Wer an der Plaça Cort um das alte Rathaus herumgeht, die Plaça Santa Eulàlia überquert und weiter gen Osten läuft, der gelangt in eines dieser Viertel: Monti-Sion. Das Quartier mit seinen gut Tausend Einwohnern besticht durch seine engen Gassen, eine lebendige Kunstszene, verwunschene Patios und vor allem durch die Ruhe, die dort herrscht.
"Hier kommen nur wenige Touristen vorbei", sagt Bartomeu Villalonga. Der 38-Jährige ist seit einem Jahr Rektor des Priesterseminars Palma, das sich an der Plaça de Sant Jeroni befindet. "Wir haben einen der schönsten Innenhöfe Palmas", sagt der Mann, der zwölf Seminaristen in seiner Obhut hat. "Es ist ein wunderbares Umfeld, um zu arbeiten." Und tatsächlich, der Patio des Seminars ist atemberaubend, fast mystisch. Saftig grüne Pflanzen ranken sich die Brüstungen herunter, daneben stehen stolze Palmen. Das Plätschern eines Brunnens untermalt die romantische Atmosphäre des Innenhofs, in dessen Mitte eine Heiligenstatue wacht.
Und der Patio ist längst nicht der Einzige des Viertels. Hinter zahlreichen unscheinbaren Toren eröffnen sich ganze Welten sagenhafter Höfe, von denen oft prunkvoll verzierte geschwungene Treppen in die Gemächer darüber führen. Imposant zeigt sich jener in dem Gebäude in der Carrer del Seminari, in dem das Priesterkolleg früher untergebracht war, und wo sich noch heute Abteilungen der Diözese Palma befinden.
Vom Priesterseminar führt die Calle Monti-Sion einmal quer durch das "Barrio." Sie säumen etliche Künstlerateliers, viele von ihnen spezialisiert auf Keramik. Aber auch andere Kunstschaffende haben hier ihre Heimat gefunden, wie die Illustratorin Irene Gayà. Ihr Atelier mit dem deutschen Namen "Das Kabinett" ist ein einziger kleiner Raum im Erdgeschoss einer Werkstatt. Ein großer Arbeitstisch nimmt fast den gesamten Platz ein. "Monti Sion war schon immer ein Künstlerviertel. Hier zu arbeiten ist herrlich. Es ist so still, es gibt kaum Bewegung in den Gassen", so Gayà. Und genau diese Stille ist es, die besonders auffällig ist. Kein Stimmengewirr wie an der Plaça Major, kein Autolärm wie auf dem Paseo del Borne. Einzig und allein die Schritte der wenigen Fußgänger hallen durch die engen Sträßchen.
Das wohl einprägsamste Bild des Viertels gibt das Gebäude-Ensemble am Ende der Straße ab, an dem sich die Carrer de Monti Sion, die Carrer del Sol und die Carrer del Call verzweigen. Kleine Bars, Cafés und Feinschmeckerläden haben sich dort niedergelassen. Schick gekleidete Damen trinken Weißwein, die eine mit Tablet in der Hand, die andere mit Zigarette. Und dann der Kontrast: Eine Nonne überquert die Straße, huscht von einem "Palacio" in den anderen. Neben dem Priesterseminar haben noch weitere kirchliche Einrichtungen ihren Sitz in Monti-Sion.
An den Mauern der Häuser weisen alte Blechschilder auf die Art des Lokals hin, dass sich dahinter verbirgt. Die meist sehr kleinen Räume lassen die Einrichtung großer Restaurants nicht zu. Lediglich vier Tische haben Claudio Filacchioni und Paola Bettancourt, die in ihrem Lokal "Base" "Healthy Mediterranean Food" anbieten, wie sie es nennen. Sie können sich mit der Ruhe im Quartier nicht so recht anfreunden und hoffen auf einen Boom. "Wir gehen davon aus, dass in spätestens zwei bis drei Jahren die Touristen hierher kommen", erklärt das italienisch-spanische Paar, das heute vor allem von Stammkunden lebt. "Die meisten Besucher unserer Bar sind Menschen, die hier arbeiten. Sie kommen in der Mittagspause auf ein Panino oder einen Espresso vorbei. Außerdem gibt es hier viele Studenten." Studenten? Ja, denn gleich nebenan, in der Carrer del Sol, befindet sich das Institut für Tourismus, an dem junge Leute ein dreijähriges Studium absolvieren. "Wir sind froh um die Cafés hier in der Gegend, ansonsten ist hier ja nichts los", sagt Manuel Hidalgo, der sein letztes Jahr am Institut absolviert. "Junge Menschen gibt es hier nicht, die meisten von uns kommen morgens zu den Vorlesungen und sind anschließend wieder weg."
Monti-Sion, das scheint auch ein Viertel zu sein, das vor allem Berufstätige aus der Kreativ-Szene zu schätzen wissen. Die wenigen älteren Bewohner verlassen das Viertel kaum noch. Ganz zur Zufriedenheit von Maria-José Quetglas, die einen der kleinen "Tante-Emma-Läden" betreibt. "Die Alten kaufen alles bei mir, Obst, Gemüse, Klopapier", erklärt sie, das Gesicht hinter herunterhängenden Knoblauch-Ketten versteckt. Davon könne man immer noch sehr gut leben. Und Trubel, den gebe es bereits genug. Am südlichen Ende des Quartiers befinden sich die bekannten "Arabischen Bäder." "Was glauben Sie, was da los ist, wenn ein Kreuzfahrtschiff anlegt?"
(aus MM 46/2014)
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