Wer aufmerksam durch die Nebenstraßen
von Manacor spaziert, dem werden sie auffallen: Hinter
unscheinbaren Garageneinfahrten und Werkstoren finden sich immer
wieder Schreinereien, in denen eifrig gesägt, gehobelt, gehämmert
wird. Holzspäne und Sägemehl liegen auf dem Boden, hin und wieder
wird die stille Geschäftigkeit vom Kreischen einer Kreissäge
zerrissen. Nicht jeder Betrieb ist in mallorquinischer Hand. Auch
deutsche Schreiner finden sich in der ostmallorquinischen
Stadt.
Die Perlenproduktion und die Holzindustrie sind
traditionell die Säulen der Wirtschaft in Manacor gewesen. Weit ins
16. Jahrhundert reichen die Wurzeln des Holz verarbeitenden
Handwerks, schreibt der Historiker Sebastià Sansó in seinem jüngst
erschienenen Buch „Els fusters de Manacor”.
Mit dem Aufkommen des Tourismus und der steigenden Nachfrage
nach Bauteilen und Möbeln für Hotels erlebte die Branche in den
1960er und 70er Jahre eine Hochphase. Damals wurden allein in
Manacor 400 Betriebe und mehr als 2000 Beschäftigte gezählt.
Das sind Dimensionen, mit denen der Sektor heute nicht mehr
aufwarten kann. Seit Jahren sinkt die Zahl der Betriebe und
Mitarbeiter kontinuierlich. Die harte Arbeit ist weniger gefragt,
und viele Unternehmer hören aus Altersgründen auf. Nach Angaben des
balearischen Technologiezentrums für Holz (Cetebal) gibt es auf den
Inseln noch insgesamt 1030 Holz verarbeitende Betriebe. Die Zahl
der Beschäftigten sank von 5725 im Jahr 2003 auf 4111 im
Jahr 2009.
Auch das ist eine Facette der Holzindustrie von Manacor: Wer
sich vom Westen der Stadt nähert, stößt rechterhand auf eine Gruppe
haushoher Dinosaurier-Figuren. Dahinter befindet sich das
„Oliv-Art”-Zentrum, wo seit Jahrzehnten allerlei Waren aus
Olivenholz verkauft werden. Die ausgewiesenen Parkplätze belegen,
dass hier in guten Zeiten die Urlauber busweise angekarrt wurden;
ein Zwischenstopp auf dem Weg zu den Höhlen von Porto Cristo. In
dem Verkaufszentrum wirken die feilgebotenen Teller, Schalen und
kunsthandwerklichen Figürchen aus Ölbaum ähnlich unverwüstlich wie
die Dinosaurier vor der Tür. Drei russische Touristinnen sind
fasziniert: „Wie glatt poliertes Olivenholz ist!” Die wenigsten
Urlauber dürften das Gewerbegebiet von Manacor anfahren. Wer es
dennoch tut, bekommt rasch zu sehen, dass die Zahl der modernen
Holzverarbeitungsbetriebe die Erwartung übersteigt. Die Firmenlogos
geben einen Eindruck davon, wie groß die Bandbreite der Produkte
ist: Manches Unternehmen ist auf Mobiliar für die
Gastro-Hotelleriemöbel spezialisiert, ein anderes auf Türen und
Fenster, ein drittes auf Gebälk für Gebäude, andere wiederum auf
Fertigteile wie Zäune, Gatter, Lauben, Gartenhäuschen. Der Baumarkt
„Hipermaderas” wirbt für Holzprodukte wie Parkettfußböden,
Täfelungen, Bretter, Pfosten, Pfähle. Die deutschsprachige
Beschriftung macht deutlich, dass hier auch viele Fincabesitzer der
Umgebung als Kunden angesprochen werden sollen.
Der moderne Anstrich, den sich Manacors Holz verarbeitende
Industrie im Gewerbegebiet gibt, steht im Gegensatz zum Image, das
der Branche nachgesagt wird: Eine Branche, gefangen im
Schrumpfungprozess und so altbacken wie ein Salatbesteck aus
Olivenholz. „Es stimmt, uns haftet sehr das traditionelle
Erscheinungsbild an. Dagegen müssen wir angehen und uns als
modernes Markenprodukt positionieren”, sagt die Cetebal-Direktorin
Marta Mesquida. Dass eine solche Strategie in der Vergangenheit
kaum verfolgt wurde, habe daran gelegen, dass die Betriebe bei den
Aufträgen aus dem Vollen schöpfen konnten und sich nicht neu zu
erfinden brauchten. Bauboom und Tourismus sorgten lang Zeit für
entsprechende Nachfrage.
