Baukräne prägen Mallorca seit Jahrzehnten.

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Während in Palma in diesem Jahr bereits Zehntausende Demonstranten gegen Sparmaßnahmen und Arbeitsmarktreform der Zentralregierung auf die Straße gegangen sind, kommt ein Thema, das die Mallorquiner traditionell besonders bewegt, in diesen Tagen nur am Rande vor: die Baupolitik. „Ja, viele Leute haben angesichts der Wirtschaftskrise derzeit andere Probleme", sagt Margalida Ramis, Sprecherin der Umweltschutzgruppe GOB.

Dabei häufen sich seit Monaten die Meldungen über neue, geplante Großprojekte. Da soll im Süden der Insel, in Sa Ràpita (Campos), ein neues Hotel mit Platz für mehr als 1000 Gäste entstehen. Im Nordosten dagegen, in Canyamel (Capdepera) ist der Bau eines luxuriösen Tourismus-Komplexes geplant.

In Ses Fontanelles an der Playa de Palma beabsichtigen Investoren ein Einkaufs- und Vergnügungszentrum zu errichten. In Son Bosc, unmittelbar neben dem Feuchtgebiet Albufera (Muro), soll ein Golfplatz entstehen. Auch wenn sich sämtliche Projekte in einem frühen Stadium befinden, so ist doch klar, dass sich auf Mallorca eine Kehrtwende in der Baupolitik vollzieht – wenngleich das im zuständigen Ministerium  niemand so deutlich sagen möchte.

Die schriftliche Antwort auf die Frage nach der künftigen Baupolitik der Regional-Regierung klingt so: „Den Rahmen der Flächennutzungspolitik des Govern bilden der Schutz der Natur und der Landschaft, die Ausgewogenheit, die Beschränkung der Bauaktivität und eine nachhaltige soziale und wirtschaftliche Entwicklung."

Tatsache ist jedoch, dass die PP-geführte Regierung bereits kurz nach ihrem Wahlsieg im Mai 2011 keinen Zweifel an ihren Absichten ließ: „Wir können es uns nicht erlauben, Projekte zu behindern, für die alle Genehmigungen vorliegen. Sonst geht der Investor am Ende lieber woanders hin", hatte Tourismusminister Carlos Delgado damals gegenüber dem Mallorca Magazin angekündigt.

„Wir lehnen solche Projekte nicht von vornherein ab, sondern sind bereit sie zu prüfen, mit den gesellschaftlichen Gruppierungen abzustimmen und dann die notwendigen Entscheidungen zu treffen."

Nachdem von 2007 bis 2011 auf den Balearen ein Mitte-Links-Bündnis regiert und mit dem Verweis auf den Landschaftsschutz zahlreiche Bauprojekte blockiert hatte, herrscht nun ein anderes Klima: „Die Vereinfachung der Genehmigungsverfahren und die höhere Effizienz der Verwaltung" werde die „rasche Ausführung" von Bauprojekten erleichtern, heißt es aus dem Bauministerium.

Die Balearen-Regierung führt besonders zwei Argumente an: Mehrere der von der Vorgänger-Regierung blockierten Projekte seien längst genehmigt gewesen, die Investoren verfügten über sämtliche Lizenzen. Die Realisierung der Pläne zu unterbinden würde immense Entschädigungsforderungen nach sich ziehen. Von rund einer Milliarde Euro ist die Rede. Geld, das die Balearen-Regierung nicht hat.

Auf der anderen Seite erhofft sich die Regional-Regierung verstärkt private Investitionen. Da die öffentliche Hand wegen der angespannten Finanzlage ihre Investitionen in Bauvorhaben drastisch zurückgefahren hat, könne die Wirtschaft nur so wieder angekurbelt und die Schaffung von Arbeitsplätzen gefördert werden.

Eine Argumentation, der Margalida Ramis vom GOB nicht folgen will: „Wir brauchen neue Rezepte, um Arbeitsplätze  zu schaffen. Nicht wieder  die alten, die uns in diese Lage gebracht haben." Der GOB plädiert für eine Politik, die darauf basiert, nur in bereits besiedelten Gegenden zu bauen, um nicht weiteren Grund und Boden zu versiegeln.

