Als der römische Konsul mit seinen Truppen 123 v. Chr. Mallorca eroberte und die Stadt Palmaria Palmensis gründete, war dort, wo heute der Paseo del Borne ist, nichts als Wasser. Der Ausläufer einer Meeresbucht reichte dem Stadtchronisten Bartomeu Bestard zufolge mindestens bis zum Teatre Principal. Ergänzend dazu vermutet der Architekt Luis Moranta: „Der römische Hafen muss sich an der Stelle befunden haben, wo heute der Schildkröten-Brunnen steht, da bei dessen Bau die Überreste eines römischen Ankers zutage traten.“
Im Laufe der Jahrhunderte wurde aus dem Ausläufer des Meeres das Endstück von Sa Riera, dem Wasserlauf, der in Puigpunyent seinen Ausgang nimmt. Wer heute die Rambla, den Carrer Unió oder eben den Paseo del Borne entlangläuft, folgt seinem natürlichen Verlauf.
Das Wasserbett trennte Palma in zwei Teile, die seit der islamischen Epoche durch Brücken verbunden waren. Reste des Mauerwerks einer dieser Brücken wurde Anfang des neuen Jahrtausends bei der Erweiterung des Parkhauses unterhalb der Kathedrale freigelegt.
„Mehr als nur einer von uns hätte gerne den Wasserlauf mit seinen Brücken gesehen, der sich wie eine Narbe durch das Herz der Stadt zog”, kann sich Stadtchronist Bestard eine gewisse Schwärmerei nicht verkneifen. Wohl wissend, dass die Palmesaner des Mittelalters und der folgenden Jahrhunderte Sa Riera alles andere als idyllisch empfanden. Nach starken Regenfällen verwandelte sich der Wasserlauf in einen gewaltigen Sturzbach, der 1403 rund 5000 Menschen in den Tod riss und Häuser, die an seinen Ufern gebaut worden waren, zum Einstürzen brachte.
Auch bei Trockenheit war Sa Riera kein Ort, an dem man sich aufhalten wollte. Berichten zufolge war der Wasserlauf eine Kloake voller Unrat und Abwasser, die bei einsetzendem Regen ins Meer geschwemmt wurden. Die Anwohner wandten ihm deshalb den Rücken zu: Ihre Häuser hatten, anders als heute, Eingang und Hauptfassade auf der entgegengesetzten Seite. Selbst das Casal Solleric aus dem Jahr 1764 wurde noch so gebaut.
Sa Riera war zu diesem Zeitpunkt bereits seit fast 150 Jahren um die Stadtmauer herumgeleitet. Das alte Wasserbett hatte man mit Erde aufgeschüttet, und was einst die Stadt teilte, war nun ein neuer Raum mit einem weiten Platz inmitten der Stadt. Die Ernennung und der Tod von Monarchen wurden hier feierlich verkündet, Ritterturniere und Jahrmärkte abgehalten, aber auch Menschen öffentlich hingerichtet. 1675 ließen die Inquisitoren der katholischen Kirche einen zwangskonvertierten Juden, der weiter seinen alten Glauben praktizierte, auf dem Scheiterhaufen verbrennen. Und 1724 wurde ein Leutnant mit dem Fallbeil geköpft. Sein Vergehen: Er hatte einer Nonne gesetzeswidrig zur Flucht verholfen, doch das seltsame Paar wurde gefasst und verurteilt.
Beim Namen der Promenade standen jedoch die Ritterspiele Pate: „Der Ortsname ,Born‘ bezieht sich auf das Ende des Speeres, der von den Rittern als Kampfwaffe verwendet wird“, erklärt Bestard. Bis Anfang des 19. Jahrhunderts war der Boulevard im Sommer eine staubige, im Winter eine schlammige Angelegenheit. 1822 wurde schließlich mit dem Bau dessen begonnen, was später als Paseo del Borne bekannt werden sollte. Mit einer Allee mit Baumreihen und Steinbänken entstand ein neues urbanes Zentrum.
