Ganz Mallorca sollte ein einziges großes
Museum sein. Diese Vision hat Joan Sastre. Der mallorquinische
Heimatforscher ist überzeugt, dass wesentliche Teile des
kulturellen Erbes der Insel in Vergessenheit geraten und nicht
ausreichend gepflegt werden. „Das ist ein mallorquinisches
Problem”, sagt er: „Wir schätzen das, was von außen kommt, nicht
aber das, was wir hier haben.” Ein Beispiel: die Possessions,
Mallorcas große, historische Landgüter, von denen es mehrere
Hundert gibt. Ihre Geschichte reicht meist zurück bis in die Zeit
der christlichen Eroberung der Insel im 13. Jahrhundert – wenn
nicht sogar bis in die Zeit der muslimischen Herrschaft. Meist
bestehen sie aus einem Haupthaus, das in vielen Fällen enorme
Dimensionen hat, sowie ausgedehnten Ländereien, die lange Zeit
landwirtschaftlich genutzt wurden. Oft befinden sich auf den
Ländereien prähistorische Bauwerke oder Überbleibsel traditioneller
mallorquinischer Handwerke, wie Köhlerhütten, Schneehäuser und
Kalköfen.
In vielen Fällen umfassen die Ländereien obendrein emblematische
Orte der mallorquinischen Natur und Geschichte. So befindet sich
etwa einer der höchsten Berge der Insel, der Teix, auf einer
Possessió in Privatbesitz. Gleiches gilt für das Castell del Rei
bei Pollença, eine von drei Felsenburgen auf der Insel. Eines wird
daran klar: Die Possessions sind wesentlicher Bestandteil des
kulturellen Erbes der Insel.
Wie nun dieses Erbe bewahren? Diese Frage stellen sich nicht nur
heimatverbundene Mallorquiner wie Joan Sastre, sondern auch die
zuständigen Politiker sowie die Besitzer der Possessions. Die
allermeisten dieser Landgüter befinden sich in Privatbesitz. Ihr
Unterhalt ist eine große Herausforderung für die Eigentümer. Da
heute praktisch alle traditionellen Einkünfte der Landbesitzer
weggebrochen sind, müssen neue Nutzungsmöglichkeiten her.
In begrenztem Maße springt die öffentliche Hand ein, die
Besitzern von Landgütern, die von allgemeinem Interesse sind,
Subventionen zahlt. Mehrere Millionen Euro stellt die
Balearen-Regierung jährlich dafür zur Verfügung. In mehreren Fällen
hat die öffentliche Hand sogar historische Landgüter gekauft, um
sie zu restaurieren und zugänglich zu machen.
Die Bewahrung der Possessions hat beim Govern einen hohen
Stellenwert, wie der zuständige Generaldirektor im
Umweltministerium beteuert (siehe Interview auf Seite 23). Dahinter
steht die Erkenntnis, dass Mallorcas historische Landgüter auch aus
wirtschaftlichen Gründen große Bedeutung haben: Will man etwa den
Wandertourismus im Tramuntana-Gebirge voranbringen, müssen die
Possessions zugänglich sein – mehr als 90 Prozent der Tramuntana
befinden sich in Privatbesitz.
Wie die Rechte der Eigentümer und das öffentliche Interesse
zugleich gewahrt werden können, ist auf Mallorca noch längst nicht
geklärt. Für Joan Sastre, der wie bisher kein anderer die
Geschichte der Possessions erforscht hat, kann es nur eine Lösung
geben: „Wir brauchen einen großen Konsens.” Dann wird seine Vision
vom größten Freilichtmuseum der Welt vielleicht doch noch
Wirklichkeit.
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