Der GOB gehört zu den schärfsten Kritikern der Balearen-Regierung. „Es ist klar, dass die Regierung eine Baupolitik mit dem Motto ,alles ist möglich’ verfolgt", sagt Ramis. „Es besteht die Absicht, zu allen Bauprojekten Ja und Amen zu sagen."

Die Baupolitik der Balearen-Regierung schließt allerdings nicht nur ein, dass die Regierung privat finanzierten Großprojekten offener gegenübersteht. Auch das geplante neue Tourismusgesetz wird aller Voraussicht nach eine Lockerung bestimmter Bauvorschriften mit sich bringen.

Das Gleiche gilt für die von der ebenfalls konservativen Zentralregierung in Madrid geplante Reform des bislang strengen Küstengesetzes.

Dass Mallorcas Landschaft geschützt werden muss und nicht unbegrenzt bebaut werden darf, ist derweil längst Konsens auf der Insel. Neben den Umweltschützern sind es vor allem Touristiker, die darauf immer wieder hinweisen. „Wir müssen sehr respektvoll mit der Umwelt umgehen", sagt etwa Eduardo Gamero, Vorsitzender der Tourismusförderung Foment de Turisme.

Abgesehen davon plädiert er für die Einhaltung der Gesetze: „Solange die Legalität gewahrt wird, hat die Bauaktivität keine negativen Auswirkungen auf den Tourismus." Schließlich sei Mallorca die Gegend Europas mit dem höchsten Anteil der unter Naturschutz stehenden Fläche. Mallorcas Flächennutzungsplanung reiche vollkommen aus.

Keinen Grund zur Dramatisierung sieht auch Álvaro Middelmann, Spanien- und Portugal-Direktor der Fluggesellschaft Air Berlin: „Chartern Sie mal ein Segelschiff, schauen Sie sich die Insel vomMeer aus an und sagen Sie mir dann, ob Mallorca wirklich so verbaut ist, wie manche meinen."

Auch Middelmann plädiert vor allem für Rechtssicherheit. „Wenn Gegenden, die irgendwann einmal für urbanisierbar erklärt wurden, jetzt bebaut werden, dann ist das so", sagt er. „Wenn man sie schützen wollte, hätte man sich das früher überlegen müssen."

Selbst den Bauunternehmern ist mittlerweile klar, dass Bauaktivitäten auf der Insel Grenzen haben müssen, wie Manuel Gómez, Generaldirektor des balearischen Bauunternehmerverbandes betont. „Wir wissen, warum die Leute eine Immobilie auf Mallorca wollen: Wegen der Schönheit der Landschaft. Man darf die Henne nicht töten, wenn man Eier essen will."

Der unkontrollierte Bauboom vergangener Jahre habe der Insel mehr geschadet als gedient. „Es ist nicht wünschenswert, dass es wieder dazu kommt."

Andererseits werde es auf Mallorca wirtschaftlich erst bergauf gehen,  wenn der Bausektor wieder auf die Beine komme. Die Krise habe 36 Prozent aller Baufirmen auf Mallorca in die Pleite getrieben, sagt Gómez.

Dabei würden in keinem anderen Bereich Investitionen so direkt zu neuen Arbeitsplätzen führen wie in der Baubranche. Es sei ein Fehler, dass die Balearen-Regierung die Ausgaben für Bauprojekte der öffentlichen Hand so drastisch gekürzt habe.

Margalida Ramis vom GOB glaubt nicht an positive Auswirkungen einer Wiederbelebung des Bausektors. Auch das Argument, im Falle einer Blockade bereits genehmigter Bauprojekte würden horrende Entschädigungszahlungen fällig, lässt sie nicht gelten.

„Die Zahlen von der Regierung sind übertrieben. Es ist längst nicht klar, dass tatsächlich diese Summen fällig würden." Und so ist sie überzeugt, dass die Baupolitik die Inselbewohner trotz der Krise, trotz existenzieller Sorgen nicht kalt lässt. Für den kommenden Sonntagvormittag, 29. April, plant der GOB eine Menschenkette gegen den Bau des Hotels in Sa Ràpita. Margalida Ramis rechnet mit mehr als 1000 Teilnehmern.

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