Mitten in diese neue Phase hinein platzte der Tod des spanischen Königs Fernando VII.. Die Thronfolge seiner Tochter Isabella markierte nicht nur einen historischen Einschnitt in der Geschichte Spaniens, sondern auch einen Wendepunkt in der Geschichte des Borne. Übereinstimmend entschieden der Militärmachthaber der Insel und der Stadtrat von Palma, der damaligen Noch-Kronprinzessin eine Promenade zu widmen: den Salón de la Princesa.
Dabei dachte man an den Borne, der zu drei Trassen ausgebaut wurde: Der mittlere Weg war für die hohen Herrschaften vorgesehen, die seitlichen Wege für die Alten und Armen. Am platzförmigen Ende der Promenade, der heutigen Plaça Rei Joan Carles I, wurde eine Rundbühne für Musikkapellen eingerissen, der Schildkrötenbrunnen errichtet und dahinter ein kleiner Garten angelegt, der 1956 der Avinguda Jaume III. weichen musste. Auch die berühmten Sphingen, im Volksmund „Löwinnen des Borne“ genannt, stammen aus dieser Zeit.
Das Aussehen des Paseo del Borne, wie wir ihn heute kennen, wurde im Wesentlichen 1863 angelegt, drei Jahre nach dem Besuch von Isabella II. auf Mallorca. Für ein Monument für die Königin sollte die Promenade bis zur Plaça de la Reina verlängert werden. Wegen der großen Unebenheiten im Gelände und der Notwendigkeit, viele Fassaden von Bestandshäusern auszurichten, gestaltete sich das Projekt nicht einfach. Zumal die betroffenen Anwohner und die Experten im Rathaus einiges dagegen einzuwenden hatten.
Palmas Bürgermeister machte deshalb kurzen Prozess. Am Abend des 18. März 1863 ließ er mit Erde beladene Wagen sowie unzählige Arbeiter und Soldaten anrücken Innerhalb von nur einer Nacht schufen sie vollendete Tatsachen. Bei Tagesanbruch fanden die Palmesaner einen neuen Paseo del Borne vor. Die Sphingen waren allerdings in einem Depot verschwunden. Erst 1895 kehrten sie an ihren angestammten Platz zurück – des Anstands wegen mit verkleinerten Brüsten.
Seither hat der Paseo del Borne vieles kommen und gehen sehen: das Teatro Lírico, die Straßenbahn, die Zeitungskioske. Traditionsläden mussten Nobelgeschäften und Bekleidungsketten weichen, Bars und Restaurants nutzen heute die Flaniermeile, auf der Jahrzehnte lang kaum Betrieb herrschte, als Terrasse für ihre Gäste. Nur eines hat sich in all diesen Jahren nicht verändert: die Anlage der Promenade als „Salon der Prinzessin“.
4 Kommentare
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Idee: Diesen und andere (schon verfasste oder noch kommende) Artikel über Palmas Stadtgeschichte mal in Buchform rausbringen. ;-)
@ Martin Breuninger: Topp, Danke für den informativeb Artikel! Gerne (viel) mehr über Palmas Geschichte!
Komisch, wie sind Römer 123 v. Chr. nach Mallorca gekommen? Es gab doch noch gar keinen Schiffs-Diesel ...
Danke fuer diese informative Chronologie. Aus dem Buch von Vigoleis Thelen oder auch dem von Gaby de Winter kann man so einiges entnehmen, aber das hier ist sehr viel zeitumfassender. Dass die auf dem Foto erkennbaren, fuer damalige Zeit fortschrittlichen Strassenbahnen abgeschafft wurden ist jedoch ebenso schade wie die Abschaffung der bestandenen unterirdischen Verbindungen vom Hafen/Stadtmauer zum Zentrum/Marques de Fontsanta/Mercado Olivar.