"Wasser marsch!" heißt es am Sonntag, 3. September, bei der Schlacht der Canamunt und Canavall in Palmas Parc de la Mar. | P. PELLICER

TW
0

Bei Festen muss man mitmachen können, sonst sind es keine Feste." Dieser Überzeugung ist eine Gruppe von Palmesanern, die sich 2014 unter dem Namen "Orgull Llonget" (wörtlich: Stolz Brötchen) zusammenschloss. Ursprünglich wollten sie nur mehr Pep in das Patronatsfest Sant Sebastià im Januar bringen. Ihr Rezept dafür lautet so: "Gründe eine anständige Gruppe von Leuten, die bereit ist, sich an die Arbeit zu machen und den Plan für ein Fest umzusetzen, das traditionelle Wurzeln hat und sich bestehender Figuren bedient."

Doch bei Sant Sebastià ist es nicht geblieben. Am Sonntag, 3. September, werden im Parc de la Mar zum dritten Mal Hunderte von Menschen bei der Schlacht der Canamunt gegen die Canavall aufeinander losgehen. Erlaubt sind alle Art von Schusswaffen. Die Munition: Wasser.

Getreu dem Motto von Orgull Llonget kann jeder mitmachen. Allerdings gibt es ein paar Bedingungen. Erstens müssen sich die Teilnehmer für eine der beiden Seiten entscheiden. Zweitens müssen die Canamunt rote T-Shirts tragen, die Canavall gelbe T-Shirts. Wer will, kann in dem Buchladen Rata Corner vorab für zehn Euro ein offizielles T-Shirt erstehen und damit die Organisation des Festes unterstützen. Drittens ist eine Kopfbedeckung gewünscht: Je verrückter das Aussehen, desto besser. Und schließlich darf auf keinen Fall die Spritzpistole fehlen.

Bei allem Spaß gilt es, bestimmte Dinge zu respektieren. Ausgewiesene Trockenzonen wie die Bar und verkabelte Bereiche sind tabu, Schaulustige oder Passanten, die nicht in die Clan-Farben Rot und Gelb gekleidet sind, müssen von Angriffen verschont bleiben.

Das historische Vorbild für dieses ziemlich nasse Sommerspektakel liegt im 16. und 17. Jahrhundert und war eine Mischung aus Bürger- und Bandenkrieg zwischen den Canamunt und den Canavall, bei dem die Noblesse der Insel keine sehr edle Rolle spielte.

Ihren Ausgang nahm die Fehde mit einem Zwist zweier hochstehender Familien, die sich bis aufs Blut hassten: die Anglada und die Rossinyol. Die Anglada hatten ihren Familiensitz (Can) im oberen (amunt) Teil der Stadt, die Rossinyol in der Unterstadt (avall). Glaubt man den Chroniken, dann war verschmähte Liebe der Auslöser. Der junge Nicolau Rossinyol hatte ein Auge auf Isabel Anglada geworfen. Doch ihre Familie hatte offenbar andere Pläne und stellte sich gegen eine Heirat der beiden.

Ähnliche Nachrichten

In ihrem Stolz gekränkt, begannen die Rossinyols, die Ehrbarkeit des jungen Fräulein Isabel infrage zu stellen, was wiederum die Angladas in Rage brachte. Am 20. März 1598 lauerten zwölf Mitglieder des Anglada-Clans am Paseo del Borne acht Angehörigen der Rossinyols auf, die auf dem Weg zur Messe in der Kathedrale waren. Nicht alle von ihnen konnten sich in die Kirche flüchten. Zwei von ihnen, darunter auch der verschmähte Bräutigam, wurden niedergemetzelt. Ihre Mörder fanden im Dominikanerkonvent Asyl vor dem Arm der Gerechtigkeit - Kirchenasyl war in Spanien ein Privileg, das der Klerus mit Zähnen und Klauen gegen die weltliche Macht verteidigte.

Was als blutige Familienfehde begann, zog sich bald quer durch die Ober- und Unterstadt und breitete sich auch auf das Umland aus. Mehr als 70 Jahre tobte der Bandenkrieg, an dem nicht nur Adlige beteiligt waren, sondern Angehörige aller Stände und Schichten, sogar Banditen.

Unter all den Gewalttaten in dieser Zeit sticht der Mord an dem Richter Jaume Joan de Berga heraus. Der unbeugsame und harte Richter machte auch vor den Mächtigen der mallorquinischen Gesellschaft nicht halt. Nachdem er eine Räuberbande, die mit den Canamunt im Bunde waren, teilweise zerschlagen hatte, wurde er 1619 aus Rache hinterrücks umgebracht.

Das mörderische Trio: ein Ritter, ein Kaplan und ein Bandit. Der geistliche Anstifter konnte nach der Tat nach Malta fliehen, wo sich seine Spur verlor. Anders der Ritter und der Bandit. Beide wurden gefasst. Nachdem der Scharfrichter den Ritter einen Kopf kürzer gemacht hatte, wurde dessen Leichnam der Familie ausgehändigt, wie es bei Adligen üblich war. Dagegen wurde der Bandit gevierteilt, durch die Stadt geschleift und vor dem Haus des Opfers verstümmelt. Und bis heute hat sich auf der Insel der Spruch gehalten: "Qué som jo de la mort d'en Berga?" - Was habe ich mit dem Tod von Berga zu tun?

Unter der Vermittlung von Mallorcas Bischof Tomás de Rocamora, der von 1644 bis 1653 als Vizekönig auch die Insel regierte, fand der Bandenkrieg der Canamunt und Canavall 1666 schließlich sein Ende. Viele Adlige und Ritter mussten die Insel verlassen und in den Krieg ziehen, die Räuberbanden dagegen wurden verfolgt und weitgehend aufgerieben.

Mit all diesen Geschehnissen hat die Wasserschlacht zwischen Canamunt und Canavall im 21. Jahrhundert so gut wie nichts zu tun, sieht man von dem Vorwand für das ab, was der mallorquinische Kulturwissenschaftler Felip Munar als "Neo-Fiesta" bezeichnet. Historische Ereignisse oder - wie bei Patronatsfesten - Heilige interessieren da nur am Rande. "Die jungen Leute", so Munar, "wollen heute nur Spaß haben, tanzen und trinken."