Weiße schlicht-elegante Segelboote schaukeln sanft in der Bucht von Alcúdia vor sich hin. Bei den kleinen Holzbooten handelt es sich um Llaüts, bis vor einigen Jahrzehnten noch das traditionelle Standardgefährt der Inselfischer. Direkt vor Ort hat sich auch Sebastian Bennasar, einer der renommiertesten Llaüt-Konstrukteure Mallorcas, samt Büro und Werft niedergelassen. Sein Urgroßvater Pere gründete die Bootsbauwerkstatt 1882, damit ist sie die älteste der Insel. Viel Konkurrenz hat Bennasar vorort nicht mehr, zahlreiche Werften mussten die Segel streichen, denn die Llaüt ist zu einer seltenen Bootsspezies geworden. „Heute sind unsere Kunden keine Fischer mehr, sondern Freizeitkapitäne”, sagt der 63-Jährige.
Dabei haben die Boote eine rund dreitausendjährige Tradition. Ursprünglich stammen sie aus Nordafrika, von dort verbreiteten sich im Mittelmeerraum und wurden den jeweiligen Bedürfnissen angepasst. In Mallorca erlebten sie ihre Blütezeit Ende des 18. Jahrhunderts. Damals wurden sie nicht nur zum Fischen genutzt, sondern auch zum Warentransport. Unverwechselbares Kennzeichen ist ihr dreieckiges Segel, das sich aus dem Lateiner-Segel entwickelt hat, und sowohl für den Antrieb als auch als Sonnendach genutzt werden kann.
Die Llaüts sind Bennasars Lebensinhalt und große Leidenschaft. Ein anderer Beruf als Bootsbauer stand für ihn nie zur Debatte. „Ich bin damit groß geworden, das Handwerk liegt mir im Blut“, erzählt er in seinem mit historischen Fotos und alten Werkzeugen dekorierten Büro, das fast schon als kleines Llaüt-Museum durchgehen könnte. Im Laufe der Jahre hat seine Werkstatt, in der fünf weitere Bootsverrückte arbeiten, der klassischen Llaüt ihren eigenen Stempel aufgedrückt. „Unsere Boote haben einen sehr breit geformten Bug, damit die Wellen nicht aufs Deck schlagen. Auch das Bootsheck ist weiträumig und offen gehalten. Ein stufig geformter Kiel sorgt für besonders viel Stabilität“, erklärt der 63-Jährige, den der Inselrat 2013 mit dem Premi Jaume II auszeichnete, einem Preis, der Persönlichkeiten verliehen wird, die sich besonders um die Förderung der mallorquinischen Kultur und Identität verdient gemacht haben.
Die Maße der Llaüts sind streng reglementiert. Es gibt sie üblicherweise in 5 Meter, 5,5 Meter, 6,9 Meter, 8 Meter, 9,26 Meter und 12 Meter Länge. An einem Fünf-Meter-Boot schraubt Bennasars Werft anderthalb bis zwei Monate. „1100 Arbeitsstunden sind dafür nötig. Für ein 16-Meter-Boot brauchen wir 17.000 Stunden“, erklärt er. Handarbeit hat ihren Preis. Eine Fünf-Meter-Llaüt schlägt mit rund 22.000 Euro zu Buche, Reparaturen und Instandhaltung, die mindestens einmal pro Jahr erfolgen sollte, nicht mitgerechnet.
Während die schlicht-schönen Boote früher komplett aus Holz gefertigt wurden, bestehen Rumpf und Deck heute aus Polyester. Dieser Kunststoff trat in den 1970er Jahren wegen seiner größeren Wartungsfreundlichkeit den Siegeszug im Bootsbau an. „Die Innenausstattung fertigen wir aber komplett aus Holz. Je nach Bootsteil kommen Teakholz, Eiche, nordeuropäischer Kiefer, Rotkiefer oder Steineiche zum Einsatz”, erläutert er. Das Holz wird durch eine Unterwasserbehandlung, die das Harz austreten lässt, besonders stabil gemacht.
Auch ein Motor gehört mittlerweile zu jeder Llaüt dazu. Die langsame Segelvariante hat schon seit Anfang des Jahrhunderts ausgedient. „Heute sind Llaüts als Freizeitboote beliebt. Anstelle des Segels haben sie einen Kabinenaufbau und einen Motor“, erläutert Bennasar, der selbst ein solches Boot sein Eigen nennt. „Es Peraire” heißt das knapp zehn Meter lange Schiff, das im Hafen von Bonnaire liegt. „Je nach Motorausstattung würde ein Schiff von diesem Typ 130.000 bis 180.000 Euro kosten. Damit schippert man mit bis zu 25 Knoten übers Meer”, erklärt der Bootsbaumeister. Mit modernen „Plastik-Yachten“ hat die „Es Peraire” nicht viel gemein, Formen und Materialien erinnern vielmehr an das klassische Bootsdesign vergangener Jahrhunderte. „Viele, die im Hafen vorbeikommen, mögen das und sprechen mich an“, erzählt Bennassar. Prominenten Besuch hatte die nostalgisch anmutende „Es Peraire“ auch schon. 2013 schaute die Königin anlässlich des Salon Náutico an Bord vorbei. Nur ein Jahr später tauchte Kronprinz Felipe, selbst begeisterter Segler, unangemeldet auf.
Dennoch sank die Nachfrage nach den Llaüts in den vergangenen Jahren mehr und mehr. Viele Boote verstaubten in Garagen. „Weil die EU in den 1990er Jahren den Kauf neuer Fischerboote subventionierte, zerstörten viele ihre alten Schiffe und damit ein Kulturgut”, ereifert sich Bennasar.
Ein Hoffnungsschimmer ist für ihn die zunehmende Zahl von Liebhabern, denen die zeitlose Ästhetik der Llaüts gefällt. „Viele Ausländer kommen zu mir, vor allem Deutsche. Sie wissen die traditionelle Handwerkskunst zu schätzen”, sagt Bennasar. Wie viele Boote er verkauft, will er jedoch nicht sagen.
Zur Wiederauferstehung des mallorquinischen Bootsklassiker soll das in Palma geplante Schifffahrtsmuseum beitragen, das das Bewusstsein für die einheimische Bootsbaukunst fördern will. Aber auch die Segelregatten in Cala Gamba und El Molinar, an denen ausschließlich Llaüts teilnehmen, halten die Tradition lebendig. Bei Touristen kommen die Boote jedenfalls gut an. Die Ausflüge auf der Llaüt des Inselrats, der 1924 gebauten „La Balear”, von Andratx nach Dragonera waren schnell ausgebucht.
Für Bennasar bleibt es in jedem Fall ausgeschlossen, jemals andere Boote zu bauen. „Bei Yachten ändern sich die Trends in jedem Jahr. Eine Llaüt kommt dagegen nie aus der Mode”, betont er.
(aus MM 36/2018)
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