in kleine Stücke und weicht sie in der Milch auf. Seine Frau ruft aus dem Hintergrund: „Da passt mindestens ein halber Liter rein.“ Die Schmalzschnecke kommt nicht von irgendeiner Bäckerei. Juan kauft ausschließlich bei der Pastelería Coll in Palma. Alternativ darf es auch mal ein Croissant sein, laut dem Palmesaner ebenfalls ein ur-mallorquinisches Gebäck. Der kleine Halbmond aus Teig sei bereits von den Mauren auf die Insel gebracht worden. Wenn es schnell gehen muss, gehen auch ein paar Kekse der Marke „Maria“. „Da wandert schon mal eine ganze Stange in die Milchschale“, lacht er.
Als Juan jung war und körperlich arbeitete, fing der Magen spätestens um elf Uhr an zu rumpeln. Dann packte man eine Coca, die mallorquinische „Pizza”, mit Paprika, Zwiebeln und Olivenöl aus. Auch das beliebte Pa amb oli war für die Zwischenmahlzeit, das Berenar, willkommen. Heute hat sich Juan etwas eingeschränkt. Bei einer Wanderung nimmt er ein paar Ölkekse, die aus Inca stammenden Quelitas mit, dazu ein paar Scheiben Käse. Er erklärt noch einmal, wie genau der Ablauf beim Pa amb oli sein muss. Natürlich nur mit der Ramallet-Tomate einreiben, die Haut der Tomate wird dann entsorgt. Wer berufstätig ist und es sich erlauben kann, gönnt sich um elf Uhr eine ausgedehnte Frühstückspause. Dann füllen sich die Bars, man bestellt einen Café con leche im Glas, dazu eine Tostada, eine getoastete Brotscheibe mit Tomate, Olivenöl, Käse oder Wurst.
Es ist 14 Uhr. Der Tisch ist gedeckt, Juans Frau, Rosa Vadell, lässt die kleinen feinen Nudeln in die Fleischbrühe rieseln. In Madrid wird später gegessen. Oft erst um 15 Uhr oder sogar erst um 16 Uhr. Man lässt sich beim Essen Zeit, mindestens eine Stunde Mittagspause ist üblich.
„Bei uns hat das vielleicht mit dem Tourismus zu tun, oder weil wir mit den Europäern näher verbunden sind“, mutmaßt Juan. Für das Kochen ist Rosa zuständig. „Ich darf nicht in die Küche, angeblich mache ich dabei zu viel ,kaputt’“.
Heute gibt es Sopa i bollit, einen typischen Eintopf nach dem Prinzip des „Fet i menjat“, was übersetzt „kochen und direkt essen” bedeutet. Die Brühe hat Rosa aus dem Huhn des Hauptgerichts gewonnen. Das ist der „Primer plato“, die Vorspeise. Juan trägt auf. Die recht schlicht aussehende Nudelsuppe schmeckt köstlich und wärmt in den kühler werdenden Herbsttagen gut von innen. Das Hühnerfleisch des Bollit fällt zart vom Knochen. Grüne Bohnen und Kartoffeln sind die Beilage in dem Sud.
In Spanien und auf Mallorca sind zwei Gänge üblich, wer auswärts essen geht, wählt beim typischen Mittagstisch (Plato del día) üblicherweise ein Menú, bestehend aus primero und segundo plato. Nachtisch gibt es auch noch, gerne ein Budín, eine Art süßer Auflauf oder Crema Catalana. Auf dem Land aß man früher das saisonale Obst. Nichts ist frischer als eine Orange direkt vom eigenen Baum. Der Café rundet das Ganze ab.
Juans Essgewohnheiten haben sich gewandelt. Sein Arzt kann sich freuen, denn er verzichtet ab nachmittags auf fetthaltige Kost. Üblich wäre ein kleiner Snack, wieder Berenar auf Mallorquinisch, oder „Merienda” auf Spanisch, genannt. Auch hier könnte es laut Juan wieder Brot mit Sobrassada sein. Nichts Süßes, betont er. Das Brot wurde früher mit einem halbmondförmigen Messer abgeschnitten. Juan macht die Schneidebewegung vor.
Abends gibt es bei Juan einen Joghurt. „Man muss auf sich achtgeben“, sagt er, lehnt sich im Stuhl leicht zurück und klopft sich auf den Bauch.
Typischerweise wird abends noch einmal warm gegessen. Eine „Sopa mallorquína” ab 21 Uhr wäre eine klassische Variante. „Vor allem auf dem Land war das üblich“, sagt Juan. Daher auch das Wort „sopar“.
Mallorca war früher arm. Man warf keine Lebensmittel weg, trocken gewordenes Brot wurde im Gemüseeintopf aufgeweicht und gab dem Ganzen Konsistenz und wirkte sättigend.
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