Jaume Llodrà kann davon berichten. Der Schreiner, der „Muebles
Llodrà” 1976 gründete, war selbst noch nie in Lateinamerika. „Aber
unsere Produkte sind überall dort zu finden, wo mallorquinische
Hotelkonzerne Häuser eröffnet haben.” Er selbst habe keine eigene
Möbellinie entworfen. Die Kunden kamen mit ihren Vorgaben für die
Zimmereinrichtung, die Arbeiten wurden wunschgemäß ausgeführt.
„Ohne die Hotelkonzerne hätte es diese Aufträge gar nicht gegeben”,
sagte Llodrà.
Die gesunkene Nachfrage zwingt die Firmen zum Umlenken. „Wir
leben derzeit vom Sanieren historischer Altbauten”, sagt Francisco
Jaume von der Firmengruppe Orell. Nach den Worten des
Türenherstellers leidet die Branche nicht an einem
Qualitätsproblem. „Was uns fehlt, sind Experten, die uns auswärts
neue Märkte erschließen. Wir müssten dort verkaufen, wo es teurer
ist als hier.” Die Bemühungen der Branche um ein modernes Image
gibt es schon länger. Seit zwei Jahren prangt am Ortseingang das
Schild „Manacor, ciutat de moble”, die Möbelstadt. Weniger bekannt
ist hingegen, dass Manacors jährlicher Design-Wettbewerb für Möbel
aus Holz nach Valencia zum zweitrenommiertesten in ganz Spanien
avanciert ist. Was dort von den Kreativen präsentiert wird, soll
der Industrie Anstöße geben, die Entwürfe in Serie anzufertigen.
Bislang ist dieser Fall allerdings nur selten eingetreten. Die
Betriebe tun sich scheinbar schwer, die Konzepte umzusetzen.
„Manacor ist zwar die Wiege der mallorquinischen Möbelindustrie,
aber wir haben viel Terrain verloren”, sagt José Riera, Inhaber des
Küchen- und Badezimmerherstellers „M. Riera”. In den Boomzeiten
hätten die Inselfirmen zu sehr auf Hotelbedarf gesetzt und den
traditionalen Absatzmarkt auf dem Festland aus der Hand gegeben.
Heute sei es für die mallorquinischen Unternehmen allein schon
wegen der Insellage und der höheren Kosten schwierig, jenseits der
heimischen Gestade Zimmereinrichtungen an den Verbraucher zu
bringen.
Gleichwohl sieht José Riera positive Erneuerungstendenzen in der
Branche: Firmen, die auf ein eigenes Design achteten, hätten
durchaus Nischen erobern können. So gebe es in Manacor etwa einen
Hersteller für Kindermöbel, und vier der 18 führenden
Fensterhersteller in Spanien seien auf Mallorca angesiedelt. „Ich
wage zu behaupten, dass die Balearen im Verhältnis zu
Bevölkerungszahl noch immer die Region in Spanien sind, die die
meisten Profis in der Holzverarbeitung stellen.“ Geht es um
Markenbewusstsein, dann verweisen die Gesprächspartner immer wieder
auf „Mapini”. Hierbei handelt es sich um moderne Badezimmermöbel im
minimalistischen Stil des mittleren bis gehobenen Preissegments.
Innerhalb weniger Jahre erlangte die Marke aus Manacor zumindest in
Spanien ein beachtliches Insider-Renommee, betonen die Unternehmer.
Auch dies mag als Beleg für die Erneuerung der Branche in Manacor
herhalten: Die Urheber von Mapini waren jene Unternehmer, die
jahrzehntelang auf Haushaltswaren aus Olivenholz gesetzt
hatten.
Kein Kommentar
Um einen Kommentar schreiben zu können, müssen Sie sich registrieren lassenund eingeloggt sein.
Noch kein Kommentar vorhanden.